Die Erwartungen von Geschäftsführung, Führungskräften und Mitarbeitenden an die Personalabteilung nehmen stetig zu. HR sollte sich moderne Technologien zunutze machen, um diesen gerecht zu werden. Annette Mainka, Vorständin bei Nagarro, gibt Empfehlungen für deren Einsatz und erläutert, welche Software in ihrem Unternehmen zum Einsatz kommt.
Das Personalmanagement hat sich in den vergangenen Jahren enorm verändert und steht nun vor dem nächsten Entwicklungsschub. Mit Blick auf die Zukunft rücken die Bereiche Employer Branding, Recruiting und Personalentwicklung und -bindung, Daten- und Technologiemanagement sowie Transformations- und Change-Management in den Fokus. Damit steigen natürlich auch die Erwartungen.
Strategisches Denken, kommunikative Skills, gepaart mit Kreativität und Empathie, sowie das Nutzen digitaler Tools und das Verständnis für Data Management werden immer wichtiger. Bedenklich ist, dass sich laut Umfragen nur knapp die Hälfte der Personalerinnen / Personaler gut auf die neuen Anforderungen vorbereitet fühlt. Weniger als ein Drittel betrachtet sich selbst als Experte. Personalerinnen / Personalern fällt es zunehmend schwer, den vielen Rollen gerecht zu werden und die Aufgaben zu erfüllen. Der Mehrheit fehlt es am Arbeitsplatz an Unterstützung, nur ein Drittel kann von der Arbeit abschalten.
Die Nachricht, dass sich Mitarbeitende in einem für Unternehmen sehr bedeutenden Bereich überfordert und überlastet fühlen, sollte ernst genommen werden. Die Arbeitswelt befindet sich in einem grundlegenden Paradigmenwechsel, von dem Personalerinnen / Personaler selbst betroffen sind und den sie gleichzeitig mitgestalten sollen.
Selber machen oder outsourcen?
In Anbetracht der dynamischen Entwicklungen rund um Themen wie demografischer Wandel, anhaltender Fachkräftemangel und New Work empfiehlt es sich, Prioritäten zu setzen. Welche Aufgaben sollte HR neu oder weiterhin übernehmen, welche an Technologien abgegeben und welche ganz outgesourced werden? Kriterien sind die erforderlichen Ressourcen, der Grad an Komplexität und der Wissensstand im Unternehmen.
Tendenziell eignen sich operative und administrative Themen wie die Gehaltsabrechnung eher für Outsourcing. Ein erfahrener Dienstleister stellt dann sicher, dass alle gesetzlichen, sozialversicherungsrechtlichen und tariflichen Anforderungen erfüllt werden. Kernprozesse wie Stammdaten managen, Arbeitszeiten erfassen, Vergütungs- und Zusatzleistungen verwalten, Personalkosten planen oder eben die Payroll können aber auch gut inhouse von Software unterstützt werden; bei länderübergreifenden Unternehmen kann dies auch sehr effizient global ausgerollt werden.
Software-Tools bilden bestenfalls den gesamten Lebenszyklus beziehungsweise Entwicklungspfad des/der einzelnen Mitarbeitenden ab. HR wird dadurch nicht nur entlastet, auch die Mitarbeitenden profitieren: Durch sogenannte Employee Self Services bekommen sie die Möglichkeit, Informationen eigenständig abzurufen und Daten zu ihrer Person, zur Zeiterfassung, zu Geschäftsreisen, Urlaub und Krankheit selber zu pflegen. Und zwar zeit-, orts- und geräteunabhängig – was einmal mehr dem Zeitalter des digitalen Wandels und New Works entspricht
Bleiben doch einmal Fragen bestehen, gehen die bestenfalls über ein Ticketsystem ein. Das bedeutet weniger E-Mails und Telefonate für Personaler und ein strukturierterer Ablauf bei der Beantwortung. Unterstützung kann zudem ein Chatbot bieten. Der virtuelle Assistent lernt durch Künstliche Intelligenz und Machine Learning sowie über Schnittstellen zu anderen Systemen nebenher mit und erweitert dadurch beständig das Repertoire.
Studien zufolge lassen sich 80 Prozent der Serviceinteraktionen durch einen gut konzipierten Bot bearbeiten. Personalerinnen / Personaler – oder die zuständige Führungskraft – sind dann im Idealfall für Spezialanfragen und Genehmigungen zuständig; geleitet durch Systembenachrichtigungen. Auch für ein persönliches Gespräch auf Augenhöhe bleiben sie Ansprechpartner – gerade in der digitalen Era ein wichtiger, weil menschlicher Aspekt.
Fokus auf strategische Themen
Im Schnitt verbringen Personalerinnen / Personaler drei Stunden pro Tag mit Verwaltungsaufgaben. Wenn sich diese Zeit deutlich reduziert, entsteht Raum für echte Wertschöpfung. Zum Beispiel für die strategische Personalentwicklung. Dazu gehört, Talente zu erkennen und fördern und Mitarbeitende fachlich, methodisch und persönlich so weiterzuentwickeln, dass es sowohl dem Bedarf und den Zielen des Unternehmens als auch deren Stärken und Interessen entspricht. Damit sichern sie in einer sich stark wandelnden Arbeitswelt den langfristigen Erfolg und die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens.
Doch selbst Maßnahmen zur Förderung, Qualifizierung und Weiterbildung können prima durch Technologie unterstützt werden. Dafür müssen Personalerinnen / Personaler das System mit entsprechenden Daten „füttern“. Kombiniert mit Künstlicher Intelligenz und Algorithmen werden Kompetenzen und Lücken schnell sichtbar. Dadurch können gezielt Trainings herausgesucht beziehungsweise empfohlen oder Fachkräfte rekrutiert werden.
Wichtig ist, das System ständig auf dem neuesten Stand zu halten. Sobald eine Schulung absolviert oder eine Stelle neu besetzt ist, muss diese Information hinterlegt werden – per Selbst-Eingabe durch den Mitarbeitenden oder automatisiert über eine Schnittstelle zu anderen Plattformen. Wer noch einen Schritt weitergehen will, gibt auch Projektinformationen, Zeitverfügbarkeiten, Rolle und Designation ins System ein. Das Tool matched dann die Skills von Mitarbeitenden mit den Anforderungen in Projekten und stellt bestmöglich Teams zusammen.
Technologie ersetzt nicht, sondern unterstützt
Bei Nagarro haben wir seit einigen Jahren eine solche Plattform im Einsatz. Sie nutzt „Nudge-Muster“, generative KI, Large Language Models und NLP-basierte Analysen, um den Zugriff auf den Wissensschatz im Unternehmen zu erleichtern, Arbeitsabläufe zu automatisieren und die Entscheidungsfindung zu unterstützen. Sie ist in fünf Bereichen im Einsatz und funktioniert über intuitive Texteingabe: Abfragen, Hinweis, Berichte und Updates, Umfragen und Feedback sowie Arbeitsanweisungen wie Terminkoordination.
Personalerinnen / Personaler werden durch das Tool nachweislich von vielen manuellen Bearbeitungsschritten entbunden, können sich auf ihre Kernaufgaben fokussieren und diese schneller erledigen. Sie nutzen es für Onboarding, People Enablement und zum Informationsaustausch. Über die Pull-Schiene können Fragen und Bedürfnisse der Mitarbeitenden wie Urlaubstage, Schulungs- oder Gesundheitsangebote bedient werden. Die Push-Schiene gibt individuell Anstöße für Feedback-Gespräche, Reviews oder Aus-und Weiterbildungsangebote. Grenzen sind dem Tool kaum gesetzt, wir müssen nur lernen, es richtig einzusetzen – als Unterstützung, nicht als Ersatz.
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Annette Mainka ist Vorständin bei Nagarro, einem weltweit führenden Unternehmen für Digital Engineering und börsennotiert an der Frankfurter Börse im TecDAX und SDAX. Ihr Aufgabengebiet ist vielfältig, besonders setzt sie sich für kulturelle und personelle Themen ein. Foto: Nagarro