Die Anforderungen an die Veränderungskommunikation nehmen exponentiell zu. Martina Rauch von Cetacea schildert die Erfolgsfaktoren und die wichtigsten strategischen Aufgaben. Flexibilität ist mehr denn je gefragt.
Unternehmen sind seit Beginn der Nullerjahre mit andauernden Krisen konfrontiert, die den Druck auf Veränderungsnotwendigkeit, -fähigkeit und vor allem -geschwindigkeit enorm erhöht haben. Pandemien, Kriege, Umweltkatastrophen, Ressourcenknappheit, explodierende Kosten und Inflation verstärken diese Entwicklung, die sich allerdings schon länger abzeichnet, beispielsweise im Bereich der Digitalisierung, mit deren Herausforderungen viele Unternehmen heute noch kämpfen.
Wir erleben gerade eine Zeitenwende, in der andauernde Veränderungssituationen mit sich überlappenden Ereignissen zur neuen Normalität werden. Die Anforderungen an die kommunikative Begleitung des Change-Managements nehmen dabei exponentiell zu.
Ad-hoc Kommunikationsbedarf erfordert Flexibilität
Change-Management-Experten prophezeien seit Mitte der 1990er Jahre, dass das Veränderungstempo auch in Zukunft nicht mehr abnehmen und sich in den meisten Branchen der Wettbewerb eher noch verschärfen werde. De facto haben sich diese Prophezeiungen längst erfüllt. Neben den aktuellen Krisen stehen Fusionen, Übernahmen, Restrukturierungen, Neuausrichtungen des Geschäftsmodells oder der Unternehmensstrategie in immer kürzeren Abständen auf der Agenda der Unternehmen. Die Veränderungskommunikation ist dabei noch anspruchsvoller geworden.
Zwar ist ein planvolles Vorgehen – angefangen von der passenden Kommunikationsstrategie, über Stakeholdermanagement bis hin zur Kommunikation von handlungsleitenden Botschaften über alle Phasen des Change-Prozesses – nach wie vor richtig und wirkungsvoll, um kommunikative Hindernisse für Veränderungen aus dem Weg zu räumen und nachhaltigen Wandel zu ermöglichen.
Jedoch ist heute in allen Phasen immer mehr Flexibilität gefragt, um multiple Veränderungssituationen kommunikativ zu unterstützen, zum Beispiel wenn zusätzliche nicht geplante bzw. in Szenarien vorhersehbare Ereignisse die Veränderungsdynamik beschleunigen.
Flexibilität setzt in erster Linie Professionalität und Erfahrung sowie das richtige Mindset voraus. Kommunikatoren, die sich nur als Unterstützer von Change-Prozessen verstehen und nicht als aktiver Mitgestalter von Veränderungssituationen, werden den aktuellen Notwendigkeiten der Veränderungskommunikation nicht gerecht, insbesondere bei zunehmendem Bedarf an Ad-hoc-Kommunikation aufgrund sich überschlagender Ereignisse.
Veränderungskommunikation gewinnt an Bedeutung
Die Kommunikation ist eine Schlüsselfunktion des Change-Managements. Diese Rolle gewinnt in der Zeitenwende immer mehr an Bedeutung. Deshalb sollten Kommunikationsverantwortliche darauf bestehen, in Schüsselpositionen von Veränderungsprojekten vertreten zu sein, um ihre volle Wirksamkeit zu entfalten.
Das heißt, als integraler Bestandteil von Anfang an in allen entscheidenden Gremien, vom Steering Committee bis zu einzelnen thematischen Arbeitsgruppen und noch mehr als bisher in enger Kooperation mit anderen Corporate Funktionen wie HR, Legal und Finance, die ebenfalls eine wesentliche Verantwortung für das Veränderungsmanagement tragen.
Die starke Positionierung der Kommunikation in Veränderungssituationen hat nur positive Effekte für die Organisation:
- Erhöht sich die kommunikative Reaktionsgeschwindigkeit durch die Nähe zu aktuellen Entwicklungen im Veränderungsprojekt
- Bringt die Kommunikation ihre strategische Kompetenz in Entscheidungsprozesse ein
- Kann sie wichtige Projekt-Sponsoren bei der Stange halten
- Wird die Business-Relevanz der Kommunikation deutlich und gestärkt
Erfolgsfaktoren der Veränderungskommunikation
An erster Stelle der Erfolgsfaktoren einer gelungenen Veränderungskommunikation steht deren strategische Ausrichtung. Nur auf dieser Basis ist sie in der Lage, die vielfältigen Herausforderungen des Change zu bewältigen. Wichtige strategische Aufgaben der Veränderungskommunikation sind:
- Für Veränderungsnotwendigkeit sensibilisieren
- Die kommunikative Begleitung der Führungskoalition
- Die Vision des Wandels kommunizieren
- Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter empowern, damit sie zu Agenten des Wandels werden
- Kurzfristige Erfolgserlebnisse, Erfolge und Rückschläge kommunizieren
- Kritiker beachten und einbeziehen
- Zur Verankerung der Veränderungsbereitschaft in der Unternehmenskultur Change als elementaren Bestandteil in die Regelkommunikation aufnehmen
Weitere Erfolgsfaktoren – wie Struktur, Ressourcen, Dialogorientierung, die Identifikation von Vorbildern und Change-Unterstützern – dürfen natürlich ebenfalls nicht außer Acht gelassen werden.
Darüber hinaus sollten drei Kernkompetenzen die kommunikative Exzellenz der Veränderungskommunikation prägen: Transparenz, Wissensvermittlung und Emotionen.
- Transparenz bedeutet nicht, zu jedem Zeitpunkt über alles aussagefähig zu sein. Transparenz schaffen heißt, Erfolge und auch Misserfolge adäquat zu vermitteln.
- Wissensvermittlung klingt zunächst einfach, ist aber bei iterativen und erratischen Veränderungsprozessen eine echte Herausforderung für die Kommunikation, weil Wissen durch Gerüchte und Fake News manchmal nur eine geringe Halbwertszeit hat.
- Emotionen sind Ressourcen, die die Veränderungskommunikation nutzen sollte, um den Change voranzutreiben. Selbst Angst – eine grundmenschliche Emotion in Veränderungsprozessen – ist eine hilfreiche Emotion, wenn sie geäußert wird.
Dann kann sich die Kommunikation überlegen, was es noch braucht an Leitplanken und Orientierung oder welche Unterstützungsangebote dafür sorgen, dass sich Angst wieder in ein Gefühl der Sicherheit verwandelt.
Fazit
Veränderungskommunikation gewinnt in der Zeitenwende zunehmend an Bedeutung. Voraussetzung dafür ist ihre strategische Ausrichtung. Neben dem klassischen strukturierten und planvollen Vorgehen ist mehr denn je Flexibilität gefragt. Mit Professionalität, Erfahrung und dem richtigen Mindset lassen sich auch die exponentiell gestiegenen Herausforderungen zur Begleitung des Change-Managements gut bewältigen.
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Martina Rauch ist Partnerin bei der Unternehmensberatung Cetacea und deren Tochtergesellschaft Global Organizational Integrity Institute (GOII) in München. Sie hat mehr als zwanzig Jahre Erfahrung in den Bereichen Unternehmenskommunikation, Marketing und Public Affairs. In Managementfunktionen bei großen international tätigen Familienunternehmen und einem Konzern hat sie mehrere Transformations- und Restrukturierungsprogramme mitgestaltet sowie CSR- und Nachhaltigkeitsprogramme initiiert und geführt.