Wie lässt sich die Recruiting-Organisation in einem Unternehmen erfolgreich verändern? Michael Witt von Lebenswelt Recruiting beschreibt, wie Unternehmen vorgehen und worauf sie bei einer Transformation achten sollten.
Nach wie vor ist die Personalbeschaffung, das Recruiting neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für viele Unternehmen eine der wichtigsten, aber auch schwierigsten Aufgaben zugleich. Die Problemstellungen sind bekannt und liegen im Grunde offen auf der Hand: der Kampf um schwindende Talente erfordert von den Recruiting Handelnden immer wieder neue Wege.
Der technologische Fortschritt muss verstanden und in die Prozesswelten integriert werden, das Bedürfnis an Individualisierung nimmt exponentiell zu und die grundlegende Einstellung zur Arbeit unterliegt einem großen Wandel. Oftmals bleiben die Reaktionen auf diese und weitere Herausforderungen meist in bekannten operativen Handlungsmustern stecken, wo doch mit einer strategisch organisationalen Draufsicht nachhaltige Reaktionsmöglichkeiten geschaffen werden könnten.
Frameworks für eine organisationale Recruiting Transformation
Diskutieren lässt sich bestimmt, wo operatives Recruiting Handeln aufhört, die Recruiting-Strategie beginnt und in welcher Art und Weise die Recruiting-Organisation mitsamt ihrer Struktur am Ende auf den Erfolg des Recruitings einzahlt. Voneinander getrennt betrachtet dürfen diese Themen aber keinesfalls werden – und werden sie auch immer weniger. Denn im HR-Bereich scheint eine Art Goldgräberstimmung entstanden zu sein und die (Re-) Organisation des Recruitings steht bei einer Vielzahl von Unternehmen ganz oben auf der Agenda.
Bei diesen Eingriffen ist immer mehr zu beobachten, dass sie grundständiger sowie grundsätzlicher erfolgen und sich vor allem an Strategien und Strukturen orientieren und nicht mehr die kurzweiligen Erfolge der Recruiting Operations fokussieren. Besonders für das nachhaltige Gelingen einer Recruiting-Transformation müssen bereits zum Start Handlungs- und Entwicklungsfelder designed und integriert werden.
Lern-Framework
Lebenslanges Lernen, das wissen wir, ist zu einer Selbstverpflichtung von Unternehmen, aber auch von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geworden. Wollen wir nun aber organisationale Bedingungen verändern, so müssen diese teilweise und zu Beginn eines Transformationsprozesses bewusst verlernt werden. Durch das gewollte und im besten Fall gesteuerte Verlernen wird Freiraum und Platz für Neues geschaffen.
Dieser so geschaffene Lernraum wird während einer Veränderung mit persönlichen, aber auch organisationalen Lernerlebnissen wieder befüllt und trägt so mittelbar zum Gelingen des Recruiting-Change bei. Neben dem Lernen von neuen Abläufen, Tools oder Recruiting Methoden muss in einem nächsten Schritt das neue Wissen in die operative Anwendung innerhalb der Recruiting-Organisation überführt werden.
Prozess-Framework
Die Übernahme von neuen Recruiting-Methoden in eine Recruiting-Organisation, die während einer Veränderung weiterhin operativ vollumfänglich tätig ist, erfordert oftmals ein eigenständig geplantes Vorgehen. Die Vorstellung, durch einen laufenden Change Prozess sofort merkbaren Einfluss auf das Recruiting nehmen zu können, scheitert meist am unstrukturierten Ablauf. Daher ist es ratsam, für die Operationalisierung neu erlernter Abläufe und Methoden vorab einen Prozess zu definieren und vor allem alle teilhabenden Stakeholder einzubinden.
Prozessuale Schnittstellen im Recruiting sind bei Änderungen erfolgskritische Punkte, die bei einem Re-Design neu erlernt und gewissermaßen eintrainiert werden müssen. Nur so kann die notwendige Routine entstehen, um beispielsweise eine qualitativ hochwertige Candidate Experience umzusetzen.
Organisations-Framework
Methodische sowie prozessuale Neuerungen lösen in aller Regel auch die gewünschten Veränderungen innerhalb einer Recruiting-Organisation aus. Denkt man an organisationale Transformationen, so denkt man meist an rigoros stattfindende Programme, die sich an den neu gestalteten Organigrammen abarbeiten. Jedoch hat eine Organisation ernstzunehmende implizite Spielregeln, Abläufe und kulturelle Handlungsmuster, die in der Organisation selbst und mit ihrer Umwelt gepflegt werden.
Diese zu verstehen auf der einen Seite und auf der anderen Seite in passende neue Formen zu gießen ist die entscheidende Herausforderung des Organisationsdesigns, das gerade deshalb iterativ durchgeführt werden sollte. Werden diese versteckten Handlungsmuster im Rahmen einer Recruiting Transformation nicht berücksichtigt, so werden sich nur sehr schwer Veränderungen einführen lassen.
Wo beginnt die Recruiting Transformation?
Auslöser für Recruiting Transformationen gibt es viele und die möglichen Ansatzpunkte sind ebenso vielfältig. Es ist aber nicht zu verkennen, dass die Recruiting-Strategie ein guter Einstieg in einen Change-Prozess sein kann, der dann konsequent durchgeführt zu strukturellen Änderungen führt. Die Recruiting-Strategie gibt dabei den Weg zur Zielerreichung vor und beeinflusst dadurch auch ganz entscheidend die Struktur der Recruiting-Organisation mitsamt ihrem eingebetteten Recruiting Prozess.
So hängen Recruiting-Strategie und die Struktur der Recruiting-Organisation sehr stark voneinander ab und können im Grunde nie unabhängig voneinander betrachtet oder verändert werden. Besonders in einem Bereich, der so stark prozessgebunden agiert wie das Recruiting, muss die Struktur der Organisation darauf abgestimmt sein und flexibel darauf reagieren können.
Das Buch zum Thema
Michael Witt
Recruitingmanagement und Recruitingorganisation
Schäffer-Poeschel 2022, 216 Seiten, 39,95 Euro
ISBN: 978-3-7910-5498-8
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Michael Witt ist Berater für Recruiting-Strategie und Organisationsentwicklung. Seit 2018 selbstständig, begleitet er Unternehmen bei Veränderungsprojekten im Bereich Recruiting und Personalmarketing. Mit über 20 Jahren Erfahrung, darunter 13 Jahre in konzeptionellen und strategischen Rollen sowie über 7 Jahre in leitenden Funktionen, bringt er umfassendes Wissen in die Beratung ein. Er ist Initiator und Veranstalter von Events wie der HR-TecNight und dem Recruiter Slam.