Zurück ins Büro? Eltern brauchen Flexibilität

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Viele Eltern wollen die Doppelbelastung von Familie und Beruf nicht länger hinnehmen. Die Lösung? Flexibilität. Annina Hering, Indeed DACH, beschreibt, was HR tun kann.

Das Ringen um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat dem Alltag vieler berufstätiger Eltern in den vergangenen zwei Jahren seinen Stempel aufgedrückt. Viele Eltern haben im Homeoffice gearbeitet und parallel ihre Kinder bereut. Sie haben ihre Arbeitszeiten und Familienabläufe den betrieblichen Bedürfnissen angepasst. Sie mussten mit weniger Gehalt auskommen, weil sie in Kurzarbeit geschickt wurden oder aufgrund von Kinderbetreuung Arbeitszeit reduzieren mussten. Und wenn es erforderlich war, waren sie kurzfristig wieder voll einsatzbereit.

Paradigmenwechsel bei berufstätigen Eltern

Die Anstrengungen während der Pandemie haben bei vielen berufstätigen Eltern zu einem Paradigmenwechsel geführt. Sie wollen die Doppelbelastung von Familie und Beruf so nicht länger hinnehmen. Das haben wir in einer Indeed-Umfrage unter berufstätigen Eltern festgestellt. Mehr als jede vierte von uns befragte Person gibt an, dass sie beim nächsten Jobwechsel solche Arbeitgeber bevorzugen wird, die eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen. 41 Prozent der befragten Eltern würden dafür sogar auf Gehalt verzichten.

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Die Bedürfnisse der berufstätigen Eltern im Blick

Das sind Aussagen, die in den HR Abteilungen ernst genommen werden sollten. Denn aktuell ist die Nachfrage nach Arbeitskräften auf dem deutschen Arbeitsmarkt so hoch wie noch nie. Die Zeit für einen Jobwechsel war noch nie so gut wie jetzt. Wer gute Arbeitskräfte an sich binden will und neue Beschäftigte gewinnen möchte, kommt nicht umhin, Lösungen für die speziellen Bedürfnisse von Eltern anzubieten.

Flexibilität heißt das Zauberwort

Und das ist nicht einmal schwer. Um ihrer Arbeit mit möglichst wenig zusätzlichen Druck nachgehen zu können, brauchen Eltern vor allem eines: Flexibilität vonseiten der Arbeitgebenden. Viele Beschäftigte haben in den vergangenen zwei Jahren erlebt, dass plötzlich Beweglichkeit in den Arbeitsaufläufen möglich war, wenn es darum ging, den Betrieb am Laufen zu halten. Arbeitgebende haben sich auf die Situation der Eltern eingestellt und Arbeitszeiten ermöglicht, die sich an den Betreuungszeiten der Kinder orientiert haben. In der Krise war die Stechuhr nicht mehr so wichtig. Für viele Eltern wäre es eine Erleichterung, wenn es dabei bliebe.

Homeoffice hat sich bewährt

Oder nehmen wir die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten. Auch hier haben Unternehmen ihren Widerstand aufgegeben, weil es schlicht nicht anders ging. War die Arbeit im Homeoffice anfangs noch mit technischen Problemen und Anpassungsschwierigkeiten verbunden, ist das Arbeiten von Zuhause inzwischen etabliert und hat sich bewährt.

Starre Strukturen schrecken ab

Deshalb ist es schwer zu verstehen, warum Unternehmen jetzt ihre Mitarbeitenden wie in alten Zeiten zurück in die Büros beordern. Diese Maßnahme signalisiert Misstrauen und macht ohne Not das Leben der Beschäftigten schwerer. Gerade für Eltern sind Arbeitswege eine zusätzliche Belastung, Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen.

Kranke Kinder gut versorgt

Berufstätige Eltern können die Betreuung der Kinder noch so gut organisieren – wenn ein Kind krank ist, kommt die beste Organisation ins Schleudern. Auch hier kann HR durch flexible Lösungen das Leben von berufstätigen Eltern erleichtern. Oftmals reichen für Beschäftigte ein, zwei Tage aus, um mit dem Kind zu Hause zu bleiben (besonders wenn Eltern die Sorgearbeit aufteilen). Warum den Eltern an diesen Tagen nicht unbürokratisch freigeben?

Und zwar ohne, dass die Eltern in die Arztpraxis müssen, wo sie stundenlang mit dem kranken Kind zwischen anderen kranken Kindern sitzen. Wie beim Homeoffice ist hier wieder das Vertrauen in die Beschäftigten gefragt. Aber haben die nicht in den vergangenen zwei Jahren mehr als bewiesen, dass sie vertrauenswürdig sind?

Teilzeit raus aus der Verlierer-Ecke

Eine hilfreiche Maßnahme, um die Doppelbelastung von Eltern zu mindern, ist die Aufwertung von Teilzeitmodellen. Bislang arbeiten überwiegend Mütter in Teilzeit. Das bremst das berufliche Fortkommen von Frauen und verbindet Teilzeit mit dem Ruf eines Karrierekillers. HR sollte deshalb das Arbeitsmodell Teilzeit aus der Verlierer-Ecke holen und offensiv als Benefit für die Work-Life-Balance anbieten. Wenn die Möglichkeit in Teilzeit zu arbeiten zum Standardangebot wird – auch für leitende Positionen – entsteht eine Kultur, in der auch Väter ohne Sorge um ihre Karriere Stunden reduzieren.

Jobsharing: Geteilter Job – doppelter Einsatz

In der Debatte um Teilzeitmodelle kommt häufig das Argument, dass verantwortungsvolle und leitende Aufgaben nur mit 40 Stunden und mehr Wochenarbeitszeit bewältigt werden können. Aber wollen wir so noch arbeiten? Jobsharing kann hier eine Lösung sein. Also eine Aufgabe – auch und besonders Schlüsselpositionen – im Unternehmen mit zwei Beschäftigten zu besetzen. Vom Jobsharing können Unternehmen und Arbeitnehmende gleichermaßen profitieren: Für die Position bringt es doppelten Input und für die Beschäftigten weniger Erschöpfung.

Mehr Aufwand für HR zahlt sich aus

Die Pandemie hat vieles in der Arbeitswelt verändert. HR ist gut beraten, diesen Wandel als Chance zu begreifen und die eigenen Arbeitsabläufe den neuen Anforderungen anzupassen. Und viele tun das bereits, wie unsere Daten zeigen. Die Zahl der Anzeigen, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie als Benefit und Teil der Stellenbeschreibung nennen, sind im Verlauf der Pandemie um 120 Prozent angestiegen.

Grafik Eltern - Vereinbarkeit Familie und Beruf

 

Es ist gewiss organisatorisch ein größerer Aufwand, auf die individuellen Bedürfnisse von Eltern flexibel und unbürokratisch zu reagieren. Aber gleichzeitig eine gute Taktik, sie an das Unternehmen zu binden: Welche Eltern geben schon einen Job auf, der sich ohne Reibungsverlust in die persönlichen und familiären Abläufe einfügt?

Ein stressarmer Alltag ist ein deutlich stärkeres Benefit als Kicker und Obstkörbe. Die Personalabteilungen, die am schnellsten lernen, werden im Werben um gute Arbeitskräfte die Nase vorn haben und von der aktuellen Dynamik auf dem Arbeitsmarkt profitieren.

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Foto Annina Hering

Dr. Annina Hering ist Senior Economist bei Indeed DACH. Sie erforscht Trends und Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt mit nationaler und globaler Relevanz. Annina Hering ist promovierte Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlerin. Vor Indeed war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung.

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