Wie hat sich die Nachfrage nach Outplacement entwickelt, welche Veränderungen zeichnen sich ab? Sophia von Rundstedt im Gespräch mit dem HR JOURNAL.
Die Lage am Arbeitsmarkt stabilisiert sich zunehmend, sagt das IAB-Arbeitsmarktbarometer vom August. Der Eindruck vieler Arbeitnehmer ist ein anderer. Konjunkturforscher erwarten eine vollständige Erholung von den Rückschlägen des laufenden Jahres erst ab 2022. Ist dies die hohe Zeit der Outplacement-Beratungen, deren Geschäft die Krise sei, wie eine Zeitschrift unlängst titelte? DAS HR JOURNAL hat mit Sophia von Rundstedt gesprochen, CEO der gleichnamigen Outplacement-Beratung.
Wie hat sich die Nachfrage nach Outplacement in den letzten Monaten entwickelt? Welche Branchen melden sich in erster Linie?
Sophia v. Rundstedt: Die Nachfrage hat sich sehr dynamisch entwickelt. Wie viele andere Unternehmen haben auch wir die Zeit im März und Anfang April als Schockstarre wahrgenommen. Allerdings sind wir nicht untätig geblieben, sondern fragten uns schnell, wie wir uns umgehend an die neuen Rahmenbedingungen anpassen können. Spätestens seit Juni haben wir wieder das Niveau vor der Corona-Krise erreicht.
Allerdings sind insbesondere Einzeloutplacements aktuell weniger gefragt. Die Unsicherheit auf dem Arbeitsmarkt ist einfach nach wie vor groß, sodass viele Menschen aktuell keine Aufhebungsverträge unterschreiben wollen. Derzeit kommen darum eher die klassischen Transfermaßnahmen wie Transferagenturen und Transfergesellschaften zum Zuge – verstärkt auch als virtuelle Formate.
Dabei sind nicht all diese Entwicklungen durch die Corona-Krise verursacht worden. Die Konjunktur hatte sich ja bereits Ende letzten Jahres merklich abgekühlt und viele Branchen spüren mehr denn je den Druck, der durch die Digitalisierung ausgelöst wird. Das spiegelt sich auch in den Branchen wider, die derzeit auf uns zu kommen. Etwa 40 Prozent unserer Projekte sind der Automobilindustrie und ihren Zulieferern zuzurechnen. Aber auch Banken und Finanzdienstleister sowie der Maschinen- und Anlagenbau und nicht zuletzt der Handel unterliegen einem grundlegenden Wandel, der oft auch mit großen Ab- und Umbauprojekten einhergeht.
Wen trifft es jetzt vor allem? In welchen Positionen?
Sophia v. Rundstedt: Die Entwicklung ist branchenabhängig und wird stark von der Digitalisierung getrieben – angefangen bei neuen Mobilitätskonzepten über die Anpassung von Geschäftsmodellen bis hin zu der Frage, wie beispielsweise die Bankfiliale der Zukunft aussieht. Dabei setzen Restrukturierungsmaßnahmen in der Regel an sehr unterschiedlichen Stellen an. In den Headquartern wird sehr genau geschaut, welche Bereiche optimiert und weiter automatisiert werden können.
Klar ist, dass zum einen oft ganze Cluster von der Transformation betroffen sind und dass sich zum anderen die Anforderungsprofile und nachgefragten Skills verändern. Das Management ist ebenso betroffen wie zahlreiche andere Positionen und Professionen. Datenanalysen gewinnen in vielen Bereichen an Bedeutung. Eine wichtige Frage ist daher: Was sind die Skills der Zukunft? Und wie können wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter qualifizieren? Denn eines darf nicht vergessen werden: Es herrscht nach wie vor Fachkräftemangel. Die richtige Qualifikation entscheidet über die Jobaussichten.
Wie betreuen Sie die Klienten in Corona-Zeiten? Welche Tools und Maßnahmen setzen Sie beim (virtuellen) Outplacement ein?
Sophia v. Rundstedt: Wir haben glücklicherweise nicht erst seit der Corona-Krise an virtuellen Formaten und Angeboten gearbeitet, sondern bereits seit mehreren Jahren Erfahrungen in diesem Bereich gesammelt. Schon nach wenigen Tagen konnten wir eine vollständige virtuelle Beratung anbieten. Diese basiert auf vier Säulen: individueller virtueller Beratung, virtuellen Workshops, der App „myTURN“ sowie unserem Online-Karriereportal. Die individuelle Beratung führen wir in der Regel mit Videokonferenz-Tools durch.
Denn das Visuelle spielt auch im virtuellen Raum eine entscheidende Rolle, wenn es um den Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung geht. Unsere virtuellen Workshops haben wir völlig neu aufgestellt – mit neuen Abläufen, neuen Interaktionsformen und neuem Content. Die von uns entwickelte App dient der Selbstreflexion und Identifikation der eigenen Stärken und Schwächen. Und schließlich ermöglicht unser Online-Karriereportal den Zugriff auf zahlreiche Tools und Materialien und bündelt Jobangebote aus vielen Jobdatenbanken. Bei der Recherche nach möglichen Zielfirmen und vakanten Stellen sowie beim Abgleich mit dem Jobprofil kommen sowohl intelligente Algorithmen als auch das Know-how unserer Expertinnen und Experten zum Einsatz.
Was sind die Vor- und Nachteile?
Sophia v. Rundstedt: Es gibt ja bekanntlich keinen Vorteil ohne Nachteil. So ist es auch hier. Die virtuellen Workshops sind ein ungemein effektives Tool für die Vermittlung von theoretischem Wissen, sind praktisch und effizient, da lange Anfahrten oder lästige Parkplatzsuche entfallen. Bestimmte Aspekte wie Rollenspiele oder die Möglichkeit, direktes Feedback von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu bekommen, lassen sich jedoch nur schwer virtuell abbilden. Ein weiterer wesentlicher Nachteil ist, dass das Netzwerken bei virtuellen Workshops mehr oder weniger entfällt.
Was wird besonders gut angenommen?
Sophia v. Rundstedt: Die virtuellen Beratungsangebote wurden und werden insgesamt sehr gut angenommen. Sogar an Standorten, an denen wir unter Einhaltung aller notwendigen Hygienemaßnahmen persönliche Beratungen anbieten konnten, haben sich viele Klienten für unsere virtuellen Angebote wie Trainings für Interviews, zur Optimierung von Anschreiben und Lebenslauf oder zur Entwicklung ihres 90-Sekunden-Spots entschieden. Insbesondere unsere virtuellen Workshops für das Erstellen von LinkedIn- und Xing-Profilen waren so stark nachgefragt, dass wir diese regelmäßig in mehrere Slots angeboten haben.
Zeichnen sich aufgrund der Corona-Krise langfristige Veränderungen im Outplacement ab?
Sophia v. Rundstedt: Wir erleben bei unseren Klienten eine große Offenheit für das Arbeiten im virtuellen Umfeld. Die Bereitschaft, neue Tools auszuprobieren, ist sehr ausgeprägt. Auch neue, agile Formate, die wir während der Corona-Krise entwickelt haben, werden wir in Zukunft beibehalten, wie beispielsweise den „Lean Coffee“, bei dem die Teilnehmenden die Themen selbst setzen können.
Meine Einschätzung ist, dass die Bandbreite nicht nur unseres Angebots, sondern in der Arbeitswelt insgesamt größer werden wird. Die Corona-Krise wirkte in dieser Hinsicht wie ein Brandbeschleuniger, der eine Entwicklung vorantrieb, die sich bereits seit langem abzeichnet. Die IT wird demnach überall eine immer wichtigere Rolle spielen. Ich bin mir auch sicher, dass kein Unternehmen mehr auf die Home-Office-Option verzichten will. Es wird in Zukunft auf die richtige Mischung aus persönlich und virtuell ankommen. Auch wenn sich zahlreiche Aspekte des Recruiting-Prozesses virtualisieren lassen, wissen wir von zahlreichen Unternehmen, dass am Ende nach wie vor der persönliche Eindruck zählt.
Sophia von Rundstedt ist CEO der gleichnamigen Outplacement-Beratung. Sie unterstützt Unternehmen dabei, Trennungsprozesse verantwortungsvoll zu gestalten sowie im Rahmen von Workforce-Transformation-Projekten die Personalstruktur mittel- bis langfristig an den zukünftigen Bedürfnissen auszurichten.