Der Mittelstand bietet der Generation Z und Millennials die Möglichkeit, etwas zu bewegen, sagt Andreas Schiemann, Geschäftsführer Marantec Company Group. Er sollte aber seine Werte stärker nach außen transportieren – und gelebte Praxis hinterfragen.
62 Prozent der deutschen Generation Z sagen, ihre Generation sei bereit, die Gesellschaft von Grund auf zu erneuern. Fast die Hälfte sagt, dass die älteren Generationen nicht als Wegweiser zum Erwachsenwerden fungieren können, weil sich zu viel in der Welt verändert hat. Etwas mehr als die Hälfte der 15- bis 25-Jährigen sagt, dass sie großen Institutionen und Firmen gegenüber zunehmend misstrauisch sind. Das sind die Ergebnisse des Culture Next Trend Reports 2020 – und das sollte alle aufhorchen lassen.
Wir müssen die Bedürfnisse junger Menschen ernst nehmen, wenn wir weiterhin zukunftsorientiert aufgestellt sein wollen. Junge Teammitglieder bringen andere und neue Denkweisen mit, weil ihre Realität und ihr Alltag meist ganz anders aussehen als die der älteren Kolleginnen und Kollegen. Was für Jüngere Standard und selbstverständlich ist, bleibt vielen Älteren oft ein Rätsel. Die jungen Leute sind in meinen Augen ein genauso wertvolles wie unterschätztes Gut. Und mittelständische Unternehmen können ihnen genau das bieten, was sie suchen: Flexibilität, Eigenverantwortung und Freiheit.
Genau deswegen fällt in meinen Augen die Wahl junger Menschen bei der Arbeitsplatzsuche viel zu selten auf den Mittelstand.
Perspektiven statt Hierarchien
Für junge Menschen geht es um Perspektiven, um Visionen und eine gesunde Work-Life-Balance. Sie wollen anpacken, verändern, die Gesellschaft und unsere Umwelt neu denken. Die Generation Z und auch ihre Vorgänger, die Millennials, wollen Verantwortung übernehmen. Hierarchien, tradiertes Denken und der Aufstieg nach Senioritätsprinzip sind da oft im Weg. Statt frustriert immer wieder neue Anläufe zu starten, in einem Konzern etwas zu bewirken, sollten junge Menschen im Mittelstand arbeiten. Wir Mittelständler können ihnen diese Chancen geben. Wir müssen sie ihnen sogar geben, weil sie sie verdient haben. Im Mittelstand haben junge Teammitglieder die Möglichkeit, sich auszuprobieren und neugierig zu sein. Hier werden sie nicht ausgebremst, weil sie im Normalfall nicht in starren hierarchischen Strukturen gefangen sind. Zumindest ist das mein Eindruck.
Mittelständische Unternehmen sind häufig inhabergeführt oder -geprägt. Sie leben von persönlichen Beziehungen. Hier zählt jeder und jede Einzelne mit seinen beziehungsweise ihren Visionen. Sie sind nicht nur eine weitere “Nummer” im System. Alle kennen sich und hören sich gegenseitig zu. Alle haben das gleiche Ziel vor Augen. Da es im Mittelstand meist ein intensiveres Miteinander und mehr Kommunikation durch alle Ebenen gibt, kann der Nachwuchs viel gezielter eingearbeitet werden. Sein Umfeld erkennt direkt die Stärken und Schwächen und dementsprechend können die Talente leicht in Projekte integriert werden: anfangs in kleinere, um zu sehen, wie es klappt, später in immer größere. Nicht nur sie werden daran wachsen und etwas lernen, sondern auch das gesamte Team und schlussendlich das Unternehmen.
Ich habe häufig beobachtet, dass beim Austausch der Kolleginnen und Kollegen über die unterschiedlichen Visionen und Lebenseinstellungen, neue und innovative Ideen entstanden sind. Ich behaupte, dass keiner der Beteiligten allein auf genau diese Idee gekommen wäre. Das ist das Gute bei flacheren Hierarchien: Wir fixieren uns gemeinsam auf die Lösung.
Reflexion der Anforderungen
Der Mittelstand muss seine Haltung und die gelebte Praxis hinterfragen und gegebenenfalls anpassen. Abwarten, ob die Generation nach der Gen Z vielleicht anders tickt, ist keine Lösung. Die Zeiten von “Bring’ erstmal Leistung und dann kannst du fordern”, sind vorbei. Wir befinden uns mitten im Fachkräftemangel und die Nachwuchstalente können sich aussuchen, wo sie arbeiten wollen. Wir, als mittelständische Unternehmen, müssen und können mit dem Ziel der Übernahme ausbilden, wir können Perspektiven schaffen. Doch damit junge Menschen überhaupt auf uns aufmerksam werden, müssen wir unsere Werte wieder mehr nach außen transportieren.
Respekt und Empathie sind wichtig. Ich beschäftige mich mit den Menschen, die für uns arbeiten. Ich höre ihnen zu und nehme sie ernst, egal, wie alt sie sind. Je kleiner das Unternehmen, umso wichtiger ist das, weil größere Abhängigkeiten bestehen. Kleinere Unternehmen sind auf jede(n) Mitarbeiterin / Mitarbeiter angewiesen. Wenn hier einer ausfällt oder das Unternehmen verlässt, ist es viel deutlicher spürbar, als in einem riesigen Konzern. Deswegen sollten Arbeitgeber dafür sorgen, dass es ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gut geht und sie sich entsprechend ihrer Vorstellungen entwickeln können. Ich bin jedes Mal stolz, wenn unsere Auszubildenden auf uns zukommen und sich uns anvertrauen.
Das Wichtigste, um fit für den digitalen Wandel zu sein, sind Offenheit und Flexibilität. Das betrifft vor allem das Ideen- und Innovationsmanagement. Jeder sollte daran beteiligt sein und darauf Zugriff haben, unabhängig von der eigenen Position. Mittelständische Unternehmen haben auch hier Vorteile durch weniger komplexe Strukturen und einfachere Kommunikationswege. In einem Konzern hat vielleicht jemand die gleiche tolle und innovative Idee, aber die Hierarchien dürfen hier meist nicht übersprungen werden. Im Mittelstand würde diese Teammitglieder schneller ernst genommen, könnten sich dafür aber auch nicht verstecken.
Unsere Kolleginnen und Kollegen dürfen zwar schnell Verantwortung übernehmen, aber sie müssen auch bereit sein, die Konsequenzen für ihre Entscheidungen zu tragen. Bei uns lernen junge Menschen sehr viel schneller unternehmerisches Denken und Handeln. Im Mittelstand gibt es mehr Einsatzmöglichkeiten und viel Freiraum zur Gestaltung. Generation Z macht alles anders, gestaltet die Gesellschaft und denkt bestehende Normen neu. Wenn wir als Unternehmen am Puls der Zeit bleiben und mit den Besten arbeiten wollen, dann müssen wir das auch.
Andreas Schiemann ist Geschäftsführer der Marantec Group und für die strategische Ausrichtung der Unternehmensgruppe verantwortlich. Er fokussiert sich darauf, neue Geschäftsfelder zu schaffen und zu besetzen – zum Beispiel in Form von Kooperationen. Außerdem ist er Mitgründer des Company Initiators Open Champion. Durch radikale Co-Kreation werden hier Ideen für neue Companys maximal schnell validiert.