Wie TÜV SÜD sich und seine Mitarbeitenden auf die Arbeitswelt der Zukunft vorbereitet, schildert Tina Hempel, Leiterin Kompetenzcenter Personal für Deutschland.
Früher prüfte TÜV SÜD noch Dampfloks, heute sind es auch Hochgeschwindigkeitszüge, fahrerlose U‑Bahnen und futuristische Hyperloops. Zwar handelt es sich bei diesen Beispielen noch um Schienenverkehrsmittel – hinsichtlich deren Überprüfung gibt es jedoch kaum noch Gemeinsamkeiten. Denn: die Anforderungen in der Arbeitswelt verändern sich durch den rasanten technischen Fortschritt in der Digitalisierung und Automatisierung sowie durch die fortschreitende Globalisierung kontinuierlich.
TÜV SÜD: Drei Bausteine bilden die Basis
Mit digitaler werdenden Produkten sowie Prüfdienstleistungen und -mitteln müssen auch Prozesse und Kompetenzen des Prüfdienstleisters TÜV SÜD neu gedacht werden. Aber wie gelingt es, Weiterbildungsbedarf bereits heute zu erkennen und Mitarbeitende gezielt zu fördern, wenn oft noch nicht einmal absehbar ist, welche Technologien in zwei, fünf oder zehn Jahren geprüft werden müssen? Um diesen Herausforderungen zu begegnen, hat TÜV SÜD ein bereichsübergreifendes System aufgesetzt. Drei miteinander verzahnte Bausteine bilden hierbei die Basis: eine datengetriebene strategische Personalplanung, Kompetenzmanagement und eine digitale Führungskultur.
Der erste Baustein: Strategische Personalplanung
Mithilfe der strategischen Personalplanung ermittelt TÜV SÜD kontinuierlich den Talentbedarf, der für die Umsetzung der Konzernstrategie in den nächsten Jahren erforderlich ist. Mit dieser datengesteuerten Methode wird sichergestellt, dass die richtigen Fachkräfte stets zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung stehen, um aktuelle und zukünftige Bedarfe zu decken. „Dabei dürfen wir nicht erst heute darüber nachdenken, wen wir morgen rekrutieren wollen, sondern müssen langfristig planen“, erklärt Tina Hempel, Leiterin des Kompetenzcenter Personal für Deutschland der TÜV SÜD AG.
„Das ist etwas, was wir in den letzten Jahren stark verändert haben. Früher haben wir für die einzelnen operativen Bereiche nur eine jährliche Personalkostenplanung gemacht. Doch heute setzen wir mit dem Thema der strategischen Personalplanung viel früher an und denken weiter in die Zukunft als bisher. Wir ergänzen die Methoden einer Personalkostenplanung um Vorhersagemodelle zur Entwicklung des Geschäfts, des jeweiligen Fachbereichs und der Trends in der Branche. So können wir Szenarioanalysen machen, Vorhersagen treffen und abschätzen, welche Schlüsselpositionen in Zukunft kritisch für uns sind.“
Sobald die Schlüsselpositionen definiert sind, gilt es, zu ermitteln, wie viele Mitarbeitende in der jeweiligen Position in Zukunft benötigt werden. Eine derart identifizierte Schlüsselposition in der Division „Real Estate und Infrastructure“ ist beispielsweise der Sachverständige für Fördertechnik – oder einfach gesagt Liftinspektor. „Für diese Position haben wir den Personalbedarf bereits abgeschätzt: Im Moment sind international rund 1.044 Personen im Bereich ‚Lift, Cranes and Conveyers‘ tätig. Bis 2026 müssen weitere 294 Personen in diesem Bereich eingestellt werden.
Berücksichtigt werden hierbei Faktoren wie Fluktuation, Renteneintritt und die geplante Geschäftsentwicklung. Doch nicht nur der Personalbedarf sollte gut durchdacht sein. Auch die Frage, welche Kompetenzen die Mitarbeitenden bereits haben und welche sie in Zukunft brauchen werden, ist wichtig“, erläutert Hempel.
Aufzüge werden mit immer mehr Sensoren und Funkeinheiten ausgestattet. Das erlaubt eine kontinuierliche Überwachung und verbessert die Wartung und Fehlerprognosen. Prüfdienstleister müssen auch diese Technologien überprüfen können, wie die Fahrgastkabine und die Seilmechanik. Tina Hempel fährt fort: „520 Personen, also 50 Prozent der derzeitigen Mitarbeitenden in diesem Bereich müssen nach unseren Prognosen in den nächsten Jahren in funktionaler Sicherheit und Cybersecurity geschult werden, denn diese Kompetenzen werden hier künftig deutlich stärker gefordert sein.“
Der zweite Baustein: Effizientes Kompetenzmanagement
„Mit den künftigen Anforderungen landen wir beim Thema des Kompetenzmanagements“, so die HR-Expertin weiter. „Hier geht es darum, Kompetenzbedarfe zu ermitteln, Kompetenzlücken aufzuzeigen und diese strukturiert und nachhaltig zu schließen. Dabei haben wir immer im Hinterkopf, dass die Zukunft ungewiss ist. Wir können nicht vorhersagen, ob es in 20 Jahren überhaupt noch Aufzüge geben wird und wie die dann technisch arbeiten oder ob wir dann vielleicht von Drohnen in das richtige Stockwerk gebracht werden.“ Jedoch sind diese ebenfalls einer Sicherheitsprüfung zu unterziehen.
Bereits absehbar ist, dass die digitalen Kompetenzen rund um Cybersecurity sowie IT-System und IT-Anwendung künftig eine größere Rolle spielen werden. Darüber hinaus bekommen aber auch soziale Kompetenzen einen höheren Stellenwert. Denn empathische Fähigkeiten wie die Interaktion mit Kunden oder die Entwicklung kreativer Lösungen werden durch Roboter oder auch KI-Anwendungen nicht ersetzt werden können.
Tina Hempel erläutert: „Eine Maschine kann vielleicht eine Risikoabschätzung machen und verschiedene Arbeitsszenarien simulieren, aber deren Bewertung wird immer Aufgabe der Sachverständigen bleiben. Als technischer Dienstleister werden wir immer vor der Herausforderung stehen, hierfür kreative Lösungsansätze gemeinsam mit unseren Kunden zu entwickeln.“
Damit ein solches Kompetenzmanagement effizient ist, muss es nahe an den Bedürfnissen von Mitarbeitenden und an den Kundenanforderungen ausgerichtet sein. Deshalb ist es wichtig, nicht nur den technischen Fortschritt zu beobachten, sondern auch gut mit den internen Fachexperten vernetzt zu sein und in engem Austausch zu bleiben. Die Sachverständigen und Experten sollten zudem auch extern in ihrer Branche gut vernetzt sein, um frühzeitig zu erkennen, wohin sich Entwicklungen bewegen oder wo sich neue Trends abzeichnen.
„Der Austausch auf Augenhöhe zwischen der HR-Abteilung und den operativen Einheiten ist enorm wichtig. Nur so können wir am Zahn der Zeit bleiben, Entwicklungen frühzeitig abschätzen und darauf reagieren. Genau darin liegt für uns der Erfolgsfaktor, damit uns genügend Zeit bleibt, uns mit Schulungen oder organisatorischen Veränderungen auf zukunftsweisende Entwicklungen vorzubereiten“, so Tina Hempel.
Der dritte Baustein: Eine moderne Führungskultur
Das dritte Standbein des bereichsübergreifenden Systems bei TÜV SÜD ist die Etablierung einer modernen, digitalen Führungskultur. Im Gegensatz zu dem von Kontrolle und Hierarchie geprägten traditionellen Führungsverständnis baut dieser moderne Ansatz auf einem vertrauensvollen Miteinander von Mitarbeitenden und Führungskräften auf. In diesem auf Offenheit und Transparenz basierenden Verständnis werden grenzüberschreitende Zusammenarbeit und neue Arbeitsweisen aufgebaut. Mitarbeitende werden in Entscheidungsprozesse einbezogen und bekommen mehr Freiraum für Flexibilität und Selbständigkeit.
Moderne Führungskräfte sollten entsprechend in der Lage sein, beide Führungsphilosophien flexibel und kreativ miteinander zu verbinden und situations-angemessen anzuwenden. Um sie bei dieser Umstellung zu unterstützen, hat TÜV SÜD 2019 das „Future Leadership Lab“ ins Leben gerufen. Im Rahmen dieses dreitägigen Trainingsprogramms werden Führungskräfte aus dem Senior Management dafür geschult, mit den veränderten Herausforderungen in der heutigen Arbeitswelt umzugehen.
Mit diesem bereichsübergreifenden System beschreitet der weltweit tätige Konzern TÜV SÜD in vielen Bereichen bereits die ersten wichtigen Schritte auf einem Weg, der sicherlich lang ist und das durch seinen steten Wandel auch bleiben wird. Umso größer ist der Ansporn für Führungskräfte wie Mitarbeitende, flexibel und adaptiv zu sein – und das zu jeder Zeit.
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Tina Hempel verfügt über langjährige Personalerfahrung innerhalb des TÜV SÜD-Konzerns. Aktuell ist sie mit ihrem Team verantwortlich für einen einheitlichen Rahmen sowie die Weiterentwicklung und Umsetzung der globalen HR-Strategie für die mehr als 13.000 Mitarbeitenden des Konzerns in Deutschland. ©TÜV SÜD