Das Zweite Führungspositionen-Gesetz betrifft längst nicht alle Unternehmen. Rechtsanwalt Tobias Reiter, Rödl & Partner, nimmt hier eine differenzierte Beurteilung vor.
Am 12. August 2021 wurde in den Nachrichten vermehrt pauschal verlautbart, dass der Gesetzgeber künftig die Wirtschaft dazu verpflichten würde, mehr Frauen in Führungspositionen zu installieren. Wieso diese Aussage nur teilweise zutreffend ist, soll der nachfolgende Beitrag erläutern.
Überblick
Richtig ist, dass am 12. August 2021 das „Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“ in Kraft getreten ist. Verkürzt wird das Gesetz „Zweites Führungspositionen-Gesetz“ oder „FüPoG II“ genannt. Das FüPoG II ergänzt und passt teilweise die Regelungen des „Ersten Führungspositionen-Gesetz“, kurz „FüPoG I“ an, das bereits im Jahr 2015 erlassen wurde.
Betroffene Unternehmen
Die Regelungen des FüPoG II betreffen nicht sämtliche Unternehmen, wie dies zum Teil durch die Öffentlichkeit wahrgenommen wurde. Vielmehr beschränken sich die Regelungen auf
- börsennotierte Aktiengesellschaften und börsennotierte Europäische Gesellschaften (SE),
- GmbHs, die dem Mitbestimmungsgesetz unterliegen, das heißt, mindestens 2.001 Mitarbeiter beschäftigen, und
- bestimmte Unternehmen, an denen die Bundesrepublik Deutschland als Gesellschafter beteiligt ist.
Beteiligungsgebot im Vorstand der AG
Nicht für sämtliche Aktiengesellschaften gelten die Regelungen des FüPoG II. Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des nachfolgend erläuterten Beteiligungsgebots des FüPoG II für Vorstände einer Aktiengesellschaft ist die Erfüllung sämtlicher der folgenden Kriterien:
Die Aktiengesellschaft
- muss börsennotiert sein, das heißt, ihre Aktien müssen am regulierten Markt gehandelt werden;
- der Vorstand besteht aus mindestens drei Mitgliedern; und
- die Aktiengesellschaft unterfällt dem Mitbestimmungsgesetz.
Sind all diese Kriterien erfüllt, so haben dem Vorstand der Aktiengesellschaft mindestens eine Frau und mindestens ein Mann anzugehören (Beteiligungsgebot).
Die drei genannten Kriterien schränken den Kreis der betroffenen Unternehmen deutlich ein. Aktuell unterliegen in Deutschland lediglich 66 Unternehmen dem Beteiligungsgebot, von denen bereits 42 wenigstens ein weibliches und ein männliches Vorstandsmitglied haben und somit die Vorgaben des FüPoG II erfüllen.
Sollte eine Gesellschaft die Kriterien erfüllen, das Beteiligungsgebot jedoch derzeit noch nicht beachten, so hat die betroffene Gesellschaft jedoch nicht unverzüglich mit der Umbildung des Vorstands zu beginnen. Bestehende Vorstandsmandate können beendet werden, zudem sind bei Neubestellungen die Regelungen des FüPoG II erst ab dem 1. April 2022 zu berücksichtigen.
Folgen des Verstoßes gegen das Beteiligungsgebot
Verstößt der Aufsichtsrat bei der Bestellung eines Vorstandsmitglieds gegen das Beteiligungsgebot, so ist die Bestellung des Vorstandsmitglieds nichtig. Findet die Bestellung en bloc statt, das heißt, werden mehrere Vorstandsmitglieder gleichzeitig bestellt, und wird hierbei das Beteiligungsgebot nicht beachtet, ist die Bestellung aller Vorstandsmitglieder wohl nichtig.
Frauenanteil der Führungsebene 1 und 2 der AG
Da wichtige Entscheidungen bei Unternehmen nicht ausschließlich auf Vorstandsebene getroffen werden und künftige Vorstandsmitglieder oftmals aus der ersten und zweiten Managementebene unterhalb des Vorstands rekrutiert werden, beschränken sich die Regelungen des FüPoG II nicht ausschließlich auf die Vorstandsebene. Bereits durch das FüPoG I wurde geregelt, dass der Vorstand einer börsennotierten Aktiengesellschaft oder einer Aktiengesellschaft, die dem Mitbestimmungsgesetz unterfällt, Zielgrößen für den Frauenanteil in der ersten und zweiten Führungsebene unterhalb des Vorstands zu bestimmen haben. Diese Regelungen werden nun durch das FüPoG II verschärft.
Für die Anwendung dieser Regelungen gelten somit weniger strengere Regelungen als für das Beteiligungsgebot für den Vorstand. Es reicht aus, wenn die Gesellschaft entweder börsennotiert ist oder dem Mitbestimmungsgesetz unterfällt.
Bisher genügte es nach dem FüPoG I, eine Zielgröße für den Frauenanteil in diesen Führungsebenen in Prozent zu bestimmen. Dabei wählten Unternehmen oftmals prozentuale Angaben, die betrachtet auf die Gesamtanzahl der Posten in diesen Führungsebenen, weniger als einen vollen Posten betrug. Somit war letztlich keine Stelle tatsächlich mit einer Frau zu besetzen. Nunmehr muss absolut angegeben werden, wie viele tatsächliche Stellen mit Frauen besetzt werden sollen.
Des Weiteren erschwert das FüPoG II auch die Möglichkeit, als Zielgröße des Frauenanteils „null“ anzugeben. Diese Möglichkeit bestand nach dem FüPoG I bisher und wurde auch vielfach genutzt. Nunmehr haben Unternehmen diese Zielvorgabe zu begründen, wobei die Begründung zwingend folgende Voraussetzungen erfüllen muss:
Der Beschluss des Vorstands muss klar und verständlich darlegen, welche Erwägungsgründe den Vorstand zu dieser Entscheidung bewogen haben; und der Beschluss ist in der Erklärung zur Unternehmensführung nach § 289f. HGB zu veröffentlichen.
Frauenquote des Aufsichtsrats der AG
Bereits mit dem FüPoG I wurden die Aufsichtsräte börsennotierter Aktiengesellschaften oder paritätisch mitbestimmter Aktiengesellschaften verpflichtet, das Gremium zu mindestens 30 Prozent mit Frauen zu besetzen und dass sich das Gremium ein Zielgröße für den Frauenanteil zu geben hat.
Durch das FüPoG II gelten nun hinsichtlich der Zielgröße des Frauenanteils die gleichen Regelungen wie bei der Zielgröße des Frauenanteils auf erster und zweiter Führungsebene unterhalb des Vorstands. Dies bedeutet, die Zielvorgabe muss nunmehr auch die tatsächliche Anzahl der Aufsichtsratsposten, die mit Frauen besetzt werden sollen, wiedergeben, und hat im Fall einer Zielgröße „null“, diese entsprechend zu begründen.
Frauenanteile bei der GmbH
Anders als für Aktiengesellschaften gelten die Neuregelungen des FüPoG II für GmbHs nur für den Fall, dass die GmbH den Regelungen des Mitbestimmungsgesetzes unterfällt. In diesem Fall hat auch hier die Geschäftsführung der GmbH für die erste und zweite Führungsebene Zielvorgaben für den Frauenanteil zu bestimmen. Hierbei gelten die Ausführungen zum Frauenanteil der ersten und zweiten Ebene der AG entsprechend.
Unterliegt eine GmbH dem Drittelbeteiligungsgesetz und hat folglich einen Aufsichtsrat zu bilden, so gelten für diesen die Regelungen zur Frauenquote des Aufsichtsrats der AG entsprechend.
Elternzeit und Mutterschutz für Vorstände der AG
Da Vorstände von Aktiengesellschaften rechtlich keine Arbeitnehmer darstellen, galten bislang für diese die gesetzlichen Regelungen zum Mutterschutz sowie zur Eltern- und Pflegezeit nicht. Dies ändert das FüPoG II nun. Nunmehr genießen auch Vorstände Mutterschutz, das heißt, ihre Bestellung wird für den Zeitraum des Mutterschutzes aufgehoben und sie erhalten einen Anspruch auf Wiederbestellung nach Ende des Mutterschutzes. Auch wird ihnen nun gesetzlich ein Anspruch auf bis zu drei Monate Eltern- oder Pflegezeit zugestanden.
Tobias Reiter ist Associate Partner am Münchner Sitz der internationalen, multidisziplinären Kanzlei Rödl & Partner und Mitglied der Praxisgruppe Bank- und Kapitalmarktrecht. Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist die Beratung kapitalmarktorientierter Unternehmen, insbesondere bei kapitalmarktrechtlichen Fragestellungen, der Betreuung von Hauptversammlungen, öffentlichen Übernahmen und Umstrukturierungen sowie die Beratung von Vorständen und Aufsichtsräten.