Wie Sie eine positive Fehlerkultur im Unternehmen fördern

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Wie Unternehmen eine positive Fehlerkultur schaffen und was das mit Holacracy zu tun hat, erklärt Sandra Tuulikki Kröger von Enreach. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor: Psychologische Sicherheit.

Die zunehmende Digitalisierung und Globalisierung der Arbeitswelt fordern von vielen Unternehmen eine Transformation ihrer Strukturen und Prozesse: Organisationen müssen agiler und anpassungsfähiger werden, um schneller auf Veränderungen reagieren zu können. Eine wichtige Grundlage dafür ist eine Unternehmenskultur, die Eigenverantwortung und Initiative der einzelnen Mitarbeitenden fördert – und dabei Fehler zulässt.

Fehler passieren, das ist unvermeidlich. Im Arbeitsalltag kann man diese Fehler sanktionieren oder akzeptieren und zur Weiterentwicklung nutzen. Wir bei Enreach haben uns für letzteres entschieden: Fehler dürfen passieren und sind eine willkommene Chance, um zu lernen und letztlich erfolgreicher zu werden. Wichtig ist die kritische Reflexion des Geschehenen, damit wir – falls nötig – Rahmenbedingungen anpassen oder andere kurzfristige Änderungen vornehmen können.

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In der hybriden Arbeitswelt, in der ein schneller Austausch „im Vorbeigehen“ nicht immer möglich ist, ist in diesem Zusammenhang das Schaffen einer vertrauensvollen und konstruktiven Atmosphäre wichtiger als je zuvor: Kontinuierliche Kommunikation, wie innerhalb des Unternehmens mit Fehlern oder Misserfolgen umgegangen wird, spielt eine zentrale Rolle, damit kein(e) Mitarbeiter(in) glaubt seine oder ihre Fehler vertuschen zu müssen. Es geht nicht um die Schuldfrage, sondern darum, gemeinsam Lösungen zu suchen.

Mit der Einführung von Holacracy als neue Organisationsform haben wir eine Basis geschaffen, um flexibel (re-)agieren zu können. Dafür war nicht nur erforderlich, die bisherige hierarchische Unternehmensstruktur aufzugeben, sondern auch zu hinterfragen, welche Werte wir im Unternehmen leben und wie es gelingen kann, das notwendige Mindset aller Beteiligten herbeizuführen.

Psychologische Sicherheit als Schlüssel

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist psychologische Sicherheit. Psychologische Sicherheit bedeutet, dass jeder Mitarbeitende sich in einer konstruktiven, offenen Arbeitsatmosphäre bewegt und dabei frei von Angst und Repressalien fühlt. Unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind eingeladen, Dinge neu und anders zu tun. Das fördert frische Ideen und Innovationen. Durch eine offene, positive Kommunikation zielen wir darauf ab, Vorbehalte und Ängste abzubauen, die jede und jeder Einzelne in unterschiedlichem Ausmaß aufgrund vergangener Erfahrungen mit sich trägt. Wir ermutigen alle Kolleginnen und Kollegen aktiv, ihre Komfortzone zu verlassen und Verantwortung zu übernehmen.

In der Praxis bedeutet das konkret, dass auf der einen Seite das ursprüngliche Managementteam bisher gelebtes Führungsverhalten „top down“ loslassen muss und auf der anderen Seite die Mitarbeitenden befähigt werden müssen, selbstorganisiert zu arbeiten. Vertrauen spielt dabei eine große Rolle: Der Circle Lead – das ist in der holokratischen Organisation eine festgelegte Rolle, die letztlich für die strategische Ausrichtung eines Kreises (einer Organisationseinheit) verantwortlich ist – muss ausreichend Vertrauen in die Fähigkeiten seiner Mitarbeitenden aufbringen.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wiederum müssen darauf vertrauen können, dass sie innerhalb ihrer Befugnisse tatsächlich Entscheidungen treffen dürfen, ohne dafür sanktioniert zu werden. Es geht darum, sich offen äußern zu können und zwischenmenschliche Risiken einzugehen, in dem Wissen, dass das eigene Handeln auch bei Fehlern nicht zu negativen Konsequenzen führt.

Genau deshalb ist eine konstruktive Feedback- und Fehlerkultur als Grundlage von Holacracy relevant. In einer positiven Fehlerkultur darf jede(r) Fehler machen und diese zugeben, alle Mitarbeitenden können um Hilfe bitten und voneinander lernen. Wenn ein Fehler passiert, messen wir nicht dem Fehler selbst eine große Bedeutung bei, sondern konzentrieren uns darauf, was der oder die Einzelne, der Kreis und die gesamte Organisation daraus lernen kann. So kann sich das Unternehmen kontinuierlich weiterentwickeln.

Für viele Menschen ist diese Haltung ein gravierender Wandel, da sie negative Reaktionen auf Fehler gewohnt waren. Daher gilt es zunächst Ängste abzubauen, proaktives Handeln und den Austausch von Wissen zu ermutigen. Das frühere Management muss dabei mit gutem Beispiel vorangehen, denn nur wenn Mitarbeitende sehen, dass ein Wandel tatsächlich erwünscht ist und vorgelebt wird, gewinnen sie dauerhaft Vertrauen.

Positive Fehlerkultur: Kontinuierliche Unterstützung im Unternehmen

In diesem Prozess werden unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kontinuierlich geschult und begleitet. Das beginnt bei Enreach bereits mit dem Eintritt ins Unternehmen: Für das Onboarding gibt es ein standardisiertes Angebot, das neuen Kolleginnen und Kollegen sowohl auf der Ebene unserer europäischen Unternehmensgruppe als auch lokal in Deutschland Einblick in unsere Organisation gibt. Wir vermitteln dabei den Purpose des Unternehmens, unsere Werte und das damit verbundene erwünschte Verhalten – nämlich eine offene Feedbackkultur, in der niemand für Fehler verurteilt wird.

Darüber hinaus bieten wir immer wieder Schulungen zu Holacracy an, zu unterstützenden Tools sowie für das Geben und Annehmen von Feedback. Besonders die Auseinandersetzung mit Feedback ist wesentlich, um im Alltag eine positive Fehlerkultur leben zu können. Denn nur, wenn alle Kolleginnen und Kollegen verinnerlicht haben, wie sie Fehler konstruktiv adressieren können, gelingt eine dauerhafte Weiterentwicklung. Die Kreise können zusätzlich zu den Trainingsangeboten auch Holacracy Coaches anfordern, um die aktuellen Gegebenheiten zu hinterfragen und Gewohnheiten aufzubrechen.

Der Wandel von der negativen hin zur positiven Fehlerkultur braucht aber nicht nur Achtsamkeit und Begleitung, sondern vor allem auch Zeit. Erfahrungsgemäß braucht ein struktureller und kultureller Wandel mehrere Jahre, bis sich die Veränderungen nachhaltig etabliert haben. Der Reifegrad der Organisation ist dabei maßgeblich: Je klarer das ehemalige Management die neuen Strukturen und Werte vorlebt, umso leichter gelingt der Changeprozess.

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Foto Sandra Tuulikki Kröger

Sandra Tuulikki Kröger verantwortet als HR Manager der Enreach GmbH, einem führenden Anbieter von Unified-Communications- und Cloud-Contact-Center-Lösungen, die Einführung von Holacracy in der deutschen Organisation der europäischen Unternehmensgruppe. Seit 2010 initiiert und begleitet sie erfolgreich innovative Change-Prozesse in international agierenden Unternehmen.

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