Es bedarf keiner großen Budgets, um eine attraktive Arbeitgebermarke aufzubauen, sagt Marcus Merheim von Xing E-Recruiting. Wie sollten KMU dabei vorgehen?
Was passiert, wenn ein ausgewiesener HR-Praktiker mit langjähriger Berufserfahrung noch einmal die Rolle eines Studierenden einnimmt? Er verbindet beides, Theorie und Praxis, in einer Studie. In dieser befragt er HRler zu ihren Erfahrungen im Employer Branding bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in Deutschland (Umfrage ist mittlerweile beendet). Marcus Merheim, hauptberuflich Senior Marketing Manager bei XING E-Recruiting, studiert zurzeit an der Hamburg Media School / Universität Hamburg und macht dort seinen MBA in Medien- und Digitalmanagement. Das HR Journal hat mit ihm gesprochen.
HR Journal: Warum haben Sie die Studie entwickelt?
Marcus Merheim: Employer Branding ist aus meiner Sicht die perfekte Kombination von Marketing- und HR-Elementen. Ich habe jedoch den Eindruck, dass das Thema in der Praxis heute so behandelt wird, wie Social Media vor rund zehn Jahren behandelt wurde: Alle sprachen darüber, hatten dabei aber nur Facebook und Twitter im Sinn und nicht das ganze Bild betrachtet. So verhält es sich meines Erachtens heute mit Employer Branding. Für manche ist es lediglich eine Personalmarketing-Maßnahme. Für andere wiederum geht es um Grundwerte von Unternehmen, um umfassende Themen wie Organisationskultur, Umgang oder Wertschätzung. Die inhaltliche Schere geht enorm weit auseinander.
In meinem Job und im finalen Abschnitt meines MBA-Studiums an der Hamburg Media School habe ich mir dabei schon oft die Frage gestellt, warum es den Anschein macht, als würde Employer Branding lediglich für große Unternehmen sinnvoll beziehungsweise möglich sein. Diesem Thema gehe ich nun in meiner Forschungsarbeit nach, die sowohl Stellenwert als auch Erfolgsfaktoren im Employer Branding für mittelständische Unternehmen zutage bringen bringen soll.
HR Journal: Wie sind Sie dabei vorgegangen?
Marcus Merheim: Zunächst habe ich mithilfe von sechs Experten, bestehend aus Vordenkern (Reiner Kriegler, Gero Hesse), Praktikern (Eva Stock, Marcel Rütten, Jannis Tsalikis) und einem Wissenschaftler (Professor Andranik Tumasjan, Lehrstuhl für Management und Digitale Transformation, Johannes Gutenberg-Universität Mainz) eine Eingrenzung der relevanten Aspekte vorgenommen und als Resultat dessen Hypothesen gebildet.
Diese Hypothesen werde ich jetzt mit einer Befragung in der Praxis abgleichen, um einen Querschnitt des deutschen Mittelstands und damit empirisch belegbare und greifbare Erkenntnisse zu den relevanten Aspekten zu gewinnen. Die Ergebnisse werde ich im HR Journal veröffentlichen. Deshalb würde ich mich sehr freuen, wenn möglichst viele Interessierte an der Befragung teilnehmen – ich verspreche, dass es sinnvoll investierte 15 Minuten sind.
HR Journal: Was sind die zentralen Erkenntnisse?
Marcus Merheim: Bereits zum jetzigen Zeitpunkt kann ich sagen, dass Employer Branding unabhängig von der Unternehmensgröße Relevanz zu haben scheint, jedoch bei den Unternehmen Bedenken hinsichtlich Budgeteinsatz, Wirksamkeit und damit letztendlich der Notwendigkeit bestehen. Dabei herrscht eine zu große Bescheidenheit vor, denn gerade kleine und mittlere Unternehmen haben Vorteile im Employer Branding, die große Unternehmen so nicht vorweisen können.
HR Journal: Warum sollten kleine und mittlere Unternehmen Employer Branding betreiben?
Marcus Merheim: Die Corona-Krise wird den Fachkräftemangel nicht beenden. Ganz im Gegenteil: Viele Baby-Boomer treten durch Frühverrentung sogar noch früher aus dem Berufsleben aus, etwa wenn Unternehmen gezwungen sind, die Mitarbeiterzahl zu reduzieren. Wenn dann (hoffentlich bald) wieder eine Normalisierung eintritt und sich die Wirtschaft erholt, dann wird der Mangel an qualifizierten Mitarbeitern noch dramatischer werden, als es bereits vor der Krise der Fall war. Und das werden selbst kleinere Unternehmen merken.
HR Journal: Können sich die KMU im Employer Branding überhaupt gegenüber den großen Unternehmen durchsetzen?
Marcus Merheim: Ein ganz klares Ja. Denn es bedarf keiner Millionenbudgets, um das Thema wirkungsvoll zu etablieren. Es braucht die Offenheit und das Vertrauen der Geschäftsführung, gutes Projektmanagement, sinnvolle Aufgabenaufteilung und eine stringente Kommunikation nach innen und nach außen. Ein regional verwurzelter Arbeitgeber muss keine großen Werbekampagnen entwickeln. Da geht es eher darum, das Ansehen und daraus resultierend beispielsweise die Mundpropaganda zu einem Arbeitgeber positiv (und dabei trotzdem authentisch) zu beeinflussen.
HR Journal: Wie kann ich als HR einer zögernden Geschäftsführung den Aufwand für den Aufbau einer Arbeitgebermarke schmackhaft machen?
Marcus Merheim: Employer Branding ist (entgegen vieler Meinungen) nicht nur probates Mittel für die Mitarbeitergewinnung, sondern es hat auch starke Auswirkungen auf die Mitarbeiterbindung. Hinsichtlich der Mitarbeitergewinnung hat Employer Branding Auswirkungen etwa auf die Mitarbeiterpassung und die Zeit der Eingewöhnung. Aber auch für Mitarbeiter ist es wichtig zu wissen, wofür der eigene Arbeitgeber steht, welche die Werte sind, und auch wie das Ansehen etwa bei Freunden und Familie ist. Und was bei der Geschäftsführung zusätzlich ein gutes Argument sein kann: Die Auswirkungen von Employer Branding sind messbar, sowohl im Hinblick auf Recruiting als auch auf Retention.
HR Journal: Die Personalabteilungen in KMUs sind oft dünn besetzt, gleiches gilt für die Unternehmenskommunikation. Wer soll in einem KMU diese Aufbauarbeit leisten? Gibt es sinnvolle Arbeitsteilungen? Wie könnten die aussehen?
Marcus Merheim: Genau, das ist besonders bei kleineren Unternehmen eine Herausforderung. Aber die Lösung ist sehr einfach: kollaboratives Arbeiten. Aufbau und Kommunikation der Arbeitgebermarke sollten nicht alleinige Aufgabe der Personalabteilung, sondern auch die von Marketing, Kommunikation, und weiteren sinnvollen Stakeholdern sein. Stellt ein Unternehmen eine schlagkräftige Projektgruppe zusammen, in der alle ihre Fähigkeiten und Sichtweisen einbringen können, dann ist dies der erste Schritt zum Erfolg.
HR Journal: Was würden Sie Unternehmen empfehlen, die diesen Schritt gehen wollen? Womit sollten die beginnen, wo könnten sich Quick Wins erzielen lassen?
Marcus Merheim: Ich wehre mich ein wenig gegen Quick Wins in diesem Zusammenhang: Wenn Employer Branding richtig gemacht werden soll, dann sollten Unternehmen nicht gleich zu Beginn des Projekts die gesamte Munition verschießen. Nein, der erste Schritt ist der Blick nach innen, die Analyse dessen, wofür das Unternehmen als Arbeitgeber steht, was es besonders macht, warum Menschen dort „arbeiten möchten sollen“. Und dies bedarf dann auch eines Austauschs mit einem repräsentativen Teil der Belegschaft, um genau diese Einblicke zu sammeln und strukturieren zu können. Danach geht es in die Analyse, Zieldefinition, und dann erst um Aufgaben wie Kommunikation.
HR Journal: Die Arbeitgebermarke steht. Jetzt geht es darum, zu zeigen, dass sich der Aufwand gelohnt hat. Wie lassen sich die Ergebnisse in einem KMU mit vertretbarem Aufwand messen?
Marcus Merheim: Es gibt viele KPIs, wie etwa die Bewerberpassung und der Grad der Identifikation mit der Arbeitgebermarke, belegbar etwa durch anonyme Befragungen, oder auch die Analyse der Anzahl qualifizierter Bewerbungen. Oft erhalten Unternehmen mit einer sauber definierten und kommunizierten Arbeitgebermarke zwar weniger, dafür aber Bewerbungen passenderer Kandidaten. Und noch ein abschließender Kommentar: eine Marke (und das zählt auch für Arbeitgebermarken) lässt sich nicht innerhalb von drei Wochen entwickeln und etablieren. Es handelt sich dabei um einen Prozess, der viel Zeit benötigt. Und diese Latenzzeit darf von der Geschäftsführung nicht außer Acht gelassen werden – hier gilt: gut Ding will Weile haben.
Als Gründer von hooman EMPLOYER MARKETING berät Marcus Merheim Unternehmen zu den Themen Employer Branding und Arbeitgeberattraktivität.