Welche Eigenschaften und Kompetenzen kennzeichnen eine gute Führungskraft? Ein Grundsatzbeitrag von Karl-Maria de Molina, CEO von ThinkSimple.
Seit Jahren stellen Unternehmen Kompetenzmodelle zusammen, sei es für die Entwicklung oder die Auswahl von Führungskräften. Die Grundlage für die Zusammensetzung des Modells liefern Unternehmensziele oder Erfahrungswerte.
In diesem Artikel zeigen wir einen evidenzbasierten Weg auf: Auf Basis psychometrisch gemessener Ausprägungen von Führungskräften. Und zwar im Vergleich zu Experten (Fachkräften, das heißt Sachbearbeitern). Damit zeigen wir konkret, was eine Führungskraft tatsächlich ausmacht, und dies ganzheitlich: Kompetenzen, Persönlichkeitseigenschaften, Motive, Emotionen und Sprache.
Summary
Wir stellen fest, dass die gemessenen Merkmale nachvollziehbar sind: Verantwortung übernehmen, eigenen Kompetenzen vertrauen, andere motivieren, hohe Offenheit, geringe Neurotizismus, emotionale Stabilität, und bei sehr erfahrenen Führungskräften auch hoher Sprach-Index. Und das ist die gute Nachricht: Damit bestätigen unsere Messungen die etablierten Kompetenz- und Persönlichkeitsmodelle.
Für die heutige Studie haben wir ein klassisches Kompetenzmodell verwendet. In späteren Artikeln werden wir „Future Skills“ präsentieren, die aufgrund von New Work und digitalem Zeitalter notwendig geworden sind.
Merkmale von Führungskräften
Nachfolgend werden die Merkmale in den Attributen von Führungskräften beschrieben. Wir starten mit den Kompetenzen (Soft Skills).
a) Kompetenzprofil
Auf der Basis des eigenen Modells mit 25 Kompetenzen wurden die Ausprägungen aus der Datenbank ermittelt. Im Bild 1 haben wir die Werte aller vier Kompetenzklassen von CXO (Vorstand beziehungsweise Geschäftsführung), Führungskräften und Experten dargestellt. Hier finden Sie auch den Durchschnittswert aller Kompetenzen (Kompetenz-Index). Dieser Wert liegt bei Führungskräften höher als bei Experten. Diese Ergebnisse sind zugegebenermaßen auf der Basis von Selbsteinschätzungen entstanden. Die ermittelten Resultate stehen in Konkordanz mit Früheren aus anderen Fragebögen.
Im Bild 2 haben wir 15 von den 25 Kompetenzen aus dem Kompetenzmodell ausgewählt, bei denen es einen signifikanten Unterschied zwischen den drei Gruppen (CXO, Führungskräften und Experten) gibt. Verantwortung übernehmen, Flexibilität, Interessen durchsetzen, eigenen Fähigkeiten vertrauen, andere motivieren und Lösungsorientierung sind sicherlich Kompetenzen, in denen Führungspersonen ihre Stärken haben müssen. Damit bestätigen die Ergebnisse unsere Erfahrungen im beruflichen Alltag.
b) Persönlichkeitseigenschaften
Für die Bewertung der Persönlichkeitseigenschaften haben wir das bekannte OCEAN – Modell (Big5) herangezogen.
Für die Betrachtung der Persönlichkeitsprofile haben wir andere Kohorten ausgewählt, die uns sehr interessant erscheinen: Gründer von Unicorn-Startups und DAX-Vorstände, d.h. in diesem Fall keine Führungskräfte aus dem Middle Management. Als Unicorn bezeichnet man junge Unternehmen mit einem Kapitalwert von über 1 Milliarde US Dollar. Hier seien zum Beispiel Celonis aus Deutschland und LinkedIn aus den USA erwähnt.
Die Profile bestätigen meine persönliche Vermutung, dass Gründer von sehr erfolgreichen Unternehmen ein sehr ausgeprägtes Profil haben. Sie sind sehr offen, zumeist extrovertiert, sehr verträglich und zugleich wenig neurotisch. Leider liegen uns zu wenig Kompetenzprofile von Gründern vor, um hier eine ergänzende Betrachtung der Kompetenzen Risikobereitschaft, eigenen Fähigkeiten vertrauen, selbstbestimmt handeln etc. vorzunehmen.
Oben haben wir die Unterschiede in den Profilen von Gründern und Vorständen festgestellt. Beide weisen eine Gemeinsamkeit auf, eine „Trapezform“ (siehe Bild 3). Im Wesentlichen haben Offenheit und Extraversion einen höheren Wert als Neurotizismus. Da diese Kohorten High Performer sind, erlauben wir uns dieses Profil so zu benennen (siehe Bild 4).
c) Emotionen
Wie verhält es sich mit den Emotionen? Gibt es signifikante Unterschiede in den Kohorten?
Wir haben aus den 7 Emotionen von Ekman einen aggregierten Wert ermittelt. Damit soll ein Gesamtbild gewonnen werden (Bild 5). Interessanterweise ist es so, dass die emotionale Stabilität ähnliche Werte aufweist wie der aggregierte Wert des Emotions-Index. Ein hoher Wert deutet auf eine hohe emotionale Ausgeglichenheit hin, welche erstrebenswert ist. Aufgrund unserer Erfahrung empfehlen wir einen Emotions-Index über 70 Prozent. Dieser kann als Stimmungsbarometer für eine Organisation verwendet werden, und zwar als Indikator bei Veränderungen im Unternehmen oder in der Gesellschaft, wie während der Covid-19-Pandemie.
d) Sprache
Mittels der KI-Engine ist eine Auswertung von drei Attributen der Sprache möglich: Positive wie negative Formulierungen sowie der Faktor, wie einnehmend die Sprache ist. Der aggregierte Sprachen-Index signalisiert, wie gut die Formulierungen bei den Zuhörern ankommen. Ein hoher Wert ist nicht nur bei Führungskräften, sondern auch bei Verkäufern, im Marketing oder auch im Bereich Human Resources relevant.
Bild 6 zeigt die Sprachen-Werte der drei Kohorten Gründer, Vorstände und Experten. Es fällt auf, dass Vorstände über einen deutlich höheren Wert in der einnehmenden Sprache verfügen als Gründer. Die Ursache liegt auf der Hand: Berufserfahrung, langjährige Schulungen etc. Der Wert der positiven Formulierungen ist dagegen bei den Experten sehr niedrig. Das entspricht meiner Erfahrung im Berufsalltag. Im Allgemeinen neigen wenige Menschen dazu, Dinge positiv zu betrachten. Vorstände und Gründer müssen die Mannschaft motivieren und achten daher vermehrt darauf, Vorgänge in ein positives Licht zu rücken.
Eine ausführliche Beschreibung der Ergebnisse, der theoretischen Grundlagen und des Messverfahrens für diese Studie finden Sie hier.
Dr.-Ing.Karl-Maria de Molina ist CEO & Founder von ThinkSimple. Lehrauftrag über Personaldiagnostik und -entwicklung an der FAU Erlangen-Nürnberg (seit 2016). Herausgeber der Bücher „Kompetenzen der Zukunft“ und „Arbeitskultur 2020“. Buchautor „Komplexitätsreduktion“. Trainer für Führungskräfteentwicklung (seit 2012). Speaker bei Meetups, Webinaren und Events. Mitentwicklung von Kompetenz- und Motivationsmodellen. Mitentwicklung des HR Tools für Personaldiagnostik ThinkSimple+.