Überwachung am Arbeitsplatz gewährleistet weder Produktivität noch IT-Sicherheit. Im Gegenteil. Daniel Schnyder, Managing Director Switzerland bei Unisys, beschreibt bessere Alternativen.
Überwachung am Arbeitsplatz ist ein virulentes Thema für HR und Führungskräfte. Besonders in Zeiten, in denen Remote-Work immer beliebter wird, bleibt die Frage, wie die Arbeit im Homeoffice überprüft werden soll, präsent. Der Unisys Security Index zeigt jedoch, dass Kontrollen bei den Mitarbeitenden äußerst unbeliebt sind und fatale Folgen haben könnten. Unternehmen sollten daher einen anderen Weg einschlagen, um Produktivität und IT-Sicherheit ihrer Teams zu gewährleisten.
Keine gläserne Belegschaft
Der plötzliche Wechsel ins Homeoffice zu Beginn der Corona-Pandemie stellte viele Unternehmen vor große Herausforderungen. Aus Angst vor Produktivitätseinbrüchen und IT-Sicherheitslücken griffen manche Arbeitgeber zu tiefgreifenden Überwachungsmaßnahmen. Diese reichten vom Monitoring der Login- und Logout-Zeiten bis zur Überwachung von Mikrofonen und Laptopkameras.
Die Ergebnisse des diesjährigen Unisys Security Index, bei dem jährlich 11.000 Menschen aus 11 Ländern hinsichtlich ihrer Sicherheitsbedenken befragt werden, zeigen nun jedoch: Mitarbeitende erteilen der Überwachung im Homeoffice eine deutliche Absage. 62 Prozent der Befragten fühlen sich nicht wohl damit, wenn ihre Login-Zeiten vom Arbeitgeber überprüft werden.
Tiefgreifendere Maßnahmen, wie die Überwachung des Bildschirminhalts, erfreuen sich noch geringerer Beliebtheit. 29 Prozent der Befragten möchten ihrem Arbeitgeber keinerlei Überwachungsmaßnahmen zugestehen. Setzt ein Unternehmen also auf mehr Überwachung, spielt es mit dem Risiko, das Vertrauen der Mitarbeitenden zu verlieren.
Die Kluft zwischen Verantwortung und Kompetenz wächst
Auch um die Sicherheit im Homeoffice zu gewährleisten, ist Überwachung alles andere als ein Erfolgsrezept. Der Aufwand einer flächendeckenden Überwachung ist enorm, während das Ergebnis zweifelhaft bleibt. Besonders bei der Frage nach der IT-Sicherheit ist dies der Fall: Hier wächst die Verantwortung der Mitarbeitenden in den heimischen Arbeitszimmern im Vergleich zum Büro noch einmal deutlich. Der Unisys Security Index stellt fest, dass die Mitarbeitenden sich ihrer Eigenverantwortung nicht nur bewusst sind, sondern auch bereit sind, diese wahrzunehmen. Doch Verantwortungsbewusstsein ist nur der erste Schritt für mehr Cybersicherheit im Homeoffice.
Darüber hinaus brauchen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die nötige Kompetenz, um diese verantwortliche Rolle richtig ausfüllen zu können. Hier hapert es an vielen Stellen. Menschliches Versagen ist immer noch ein häufiges Einfallstor für kriminelle Aktivitäten. So lassen nur 50 Prozent der Befragten die nötige Vorsicht walten, wenn sie auf Links in Mails oder Apps klicken. Wurde das eigene Netzwerk Opfer eines Angriffs, wissen nur die wenigsten, an wen sie sich wenden müssen.
Lückenhaft sind die Kenntnisse vor allem bei neuen, ausgeklügelten Fraud-Methoden, wie beispielsweise Smishing-Attacken, bei denen User über angebliche Paket-Sendungen auf dubiose Internetseiten gelockt werden, um persönliche oder finanzielle Daten abzugreifen. Hier sind Arbeitgeber gefragt, ihre Mitarbeitenden dabei zu unterstützen, diese Kompetenzen aufzubauen und mit regelmäßigen Schulungen auf dem Laufenden zu halten.
Überwachung hilft dagegen nur bedingt weiter, vielmehr ist hier die aktive Mithilfe der Mitarbeitenden gefragt. Die weitreichende Ausbildung der benötigten Fähigkeiten, sowie ein engmaschiges Sicherheitsnetz im eigenen Netzwerk sind hier der Schlüssel zu mehr Cybersicherheit.
Vertrauenskultur statt Atmosphäre der Überwachung
Mit dem Wechsel ins Homeoffice kam auch die Angst vor Produktivitätseinbrüchen. Die Zahlen zeigen jedoch, dass dies nicht der Fall ist. Mitarbeitende drehen im Homeoffice keineswegs nur Däumchen. Fällt die Produktivität trotzdem, sobald die Mitarbeitenden von zu Hause aus arbeiten, sitzt die Wurzel des Problems in der Regel tiefer. Dies könnte ein Anzeichen dafür sein, dass sich die Mitarbeitenden nicht mehr mit den Zielen der eigenen Organisationen identifizieren und so keine intrinsische Motivation aufbauen, geschweige denn einen Sinn in ihrer Arbeit sehen. Überwachungsmaßnahmen lösen dieses Problem nicht. Im Gegenteil: Sie verstärken die Entfremdung zwischen Unternehmen beziehungsweise Führungskraft und Belegschaft und sorgen für eine Kultur des Misstrauens.
Unternehmen sollten daher den Mut aufbringen, ihren Mitarbeitenden mehr Vertrauen entgegenzubringen. Das entspricht nicht nur den Wünschen der Mitarbeitenden und erhöht deren Zufriedenheit, sondern birgt auch Vorteile für das eigene Employer Branding. Denn eine transparente und vertrauensvolle Unternehmenskultur sorgt nicht nur dafür, dass alle an einem Strang ziehen, sondern ist auch ein gutes Argument, neue Fachkräfte vom eigenen Unternehmen zu überzeugen beziehungsweise bestehende Mitarbeitende zu halten. Sind diese unzufrieden, fällt es ihnen leichter, das eigene Unternehmen zu verlassen. Will ein Unternehmen im „War for Talents“ bestehen, ist die eigene Unternehmenskultur der erste Ansatzpunkt. Überwachung hingegen schreckt potenzielle Bewerberinnen und Bewerber ab.
Verantwortung braucht Vertrauen
Dass Unternehmen zu Beginn der Pandemie reflexartig neue Überwachungsmaßnahmen einführten, um Produktivitätseinbrüche und Sicherheitslecks zu verhindern, ist auf den ersten Blick nachvollziehbar. Die Erfahrungen nach anderthalb Jahren Homeoffice, Videokonferenzen und Teamchats zeigen nun jedoch, dass Organisationen umdenken müssen. Eines der besten Argumente, die eine Personalabteilung im Wettbewerb um die besten Talente hervorbringen kann, ist eine offene und vertrauensvolle Unternehmenskultur.
Stellen sich Führungskräfte und HR aktiv an die Seite ihrer Belegschaft, indem sie sie beispielsweise unterstützen, die nötigen Kompetenzen zu entwickeln, um mehr Eigenverantwortung wahrzunehmen, fördern sie Zusammenhalt und intrinsische Motivation. So müssen sich Arbeitgeber keine Sorgen machen, wenn sie ihren Mitarbeitenden auch in Zukunft hybride Arbeitsmodelle aus Remote- und Präsenzarbeit anbieten.
Daniel Schnyder ist seit 2021 als Managing Director Switzerland, GTM Lead DACH Business Process Solutions bei Unisys tätig. In dieser Funktion ist er insbesondere für die Marktentwicklung in der DACH-Region zuständig. Als Experte für Anwendungs- und Systemintegrationsdienste sowie für Zukunftstechnologien treibt er außerdem die weitere Digitalisierung des öffentlichen Sektors mit seinen spezifischen Anforderungen voran.