Kündigung statt Office, Work-Life-Balance statt Karriere?

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Unternehmen sollten genau prüfen, ob sie flexible Arbeitsmodelle beibehalten oder einführen können, meint Goran Barić, Regional Managing Director Northern & Central Europe der PageGroup. Denn die Kompromissbereitschaft vieler Angestellten ist begrenzt. Sie fordern Flexibilität und eine bessere Work-Life-Balance.

2024 wollen viele Unternehmen ihre Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter nicht mehr nur als kleine Kachel auf dem Bildschirm, sondern auch wieder persönlich im Büro sehen. Doch Präsenzpflichten stoßen bei Angestellten oft auf Widerstand, wie eine weltweite Studie der PageGroup zeigt. Besonders in Deutschland legen Beschäftigte großen Wert auf ihre Work-Life-Balance und sind sogar bereit, zu kündigen, ehe sie ins Office zurückkehren.

Die Ende Mai veröffentlichte Talent Trends-Studie 2024 der PageGroup zeigt, dass mehr als die Hälfte der Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmer aufgrund mangelnder Flexibilität einen Jobwechsel in Erwägung zieht. Von diesen sind 53 Prozent aktiv auf der Suche nach neuen Stellen, da sie aufgrund geänderter Unternehmensrichtlinien mehr im Büro arbeiten sollen als noch vor zwölf Monaten. Das führt zu einer erhöhten Fluktuation innerhalb der Unternehmen, die wiederum die Stabilität und Kontinuität am Arbeitsplatz beeinträchtigt.

Unternehmen sollten daher sorgfältig prüfen, ob sie flexiblere Arbeitsmodelle beibehalten oder einführen können. Im Gegenzug fördern hybride Arbeitsmodelle Zufriedenheit und Produktivität in Unternehmen. Wenn Unternehmen es für unerlässlich halten, ihre Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter zurück ins Haus zu holen, dann will diese Entscheidung durch klare Kommunikation und transparente Ziele erläutert werden. Ist die Notwendigkeit von Return to office-Maßnahmen nicht nachvollziehbar oder wirken sie gar willkürlich, drohen Unzufriedenheit und konkrete Abwanderungsgedanken.

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Wohlbefinden statt Beförderung

Kündigung statt Office, Work-Life-Balance statt Karriere?
Envato/Prostock-studio

Die Studie legt ebenfalls dar, dass rund zwei Drittel der Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmer bereit sind, auf eine Beförderung zu verzichten, wenn sie dafür ihr persönliches Wohlbefinden erhalten können. Das untermauert einen deutlichen Trend hin zu einer besseren Work-Life-Balance und stellt die Unternehmen vor neue Herausforderungen. Diese Entwicklung zeigt sich weltweit, ist allerdings in Deutschland besonders ausgeprägt.

Auch die Rolle der Künstlichen Intelligenz (KI) in der Arbeitswelt wird laut der Studie immer wichtiger. Mehr als die Hälfte der Befragten glaubt, dass KI ihre Karrierepläne langfristig beeinflussen wird. Dennoch nutzt bisher nicht einmal ein Drittel der Beschäftigten in Deutschland KI aktiv im Arbeitsalltag. Unternehmensnahe Dienstleistungen und die Technologiebranche gehen voran, während andere Bereiche wie der Öffentliche Dienst hinterherlaufen. Um langfristig effizient zu sein, sollten Unternehmen ihre Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter im Umgang mit KI-Tools und anderen digitalen Technologien umfassend schulen.

Inklusion am Arbeitsplatz: Mitarbeitende sehen Nachholbedarf

Foto Frau arbeitet am Laptop
Twenty20/@justingovender_

Nur 13 Prozent der Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmer empfinden ihren Arbeitsplatz als inklusiv, wobei Diskriminierung laut Studie insbesondere aufgrund des Alters stattfindet. Ein Großteil fühlt sich nicht vollständig akzeptiert: Lediglich zwei von fünf deutschen Bewerberinnen / Bewerber geben an, bei der Arbeit ihr „wahres Ich“ zeigen zu können. Das verdeutlicht die Inklusions- und Gleichbehandlungsdefizite in vielen Unternehmen. Auch das wirkt sich negativ auf die Zufriedenheit und Loyalität der Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter aus.

Auffallend ist, dass vor allem junge Menschen der Präsenzarbeit etwas Positives abgewinnen können. So geben 21 Prozent der 20-jährigen an, ihre Karriere mit Präsenzarbeit vorantreiben zu wollen, während es bei den 50-jährigen lediglich 12 Prozent sind. Wenn Unternehmen weiterhin flexible Arbeitsmodelle anbieten oder ausbauen, werden sie damit den unterschiedlichen Bedürfnissen der Mitarbeitenden gerecht. So schaffen sie unter Berücksichtigung der individuellen Präferenzen ein attraktives Arbeitsumfeld und haben die Chance, ihre Angestellten langfristig zu binden.

Fach- und Führungskräftemangel: kein Ende in Sicht

Foto Menschen im Büro
Envato/stokkete

Auch in den nächsten Jahren wird es schwierig sein, die passenden Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter zu finden und zu halten. Arbeitgeber sind gefordert, attraktive Arbeitsumfelder zu schaffen. Dazu gehört, Gründe für Entscheidungen klar, offen und transparent darzulegen und über die Situation und die Ziele des Unternehmens zu informieren. Eine offene Kommunikation fördert das Verständnis und Vertrauen der Belegschaft und kann dazu beitragen, Missverständnisse und Unzufriedenheit zu vermeiden.

Gleichzeitig müssen Unternehmen auch darauf achten, dass Maßnahmen zur Steigerung von Komfort und Flexibilität nicht zu Lasten der Produktivität gehen. Es bleibt eine ständige Gratwanderung zwischen den Bedürfnissen der Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter und den wirtschaftlichen Zielen des Unternehmens.

Über die Studie

Die Talent Trends werden im Auftrag der PageGroup vom Marktforschungsunternehmen UNLIMITED erhoben. Die Studie ist eine der größten und umfassendsten dieser Art. Im jährlichen Turnus gibt die Umfrage forschungs- und datengestützte Einblicke in die Bewerbenden-Community und aktuelle Arbeitsmarktrends. Der Erhebungszeitraum für die Talent Trends-Studie 2024 erstreckte sich von November bis Dezember 2023. Insgesamt wurden 49.407 Online-Umfragen durchgeführt, 2.140 davon für Deutschland.

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Foto Goran Barić

Goran Barić ist seit 2004 für die PageGroup tätig, als Geschäftsführer der PageGroup Deutschland und seit 2023 zusätzlich als Regional Managing Director für Nord- und Zentraleuropa (BeNeLux, DACH, Polen) und damit für die Einzelmarken Michael Page, Page Personnel und Page Executive verantwortlich. Die PageGroup wurde 1976 in Großbritannien gegründet. Heute ist sie im FTSE 250 gelistet. Sie ist in 37 Ländern vertreten.

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