Der Klimaschutz erfährt derzeit starken politischen Gegenwind, gleichzeitig steigen die regulatorischen Anforderungen an Unternehmen. Melanie Kubin-Hardewig, verantwortlich für Corporate Responsibility bei der Deutschen Telekom, zeigt praxisnah, wie Nachhaltigkeit in ihrem Unternehmen verankert wurde. Sie erklärt, wie ein effektives ESG-Training alle Mitarbeitenden in den Nachhaltigkeitsprozess integriert und welche Schritte andere Unternehmen unternehmen sollten, um ESG-Wissen aufzubauen und zu fördern.
Wenn national wie international die Stimmen lauter werden, die den Kampf gegen den Klimawandel zurückfahren möchten, müssen wir unseren Beschäftigten unsere Nachhaltigkeitsziele noch besser erklären als bisher. Nur wenn wir ihr ESG-Wissen vertiefen, werden sie ihren Job nachhaltiger ausfüllen und den Marktanforderungen gerecht werden können.
Die Regulatorik schreibt uns vor, dass wir alle nachhaltiger wirtschaften. Daher darf ESG kein Nischenthema bleiben. Um es kurz zu machen: Ihre Nachhaltigkeitsabteilung mag noch so gut sein, ohne die Mitwirkung der übrigen Unternehmensbereiche werden Sie Ihre Nachhaltigkeitsziele nicht erreichen und die Erwartungen Ihrer Shareholder nicht erfüllen. Unsere eigenen Kreislaufwirtschaftsziele können wir beispielsweise nur erreichen, wenn auch unsere Fachkräfte für Technologie und Endgeräte wissen, welchen konkreten Beitrag sie leisten müssen.
So geht’s raus aus der Nische
In einem Konzern wie dem unseren arbeiten Menschen mit wertvollem Fachwissen. Aber um ihren Job künftig nachhaltiger auszufüllen, brauchen sie zusätzliche Expertise. Das Thema Nachhaltigkeit betrifft jeden Job, auch wenn die ESG-Skills, die künftig erforderlich sind, vom jeweiligen Jobprofil abhängen. Doch bevor Sie darüber nachdenken, wer sich nun welches Wissen aneignen muss, sollten Sie zwei wichtige Aufgaben erledigen.
1. Schaffen Sie ein gemeinsames Grundverständnis

Kommunizieren Sie Ihren Beschäftigten eine klare Nachhaltigkeitsstrategie. Nehmen Sie sich Zeit, die Risiken und Chancen, die sich mit dem Thema Nachhaltigkeit verbinden, zu erklären. Veranschaulichen Sie dies entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Erläutern Sie, was das für die einzelnen Unternehmensbereiche heißt. Machen Sie klar, dass alle Mitarbeitenden zur nachhaltigen Transformation beitragen müssen und dass dafür neues Know-how nötig ist. Ohne ein übergreifendes Verständnis von Nachhaltigkeit wird der Wandel nicht gelingen.
Unser gesamter Vorstand hat 2022 in einem Livestream unsere ESG-Strategie gemeinsam vorgestellt. Spätestens da war allen Beschäftigten klar, dass Nachhaltigkeit für unseren Konzern strategisch bedeutsam ist. Eine solche Botschaft ist zu wichtig, als dass Sie diese allein Ihrer CR-Abteilung überlassen könnten.
2. Verankern Sie Nachhaltigkeit in Ihren Unternehmensstrukturen
Wir haben vor einigen Jahren die variable Vergütung des Vorstands an dessen ESG-Zielerreichung gekoppelt. Das war ein wichtiges Signal. Wir haben Nachhaltigkeit auch in die strategischen Steuerungselemente integriert – angefangen vom Vorstand und Aufsichtsrat über alle Ebenen der Organisation hinweg.
Bei uns gibt es in jedem Unternehmensbereich eine/ einen CR-Managerin / CR-Manager und eine / einen CR-Controllerin/ CR-Controller. Ein gezielter ESG-Wissensaufbau setzt solche engen Verbindungen ins Unternehmen voraus.
ESG-Training: In kleinen Schritten zum Wissensaufbau

Bei der Telekom haben wir uns dafür entschieden, unseren Sustainability Campus auf der Lernplattform einzubinden, die unsere Mitarbeitenden bereits kennen. Wir tragen auf unserem Campus webbasierte Trainings zu allen drei Bereichen von ESG zusammen.
Dabei haben wir uns für einen modularen Aufbau des ESG-Trainings entschieden. Dafür sprechen mehrere Gründe: Wir können sukzessive neue Elemente hinzufügen und auf die Bedürfnisse der Einheiten reagieren, können jederzeit neue Entwicklungen aufgreifen und veraltete Inhalte entfernen. Vor allem aber: Wir konnten ohne Anspruch auf Vollständigkeit mit ersten Modulen loslegen.
Wir haben uns in der Anfangsphase darauf konzentriert, unsere Beschäftigten mit Einführungen in die für uns wichtigsten Themen zu versorgen: Kreislaufwirtschaft, Klimaneutralität, Diversität und digitale Teilhabe. Auf dieser Grundlage bauen alle weiteren Trainingseinheiten auf und vermitteln die für diese Felder wichtigen Fach- und Methodenkompetenzen. Zusätzlich ermuntern wir unsere Unternehmensbereiche, eigene Inhalte zu erstellen.
Learning from Experts
Unter dem Stichwort „Learning from Experts“ (LEX) teilen unsere Beschäftigten seit Jahren ihr ESG-Wissen – deshalb steht auch der LEX-Plattform unser Campus offen. Für Menschen, die sich tiefer in Fragestellungen wie Green IT einarbeiten wollen oder wissen möchten, wie man als Produktenwickler eine Lieferkette hinsichtlich menschenrechtlicher und ökologischer Aspekte analysiert, entwickeln wir zusätzlich vertiefende Seminare.
Inzwischen schneiden wir bereits zielgruppenspezifische Inhalte für die unterschiedlichsten Jobprofile zu. Solche Trainings richten sich dann an unsere IT, an den Vertrieb oder natürlich auch an unsere Führungskräfte. Dort erklären wir detaillierter, wie sich der jeweilige Job nachhaltiger ausrichten lässt.
Zertifizierungen anbieten

Wissen ist für fundierte Entscheidungen im Bereich Nachhaltigkeit entscheidend. Aus Gesprächen mit anderen Unternehmen wissen wir, dass auch sie regelmäßig auf Nachhaltigkeitszertifizierungen setzen, um sicherzustellen, dass dieses Wissen zielgerichtet vermittelt wird. Lernreisen fördern nicht nur die Weiterbildung, sondern können auch als Anreizsystem dienen. Abschlusszertifikate tragen dazu bei, dass die Lernprozesse für Mitarbeitende erfolgreich und motivierend verlaufen, was gleichzeitig zu ihrem persönlichen Erfolg führt.
Wie Sie Ihren ESG-Weiterbildungsprozess starten können
Auf drei Punkte sollten Sie achten, wenn Sie Ihren Weiterbildungsprozess starten.
1. Holen Sie sich Hilfe von außen
Viele wertvolle Lerninhalte existieren bereits und durch die Zusammenarbeit mit externen Partnern können wir auf bewährte Ressourcen zurückgreifen, anstatt das Rad neu zu erfinden. Nur wenn wir auf spezifische Belange der Telekom eingehen oder uns ein ganz konkretes Jobprofil anschauen, werden wir selbst aktiv. So konnten wir viel schneller mit unserem Weiterbildungsangebot an den Start gehen.
2. Schaffen Sie Aufmerksamkeit
Ihre Beschäftigten sollten nicht zufällig über Ihr Weiterbildungsangebot stolpern. Wir machen über unser eigenes CR-Netzwerk Werbung und ergänzen das beispielsweise mit einer Posterkampagne. Zusätzliche Aufmerksamkeit schaffen wir mit einem ESG-Gewinnspiel, bei dem unsere Beschäftigten ihr Nachhaltigkeitswissen testen können.
3. Nutzen Sie KI

Webbasierte Trainings – das mutet sehr klassisch an. Dabei nutzen wir beim ESG-Training auch innovative Technologien. Weil es mir und meinen Kolleginnen und Kollegen häufig schwerfällt, Videodrehtage in unseren Kalender einzubauen, und wir auch nicht alle Konzernsprachen sprechen, setzen wir auf Avatare. Der Vorteil: Unsere virtuellen Ichs haben immer Zeit, unsere Texte zu sprechen – und das in ganz vielen verschiedenen Sprachen.
Neben den Avataren spannen wir beim ESG-Training aber auch zunehmend KI-Assistenten für unsere Arbeit ein. Unser Vertrieb hat zum Beispiel gerade einen ESG-Assistenten gebaut. Einen KI-Bot, den wir zuvor mit unserem spezifischen ESG-Wissen gefüttert haben. Er liefert künftig schnelle Antworten, wenn beispielsweise ein Kunde wissen möchte, wie viele CO2-Emissionen wir im Jahr 2024 verursacht haben. Das spart unseren Beschäftigten jede Menge Rechercheaufwand.
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Melanie Kubin-Hardewig leitet weltweit den Bereich unternehmerische Verantwortung der Deutschen Telekom AG. In dieser Rolle verantwortet sie die konzernweite Gestaltung und Umsetzung der Corporate Responsibility (CR)-Strategie der Deutschen Telekom. Die Juristin und Betriebswirtin hat zuvor verschiedene Bereiche der Deutschen Telekom, zuletzt unter anderem die Einkaufsstrategie, geleitet.