Worauf sollte HR bei einer Workation im Ausland achten? Tobias Mackenrodt und Corina Gräßer beleuchten die Herausforderungen des Arbeits-, Sozialversicherungs- und Steuerrechts.
Die Kombination von „work“ (Arbeit) und „vacation“ (Urlaub) ist für viele Beschäftigte interessant. Eine „Workation“ gibt denjenigen Mitarbeitenden Flexibilität, die es sich wünschen, an einem anderen Ort außerhalb Deutschlands zu arbeiten, verlangt aber gleichzeitig Flexibilität von den Unternehmen, die es anbieten möchten. Gründe für ein Workation Angebot gibt es viele: Es steigt die Arbeitgeberattraktivität sowie die Bindung zum Unternehmen und die Erfahrungswerte der Personen, die es nutzen, sind hilfreich, um Vielfalt erlebbar zu machen. So können beide Seiten profitieren.
Bevor es Mitarbeitenden gestattet wird, Workation im Ausland zu machen, sollten Unternehmen sich jedoch über die rechtlichen Auswirkungen im Klaren sein. Risiken sollten ermittelt und bewertet werden, um das Angebot je nach Risikolevel zu realisieren. Dazu ist es wichtig, die betroffenen Rechtsgebiete mit den jeweiligen Anforderungen und Hürden im Blick zu haben.
Der Beitrag konzentriert sich darauf, die Herausforderungen des Arbeits-, Sozialversicherungs- und Steuerrechts zu beleuchten. Damit werden Personalabteilungen in die Lage versetzt, zu wissen, worauf sie sich einlassen und was zu beachten ist.
Kein Anspruch auf eine „Workation“
Zunächst ist aus arbeitsrechtlicher Sicht zu betonen, dass es keinen Anspruch auf eine Workation gibt. Arbeitgeber können frei entscheiden, ob sie diese Möglichkeit anbieten wollen. Idealerweise werden die Grundsätze in einer Policy zusammengefasst. Bieten sie es an, haben Unternehmen mit Betriebsrat zu beachten, dass diesem ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Ausgestaltung – also des „Wie“ – mobiler Arbeit zusteht.
Anwendbares Arbeitsrecht des gewöhnlichen Arbeitsortes
Es folgt die Frage, welches Arbeitsrecht bei einer Workation im Ausland Anwendung findet. Das kommt auf die Dauer des Aufenthaltes an. Eine typische Workation wird in der Regel nicht länger als vier Wochen andauern. Dann gilt deutsches Recht im europäischen Rechtsraum fort. Das ergibt sich nach überwiegender Auffassung aus Artikel 8 Absatz 2 der sogenannten Rom-I-Verordnung – Verordnung über das auf Schuldverhältnisse anzuwendende Recht. Anwendbar ist nämlich das Recht des gewöhnlichen Arbeitsortes, eine vorübergehende Tätigkeit an einem anderen Ort schadet nicht.
Aus deutscher Sicht gilt das auch gegenüber Drittstaaten. Es sind aber ebenfalls deren nationale Vorschriften bezüglich der Anwendung eigenen Rechts zu beachten. In jedem Fall ist innerhalb wie außerhalb der EU ein arbeitsrechtlicher Mindestschutz zu beachten. Selbst bei einer Rechtswahl kann dieser nicht umgangen werden und betrifft etwa Mindestlöhne oder Feiertagsregelungen.
Zu beachten ist, dass bei einem Aufenthalt von mehr als vier Wochen besondere Nachweispflichten seitens der Arbeitgeber erfüllt werden sollten. Das ergibt sich aus § 2 Absatz 2 des Nachweisgesetzes, der voraussichtlich auf die Workation-Fälle seinem Sinn und Zweck nach anwendbar sein wird. Danach müssen Arbeitgeber zusätzlich zu den wesentlichen Vertragsbedingungen weitere Informationen schriftlich erteilen und aushändigen.
Ausnahme vom Tätigkeitsortprinzip der Sozialversicherungsbestimmungen
Bei der Workation haben sowohl Beschäftigte als auch Unternehmen ein Interesse an der Kontinuität der Sozialversicherung. Hier soll sich möglichst nichts ändern. Innerhalb Europas gilt grundsätzlich das sogenannte Tätigkeitsort- oder Territorialitätsprinzip. Das ergibt sich etwa aus Artikel 11 Absatz 3 der Verordnung (EG) 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit. Danach gilt eigentlich das Sozialversicherungsrecht am Tätigkeitsort – also im Ausland.
Hiervon gibt es aber Ausnahmen. Eine Ausnahme besteht bei zeitlich befristeten Entsendungen. Problematisch ist, dass per sozialversicherungsrechtlicher Definition eine Entsendung den Auslandseinsatz auf Weisung des Arbeitgebers – nicht wie hier auf Wunsch der Beschäftigten – voraussetzt. Allerdings geht die Verwaltung hiermit pragmatisch um. Nach Ansicht der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland soll die Entsende-Ausnahme auch in den Wunsch-Fällen gelten. Um den Verbleib im deutschen Sozialversicherungssystem nachzuweisen, müssen die „Workationeers“ eine A1- oder vergleichbare Bescheinigung vorlegen können. Andernfalls droht eine Doppelverbeitragung.
Steuerliche Herausforderungen der Unternehmens- und Lohnsteuer
Es gilt dabei, sowohl in Bezug auf die Unternehmenssteuern als auch hinsichtlich der Lohnsteuer Risiken zu erkennen. Ein Auslandsaufenthalt kann – je nach Dauer, Art der Tätigkeit und Position der betroffenen Person – eine ausländische Betriebsstätte begründen. Dann entsteht für deren Einkünfte möglicherweise eine doppelte Steuerlast. Um diese zu vermeiden, sind die mit anderen Staaten abgeschlossenen Abkommen zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung (DBA) zu beachten.
In der Regel wird die „Workation“ aus dem Homeoffice heraus erbracht werden. Abgesehen von Sonderkonstellationen – beispielsweise Anmietung eines Hotelzimmerkontingents durch den Arbeitgeber – wird es dann an dem Merkmal der „festen Geschäftseinrichtung“ fehlen, das nach dem OECD-Musterabkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung (OECD-MA) für die Begründung einer Betriebsstätte verlangt wird. Allerdings ist daneben auch zu beachten, ob die „Workationeers“ eine Vertretungsposition inne haben und gewöhnlich Verträge selbst abschließen oder aushandeln bzw. dabei eine führende Rolle einnehmen.
Die Frage, welchem Staat das Besteuerungsrecht am Gehalt zusteht, wird ebenfalls anhand der Regelungen eines DBA ermittelt. Hierbei stellt das OECD-MA auf die Ansässigkeit der abhängig beschäftigten Person ab – also Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt sowie Lebensmittelpunkt bei Doppelansässigkeit. Trotz einer Auslandstätigkeit für den (kurzen) Zeitraum der Workation wird hier das Besteuerungsrecht in Deutschland bleiben.
Das wäre indes anders zu beurteilen, wenn die Tätigkeit im Ausland länger als 183 Tage innerhalb eines im DBA festgelegten Zeitraums ausgeübt, die Vergütung von ausländischen Unternehmen bezahlt oder von einer Betriebsstätte wirtschaftlich getragen wird. Sollte das Besteuerungsrecht ins Ausland wechseln, ist zu prüfen, ob eine Arbeitgeberpflicht zum Einbehalt und Abführung von Lohnsteuern im Ausland gegeben ist.
Workation im Ausland – Fazit
Im Ergebnis kann sich eine Workation im Ausland bei zeitlicher Begrenzung und Berücksichtigung länderspezifischer Besonderheiten gut planen lassen. Ein Mehraufwand in der Planungsphase wird sich später sicherlich auszahlen – in Form von Mitarbeiterbindung und Vertrauen.
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Tobias Mackenrodt, LL.M., ist Partner, Rechtsanwalt und Steuerberater bei Mazars in Frankfurt am Main. Er verantwortet den Bereich Internationale Mitarbeiterentsendung.
Corina Gräßer, LL.M., ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht bei Mazars in Berlin.