Top-Führungskräfte: Ein Bruch bedeutet nicht das Ende

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Welche Skills und strategischen Fähigkeiten Top-Führungskräfte auf Jobsuche brauchen, erläutert Claus Verfürth, Geschäftsführer und Partner bei The Boardroom.

In der jüngsten Zeit zählten immer wieder Rücktritte wie etwa der von Familienministerin Franziska Giffey, der von Bundestrainer Joachim Löw oder der des Amazon-Chefs Jeff Bezos zu den beherrschenden Themen in den Schlagzeilen. Dabei wurde eines häufig übersehen: Brüche im Lebenslauf von Topleuten müssen nicht immer das Ende ihrer Karriere bedeuten. Denn eine Kündigung oder ein Rücktritt sind kein K.-o.-Kriterium für den weiteren beruflichen Erfolg. Den Kopf in den Sand zu stecken, hingegen schon.

Die unterschätzten Herausforderungen bei der Jobsuche

Es gibt Sätze, die immer wieder fallen, wenn Führungskräfte ihre bisherige Position verlassen müssen. „Mit Deiner tollen Karriere ist es ja wohl kein Problem, schnell eine neue Position zu finden.“ Oder: „Führungskräfte fallen nach dem Verlust ihrer Position weich.“ In der Fremdwahrnehmung haben erfolgreiche Persönlichkeiten schließlich alles, was es braucht, um nach einem unfreiwilligen Jobverlust wieder schnell durchzustarten: ein finanzielles Polster, ein einflussreiches Netzwerk zu anderen Wirtschaftslenkern sowie herausragende Fähigkeiten und Skills. Das Gegenteil ist der Fall. Nicht selten geraten Menschen, die eine Spitzenposition verlieren, in eine schwere berufliche und teilweise auch persönliche Krise.

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Vor allem auf höherem Level bringt die Jobsuche zahlreiche Herausforderungen, mit denen sich die Betroffenen häufig das erste Mal konfrontiert sehen. Allein aufgrund der Tatsache, dass Stellengesuche in diesem Bereich meist nicht öffentlich sichtbar sind und das Versendung von Initiativbewerbungen unüblich und wenig zielführend ist. Worauf kommt es also bei der beruflichen Neuorientierung an? Welche Skills und strategischen Fähigkeiten brauchen Top-Führungskräfte auf Jobsuche?

Worauf es bei der beruflichen Neuorientierung ankommt

Top-Führungskräfte: Gesprächspartner auf Augenhöhe suchen

Zunächst erscheinen berufliche Umbruchsituationen vor allem als kritische Momente in den Karrieren von Führungskräften. Dabei gelingt es nicht jeder Top-Führungskraft gleichermaßen, eine Kündigung oder einen Rücktritt positiv zu deuten. Dies liegt unter anderem daran, dass es das Tätigkeitsfeld von Topmanagern mit sich bringt, in Erfolgen zu denken. Doch gilt es sich bewusst zu machen, dass berufliche Umbruchphase auch eine große Chance sein können, wenn man den beruflichen Neustart nur richtig angeht.

Um eine Stra­te­gie und Positionierung für den nächsten beruflichen Schritt zu er­ar­bei­ten, benötigen Topmanager Gesprächspartner auf Augenhöhe, die sie unterstützen, mit Selbstvertrauen und geeigneten Stories das eigene Kontaktnetz zu reaktivieren – schließlich ist das persönliche Netzwerk nach wie vor die Ressource Nummer eins auf dem Weg zur neuen Position.

Die Reaktivierung des eigenen Netzwerks

Top-Führungskräfte: Viele Kontakte brechen weg

Was die Top-Führungskräften zugeschriebenen Kontakte angeht, zeigt sich häufig, dass viele mit der Position wegbrechen. Viele müssen zudem feststellen, dass besonders ihre gut gepflegten Kontakte nur branchenbezogen waren und viele nur an ihrer Position und nicht unbedingt an ihrer Person interessiert waren. Darüber hinaus tun sich Führungskräfte vielfach schwer, nach einem gefühlten Scheitern um Hilfe oder Unterstützung zu bitten. Sie empfinden dies als Erniedrigung oder Demütigung.

Daraus entsteht in der Folge die Angst vor Zurückweisung, wenn man sich nach langer Zeit und dann auch noch mit der Bitte um Hilfe an seine Kontakte wendet. Diese Angst ist jedoch unbegründet. Denn die Erfahrung zeigt, dass die meisten Menschen durchaus zu helfen bereit sind, wenn sie um einen Rat gebeten oder als Experten für eine bestimmte Branche an­ge­spro­chen werden. Eine gute Vorbereitung solcher Netzwerk-Gespräche ist dabei das A und O. Denn wenngleich es Topmanager gewohnt sind, ihre Branche sowie Produkte oder Dienstleistungen ihres Un­ter­neh­mens zu repräsentieren, betreten sie beim Marketing für die eigene Person meistens ungewohntes Terrain.

Häufig unterschätzt: die Bestimmung des Alleinstellungsmerkmals

Top-Führungskräfte: Das Alleinstellungsmerkmal bestimmen

Mindestens ebenso herausfordernd für Führungskräfte auf der Suche nach einer neuen Position ist die Konfrontation mit der Bewerbungssituation. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint, ist die Frage nach dem eigenen „Unique Selling Point“ eine der schwierigsten im Vorstellungsgespräch von Top-Führungskräften. Was macht Sie einzigartig? Was unterscheidet Sie von Ihren Mitbewerbern? Wie möchten Sie sich positionieren? Fragen wie diese ad hoc zu beantworten, fällt den meisten Führungskräften schwerer als sie anfangs vermuten.

Bei der Beratung von Top-Führungskräften stellen wir immer wieder fest, dass diese Fragestellung ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit verdient. Denn bei der Bewerbung um eine neue Position geht es in der Regel nicht um General Management Skills – diese werden ohnehin als vorhanden vorausgesetzt. Vielmehr müssen die Unterscheidungsmerkmale zu anderen potenziellen Kandidaten für die gleiche Position herausgestellt werden.

Es ist entscheidend, Umbruchphasen zu nutzen

Ganz gleich, ob sie freiwillig oder unfreiwillig geschehen: Berufliche Umbruchsituationen sind immer zugleich auch eine Chance. Denn sie bieten die Möglichkeit, eine Kurskorrektur vorzunehmen oder lange verschobene Pläne wiederaufzunehmen. Auch Gedanken an unkonventionelle Wunschpositionen, die zumeist verworfen werden, können nun zugelassen werden.

Zeit ist eine wertvolle Ressource, die es bewusst zu nutzen gilt. Dies gilt vor allem für Top-Führungskräfte, deren Arbeitstage für gewöhnlich voll mit Terminen und festen Abläufen sind. Umbruchphasen sollten darum aktiv für die persönliche Standortbestimmung und die Reflexion über die persönlichen Wünsche für die Zukunft verwendet werden. Neben dem Reaktivieren des eigenen Netzwerks ist diese Selbstreflexion einer der wichtigsten Punkte, der auf der Tagesordnung stehen sollten. Beides schafft die ideale Voraussetzung, um aus einem Bruch einen Neuanfang zu machen.

Photos: ©Twenty20/@lindaze / ©Envato/LightFieldStudios / ©Envato/catolla

Lesen Sie auch den Beitrag „Gehen oder bleiben? Als Führungskraft den Wechsel planen“ von Claus Verfürth.

Foto Claus Verfürth

Claus Verfürth ist Geschäftsführer und Partner bei The Boardroom, dem Beratungsbereich für Top-Manager in der von Rundstedt Gruppe. Mit seiner Expertise begleitet er Topmanager in unterschiedlichen Phasen ihrer Karriere. Egal, ob sie eine neue Position suchen oder sich in ihrem Unternehmen entwickeln möchten.

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