Wie kann hybride Arbeit gelingen?

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Neun Fragen sollten sich hybride Teams stellen, sagt Eva-Maria Kraus von Newview. Sie erläutert, was Führungskräfte und HR tun können, damit hybride Arbeit im Unternehmen reibungslos abläuft.

Seit 2020 sind Unternehmen von einer Veränderung in die nächste geschlittert. Zurzeit versuchen sich viele an dem hybriden Arbeitsmodell – auch, weil es für Vorgesetzte wie Mitarbeitende Vorteile hat. Damit es allerdings erfolgreich und nicht unproduktiv und nervig ist, dass die einen zu Hause und die anderen im Büro sitzen, braucht es Antworten auf folgende Fragen:

1. Sind die Wunscharbeitszeiten und -orte untereinander bekannt?

Frau Schaller ist froh, wieder jeden Tag im Büro sein zu können. Zu Hause fiel ihr die Decke auf den Kopf, es haperte an Motivation und Selbstorganisation. Herr Müller dagegen würde gern so wenig wie möglich im Büro auftauchen, so zufrieden ist er im Homeoffice. Erst wenn Mitarbeitende untereinander wissen, warum sie ein Modell gegenüber dem anderen bevorzugen, werden Kompromisse und Einigungen möglich. Das Team sollte also zusammen seine Präferenzen durchsprechen und dann mit den Erfordernissen der Zusammenarbeit in Einklang bringen. Treffen Sie Vereinbarungen zu Erreichbarkeiten, Mindestreaktionszeiten und verbindlichen Präsenzzeiten im Büro.

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2. Was wurde im Lockdown gelernt?

Sobald die Mitarbeitenden aus dem reinen Homeoffice zurückkehren, werden leider Erfahrungen und Learnings aus der Lockdownzeit oft nicht in den hybriden Arbeitsalltag mitgenommen. Was sich bewährt hat, sollte aber unbedingt auf die hybride Tauglichkeit überprüft werden. Sammeln Sie zusammen, was geklappt hat und was nicht, und kommen Sie darüber in den Austausch. Ein Beispiel könnte sein: online keine Konfliktbearbeitung.

3. Braucht es eine Anpassung der Arbeitsprozesse?

Damit das hybride Modell zukunftsfähig ist, muss es ebenso störungsfrei und effizient funktionieren, wie wenn alle im Büro zusammensitzen. Dahingehend gilt es, die eigenen Prozesse zu überprüfen. Können Online-Unterschriften eingeführt werden? Die Post durch einen Dienstleister digitalisiert zugestellt werden? Welche Objekte können nicht bewegt werden, sodass die Arbeit daran am Ort stattfinden muss? Welche Prozesse wurden schon digitalisiert und sollten es auch bleiben?

4. Gibt es hybridtaugliche Technik?

Es macht keinen Spaß, wenn die Technik unzureichend ist – man sieht zu wenig, hört zu wenig, das ist anstrengend und oft auch nicht sonderlich effizient. Unterwegs, im Homeoffice und im Büro braucht es Hard- und Software, die die Kommunikation online wie offline optimal unterstützt.

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Das vom BDVT mit Gold ausgezeichnete Konzept „Train the Leader – #sogehthybrid“ präsentiert sich als durchgängige Lernreise für Führungskräfte und liefert einen klaren Fahrplan für hybride Lernerfahrungen. ©Newview

5. Über welche Wege findet die Kommunikation statt?

Dass die einen im Büro sind und die anderen nicht, führt oft zu einem Informations- und Partizipationsungleichgewicht und somit unter den Mitarbeitenden im Homeoffice zu dem Gefühl, unfair behandelt worden zu sein. Angefangen bei informellen Flurgesprächen bis hin zu wichtigen Informationen, die aus Versehen nicht an die im Homeoffice Arbeitenden weitergegeben wurden. Damit das verhindert werden kann, braucht es Regeln und Kommunikationswege. Auch diese sollte das Team untereinander im Gespräch vereinbaren.

6. Welche Führungsrolle braucht es in der hybriden Arbeitswelt?

Das ist von Team zu Team und von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Aus diesem Grund sollten auch hier Vereinbarungen zusammen getroffen werden. Was wünscht sich das Team von der Führungskraft? Mehr Unterstützung in der Selbstorganisation? Häufigere Feedbackgespräche? Wer möchte online keine Personalgespräche führen? Fühlt sich jemand kontrolliert? Wie kann die Situation angenehmer gestaltet werden, sodass die Mitarbeitenden sich motiviert und bestärkt fühlen?

7. Aus den Augen, aus dem Sinn?

Es passiert viel zu schnell, dass Mitarbeitende im Homeoffice von der Bildfläche verschwinden und ihre Arbeitsleistung deshalb nicht mehr „gesehen“ wird. Wer dagegen jeden Tag im Büro ist, kann schnell zum Führungskraftliebling werden. Damit solche Wahrnehmungsverzerrungen nicht zu negativen Konsequenzen für die im Homeoffice führen (niedrigere Boni, Beförderungswahrscheinlichkeit sinkt, Karriere kommt ins Stocken), braucht es ein neutrales Tool, um die Arbeitsleistung richtig einzuschätzen.

Andere arbeiten sich im Homeoffice ins Burn-out, weil sie es nicht schaffen, den Laptop abends zuzuklappen. Wieder andere haben gesundheitliche oder psychische Probleme, die ebenfalls weniger sichtbar sind. Wie stellt ein Team sicher, dass Fürsorge und Sichtbarkeit untereinander gewährleistet sind? Ein guter Weg sind Stand-up-Dailys – das sind Meetings, die morgens im Stehen abgehalten werden und maximal 15 Minuten dauern. Reihum werden dabei drei Fragen beantwortet: Woran arbeite ich gerade? Was habe ich erledigt? Und: Wo hänge ich oder habe Probleme? Auf diese Weise sind alle morgens auf einem Stand, auch die Führungskraft kann gegebenenfalls daran anschließend mit den Mitarbeitenden sprechen sowie individuell unterstützen.

8. Sind alle hinreichend qualifiziert für hybride Arbeit?

Auch nach langer Zeit in der Pandemie sind nicht alle Mitarbeitenden Profis in methodischen und technischen Belangen. Jedenfalls sollte das Team offen mit dieser Frage umgehen: Braucht jemand ein Training oder eine Weiterbildung, damit der hybride Arbeitsprozess reibungslos ablaufen kann? Es gibt mittlerweile für jede Bedarfslage hinreichend Angebote.

9. Wer sollte in die Planung der hybriden Arbeit eines Teams miteinbezogen werden?

Gerade der vorangegangene Punkt macht es offensichtlich: Mitarbeitende im Team, die unzureichend für hybride Arbeit qualifiziert sind, sind ein Thema, in das die HR-Abteilung einbezogen werden muss – allein schon aus finanziellen Gründen. Auch dann, wenn die Frage im Raum steht, ob genügend Budget für benötigte Technik, Infrastruktur, Qualifizierungen und Prozessbegleitung zur Verfügung steht. Weitere wichtige Fragen: Wurden alle arbeitsrechtlichen Belange berücksichtigt? Ist die Vorgehensweise, für die sich das Team entschieden hat, eigentlich im Einklang mit der strategischen Unternehmenslinie?

Zum Schluss noch ein Tipp: Hybride Arbeit ist ein Prozess, kein Zustand. Sie ist verlässlich unzuverlässig. Und das kann enorm anstrengend sein, weil sie Dialog, Absprachen, Kompromisse und Veränderung erfordert – ständig. Weil sie Kontrollverlust mitbringt und Vertrauen verlangt. Gleichzeitig macht sie Unternehmen aber auch flexibler, vernetzter, innovativer und damit zukunftsfähiger. Also, worauf warten? Legen Sie los!


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Foto Eva-Maria Kraus

Eva-Maria Kraus ist Inhaberin von Newview. Als Sparringspartnerin, Konzeptionistin und Transferdesignerin entwickelt sie mit ihrem Team innovative Programme, damit Unternehmen aktuelle und zukünftige Herausforderungen meistern können. Seit 2005 ist sie selbstständige Wirtschaftstrainerin. Eva-Maria Kraus ist Gold-Preisträgerin des Europäischen Preises für Training, Beratung & Coaching 2018/2019 sowie 2019/2020 und erhielt den Sonderpreis für die gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Relevanz ihres Themas. 2022 erhielt sie den Trainingspreis in Gold für ihr Programm „Train the Leader – #sogehthybrid“. ©Harry Krenn

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