Wie HR mit Zukunftsbildern punkten kann

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Wer die Zukunft erreichen will, muss ein Bild davon haben, wer er in Zukunft sein will und was er dort tut. Doch vielen Unternehmen fehlt ein solches Zukunftsbild, meint Anne M. Schüller. Sie laufen Planvorgaben aus dem Vorjahr hinterher und hangeln sich von Quartal zu Quartal. HR kann hier proaktiv tätig werden, das Erstellen eines Zukunftsbilds initiieren und so zum strategischen Partner der Geschäftsleitung werden.

Ein gut ausgestelltes strategisches HRM wird sich über das operative Tagesgeschäft und die derzeitigen Handlungsfelder weit hinaus intensiv mit der Zukunft des Unternehmens befassen. Aus seiner bislang oft reaktiven und vornehmlich administrativ geprägten Verwalterfunktion kann es so in die Rolle des vorausschauenden Gestalters gelangen und zu einem maßgeblichen Treiber der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens werden.

Zukunftsfähigkeit ist die erlernbare Kompetenz, sich derart aufzustellen, dass man mit dem, was die Zukunft bringt, umzugehen versteht. Hierzu muss die Zukunft zunächst ergründet werden, um dann in einem nächsten Schritt solche Maßnahmen rechtzeitig einzuleiten, die einen positiven Ausgang möglich machen. Für das HRM sind weit in die Zukunft gerichtete Personalentwicklungsaktivitäten dabei ganz entscheidend.

Was fehlende Zukunftsbilder bewirken können

Wie HR mit Zukunftsbildern punkten kann
Twenty20/@jefbog

Sind fehlende Zukunftsbilder womöglich der wahre Grund für die Unruhe, die Zweifel, die Gereiztheit und Überforderung, die wir allerorts spüren? Wir wissen nicht, wohin die Reise geht, und das macht uns zu schaffen. Ungewissheit ist für unser Gehirn eine latente Bedrohung, weil es nicht weiß, ob das Kommende für uns gut ist oder uns schadet. Indem wir rechtzeitig Szenarien erstellen für eine Zeit, die noch nicht da ist, können wir uns darauf vorbereiten – und der Ungewissheit so ihren Schrecken nehmen.

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Dazu müssen wir zunächst erforschen, wie die Welt sich verändert und überlegen, wie mögliche Zukünfte aussehen können. Zukunftsbilder sind dafür das Mittel der Wahl. Denn die Zukunft ist ja nichts, das einfach passiert. Weder ist sie schicksalhaft vorherbestimmt noch unabänderlich. Die Soziologie nennt das die „Pluralität der Zukunft“. Der Begriff umfasst die Vielzahl möglicher Geschehnisse, Ergebnisse und Begebenheiten, die aus den unzähligen Handlungen der Menschheit resultieren.

Ergo: Für alles und jeden ist die Zukunft ein Möglichkeitsraum. Wir können uns vor ihr fürchten – oder das Beste von ihr erhoffen. Die Zukunft, die dann tatsächlich eintritt, ist die Summe unserer Entscheidungen und das Gesamtergebnis unserer Taten.

Was in Zukunft passiert, können wir mitgestalten

Wie HR mit Zukunftsbildern punkten kann
Envato/simonida

Was in Zukunft passiert, müssen wir also nicht fatalistisch erdulden, vieles können wir proaktiv mitgestalten. Dabei gilt ganz ohne Zweifel: Es wird und es muss neue Formen des Wirtschaftens geben. Die alten haben eine erschöpfte Umwelt und erschöpfte Menschen hinterlassen. Die Menschheit steht vor ihrer größten Herausforderung, nämlich die Probleme, die wir unserem Heimatplaneten machen, zu eliminieren, damit er für uns bewohnbar bleibt.

Eine Grundvoraussetzung dafür ist Zuversicht in die Zukunft. Wer zuversichtlich ist, lässt sich von Rückschlägen nicht beirren, sondern setzt sich für das Gelingen ein. Der Fokus liegt dabei auf Machbarkeiten. Denn Energie folgt der Aufmerksamkeit. Deshalb gilt es, in ein Anastrophendenken überzugehen. Weshalb das so wichtig ist? Unsere Gedanken sind die Vorboten unseres Handelns. Sie erschaffen Realitäten.

Wenn sich alles so wie bereits heute exponentiell weiterentwickelt, kann es eben nicht nur schlechter, sondern auch sehr viel besser werden als jemals zuvor.

Dystopie oder Anastrophe: Wir haben die Wahl

Glaskugel
Twenty20/@ovsergey

Die Geschichte der Menschheit ist eine Fortschrittsgeschichte. Pioniere machten sich immer auf, ohne den genauen Weg schon zu kennen. Nur der, der die Trends der Zukunft versteht und diese mit wachsamem Optimismus gestaltet, liegt fortan vorn. Unsere gemeinsame Zukunft liegt in den Händen derer, die mit frischen Gedanken und smartem Tun die entscheidenden Umbrüche wagen. Hoffnungsvoll und zuversichtlich vernetzen sie die virtuelle mit der realen Welt auf neue, mutige, bahnbrechende Weise.

Natürlich ist es wichtig, auch Skeptikern zuzuhören und sich auf jede denkbare Zukunft vorzubereiten, doch dystopischer Generalpessimismus bringt niemanden weiter. Denn dann kommt es wie immer: Wir machen uns Sorgen, und andere starten durch. Trollen, Scharlatanen und Apokalypsenheraufbeschwörern, die mit ihrer Eskalationsrhetorik um Aufmerksamkeit buhlen oder planmäßig Unheil verbreiten, schenken wir besser kein Ohr, weil meist machtpolitische Absichten dahinterstecken.

Denken wir uns lieber in Szenarien rein. Damit sind Optionen zur Hand, um im Ernstfall zügig ins Handeln zu kommen, während andere noch in Schockstarre sind.

Ein entscheidender Punkt: die Szenarienbildung

Wer Zukunftsbilder kreiert, denkt sich zunächst in den langfristigen Zeithorizont rein. So haben Futurologen und Zukunftsforscher mithilfe wissenschaftlicher Methoden Szenarien für eine Vielzahl von Technologien und Industrien entwickelt. Solche Szenarien sind keine Prognosen, sondern spekulative Zukunftsbilder, die zum Nachdenken anregen sollen. Indem man sich damit befasst, springt man raus aus der Filterblase der eigenen Wahrnehmung und bleibt permanent an den Trendthemen dran.

Trendanalysen, Online-Recherchen, Insights aus fortschrittlichen anderen Branchen, Gespräche mit Zukunftsexperten und denen, die neue Technologien in die Welt bringen, bilden die Grundlage für die Vorausschau. Wen Sie nicht befragen: Ihre Kunden. Diese können zwar sagen, was ihnen heute fehlt, aber nicht, was sie in fünf oder zehn Jahren wollen werden. Sie sind, genauso wie die meisten Führungskräfte, keine Experten für Zukunftstechnologien und können deshalb keine Prognosen abgeben.

Die systematische Suche nach zukünftigen Wachstumsfeldern kann, weil diese ja auch immer mit Personalthemen verknüpft sind, gar nicht früh genug beginnen. Hierzu empfehle ich, drei Szenarien zu entwickeln:

  • ein Beste-aller-Welten-Szenario,
  • ein Sehr-wahrscheinlich-Szenario,
  • ein Schlimmster-Alptraum-Szenario.

Um nicht der Gefahr zu erliegen, die Zukunft linear aus der Gegenwart heraus fortzuschreiben, bedient man sich der Retropolation, auch Backcasting genannt. Dabei wird – ausgehend von der beschriebenen Zukunft im Zieljahr – in festgelegten zeitlichen Schritten rückwärtsgehend abgeleitet, was jeweils bis zu einem bestimmten Zeitpunkt getan sein muss, damit die erwünschte Zukunft Wirklichkeit werden kann.

In 10 Schritten zu Szenarien und Zukunftsbildern

Für eine Future Journey, die Reise in die Zukunft des Unternehmens, sind Szenarien und Backcasting entscheidend. Die eine Langzeitstrategie, die mit exakt einzuhaltenden Planvorgaben („at target, on budget, in time“) aus der Vergangenheit heraus entwickelt wurde, ist in sich permanent wandelnden, komplexen Zeiten nicht länger brauchbar. Deshalb ist es besser, Prognosen für verschiedene mögliche Zukünfte anzustellen und auf dieser Basis mehrere Szenarien zu entwerfen.

Am besten geschieht dies im Rahmen einer Zukunftswerkstatt, Ihr Future Lab. Dabei verknüpft man bereits bekannte Trends mit mutmaßlichen Einflussfaktoren in Bezug auf Arbeitsmarkt, Wirtschaft, Technologie, Umwelt, Politik, Gesellschaft und Kundenverhalten. Im Ergebnis geht es um eine differenzierte Sicht auf mögliche Zukünfte sowie um die Handlungsfelder, die das Unternehmen daraus ableiten will und kann. Das bringt alle Beteiligten dazu, frühzeitig zu planen und vornedran zu sein.

Um ein Future Lab in Gang zu bringen, empfehle ich folgende Schritte:

  1. Future Team zusammenstellen
  2. Eine Ausgangsfrage formulieren
  3. Die Zielzeitachse bestimmen
  4. Maßgebliche Trends erforschen
  5. Veränderungskräfte identifizieren
  6. Mögliche Szenarien entwickeln
  7. Future Personas konzipieren
  8. Passende Handlungsfelder fixieren
  9. Die Zukunftsstrategie definieren
  10. Umsetzungspläne initiieren

Wie das im Detail funktioniert, steht in meinem neuen Buch „Zukunft meistern“. Darauf aufbauend entstehen dann Maßnahmenpakete in drei Bereichen: Nachhaltigkeit, Transformation und Innovation. Eine hohe Innovationskompetenz verhilft zu neuen, transformativen Geschäftsmodellen in attraktiven Zukunftsmärkten, und diese setzen ein umweltschonendes und zugleich menschenfreundliches Handeln voraus. Ein zukunftsorientiertes HR ist geradezu prädestiniert, das in Angriff zu nehmen.


Das neue Buch der Autorin

Foto Buchcover Zukunft meistern

Anne M. Schüller
Zukunft meistern
Das Trend- und Toolbook für Übermorgengestalter
Gabal Verlag 2024, 232 S., 29,90 €
ISBN: 978-3-96739-181-7

 

 

 


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Anne M. Schüller

Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Zu diesen Themen hält sie Impulsvorträge auf Tagungen, Fachkongressen und Online-Events. 2015 wurde sie für ihr Lebenswerk in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen. Beim Business-Netzwerk Linkedin wurde sie Top-Voice 2017 und 2018. Von Xing wurde sie zum Spitzenwriter 2018 und zum Top Mind 2020 gekürt. Ihr Touchpoint Institut bildet zertifizierte Touchpoint Manager und zertifizierte Orbit-Organisationsentwickler aus.

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