Arbeitssicherheit ist mehr als Compliance und Technik – sie beginnt in der Unternehmenskultur. HR-Professionals tragen entscheidend dazu bei, eine nachhaltige Sicherheitskultur zu etablieren. Heike Munro, Geschäftsführerin der U-Tech GmbH, erläutert, welche Aufgaben HR dabei übernimmt.
Unfälle konsequent verhindern, gesundheitliche Risiken minimieren: Diese Ziele haben insbesondere für produzierende Unternehmen, die Maschinenparks betreiben, höchste Priorität. Schließlich ist jeder Arbeitsunfall verbunden mit erheblichen negativen Folgen, sowohl auf menschlicher Ebene als auch im Licht der juristischen Folgen. Meist steht die Compliance mit Vorschriften, Kontrollmechanismen und technische Schutzmechanismen im Vordergrund, wenn es um Risikoprävention geht.
Es besteht kein Zweifel, dass solche Maßnahmen von elementarer Bedeutung sind. Doch wer annimmt, dass Unternehmen der Frage nach maximaler Sicherheit damit Genüge getan haben, irrt. Vielmehr gestaltet sich Arbeitssicherheit wesentlich umfassender: Sie beginnt nicht auf rein operativer Ebene, sondern auf strategischer Ebene: bei der Unternehmenskultur. Es gilt, im Zusammenhang mit Sicherheit stehende Werte in der DNA eines Unternehmens zu verankern. Entscheidend ist ein sicheres und gesundes Arbeitsumfeld, innerhalb dessen Faktoren wie Sicherheitsempfinden und Risikominimierung priorisiert werden. Damit signalisieren Firmen ihren Mitarbeitenden, dass deren Sicherheit und Gesundheit ernst genommen werden. Mitarbeiter müssen dabei auch ermuntert werden, eigenverantwortlich und proaktiv mit Sicherheitsfragen umgehen.
Die Konsequenzen liegen auf der Hand: So kam das Forschungsinstitut IGES schon 2017 in einer für die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) durchgeführten Studie zu dem Schluss, dass eine gute Präventionskultur nicht nur die Arbeitssicherheit de facto erhöht, sondern auch psychische Erkrankungen wie Burnout oder emotionale Erschöpfung reduzieren kann. Gleichzeitig steige die Arbeitszufriedenheit, das Engagement und die Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten.
Die Rolle von HR in der Sicherheitskultur
Die Gestaltung einer positiven Unternehmenskultur ist eine originäre Aufgabe für Human Resources (HR) Professionals. Folglich haben diese auch eine zentrale Rolle inne bei der Etablierung einer nachhaltigen Sicherheitskultur, die über die bloße Einhaltung von Vorschriften hinausgeht. Ihre Aufgaben umfassen die Entwicklung von Werten und Leitlinien, die Organisation gezielter Schulungen und die Implementierung effektiver Feedback-Mechanismen.
Dabei geht es nicht nur um operative Maßnahmen, sondern auch um die strategische Verankerung des Themas in der gesamten Unternehmensvision. HR sollte kontinuierlich in die Entwicklung und Umsetzung entsprechender Konzepte eingebunden sein. Doch wie kann diese Aufgabe in der Praxis konkret ausgestaltet werden?
1. Leitlinien, Werte und Visionen

- Mission: Eine klare Mission, die Sicherheit als zentralen Wert definiert, ermöglicht Orientierung für alle Betroffenen in Unternehmen. HR sollte sicherstellen, dass Sicherheitsaspekte in den grundlegenden Unternehmenszielen verankert sind.
- Offene Kommunikation: Eine Kultur der offenen Kommunikation stärkt Vertrauen und ermöglicht es, auch kritische Themen wie potenzielle Risiken anzusprechen. Dies betrifft insbesondere diejenigen, die konkret an gefährlichen Maschinen arbeiten. Doch ebenso deren Führungskräfte. Je breiter das Thema kommuniziert wird und je klarer die Beschäftigten mit Sicherheitsfragen vertraut sind, desto besser die Risikoprävention.
- Inklusion: Mitarbeitende mit unterschiedlichen sprachlichen oder kulturellen Hintergründen müssen besonders berücksichtigt werden. Sprachliche Barrieren können Sicherheitsrisiken darstellen, wenn beispielsweise Warnhinweise nicht verstanden werden – es gilt, Sorge zu tragen, dass stets alle Betroffenen über nötige Sicherheitsmaßnahmen informiert sind.
2. Einbindung der Mitarbeitenden

- Jour Fixes und Meetings: Gerade in Teams, die an gefährlichen Maschinen arbeiten, sollte jeden Tag in Jour Fixes über Risiken und Sicherheit gesprochen werden. Besonders wichtig dabei: Die Rückmeldung der Mitarbeiter vor Ort mit Input zu potenziellen Gefahren.
- Partizipation: Mitarbeiter in Sicherheitskommissionen einzubinden und sie aktiv an Inspektionen und Problemlösungen zu beteiligen, fördert deren Verantwortungsbewusstsein. Es zeigt, dass bei Sicherheitsthemen eben gerade nicht über deren Köpfe hinweg entschieden wird.
- Feedback-Mechanismen: Digitale Plattformen oder Apps, über die Mitarbeitende Gefahren melden oder Ideen einbringen können, schaffen Transparenz und erleichtern die Beteiligung.
3. Schulung und Sensibilisierung

- Interaktive Trainings: Regelmäßige Schulungen zur Unfallprävention stärken das Bewusstsein für Risiken und vermitteln konkrete Handlungskompetenzen. Hier sollten Firmen über die ohnehin geltenden gesetzlichen Pflichten hinausgehen, um ein Höchstmaß an Sicherheit zu gewährleisten.
- E-Learning: Online-Kurse ergänzen klassische Schulungen und bieten flexible Lernmöglichkeiten. Sie sollten jedoch konkret auf die Situation der Mitarbeiter im jeweiligen Betrieb zugeschnitten sein. Reine Theorie-Kurse leisten wenige Beitrag zu mehr Sicherheit.
- Kommunikation: Poster, Slogans oder digitale Erinnerungen halten das Thema Sicherheit im Bewusstsein der Belegschaft. Diese sollten regelmäßig aktualisiert werden – denn das Auge gewöhnt sich an Hinweisschilder und blendet diese mit der Zeit aus, wenn sie nicht regelmäßig novelliert werden.
Technologie als Unterstützung: HR ist Brückenbauer
Die Einführung neuer Sicherheitstechnologien setzt eine enge Zusammenarbeit mit der Personalabteilung voraus, um Akzeptanz und Effektivität sicherzustellen. Systeme wie automatische Maschinenstopps erfordern das aktive Mitwirken der Mitarbeitenden. Beispielsweise müssen Transponder, die Teil solcher Systeme sind, konsequent am Arm getragen werden, um den Schutz zu gewährleisten. Ebenso ist sicherzustellen, dass Schutzeinrichtungen nicht umgangen werden, selbst wenn dies auf den ersten Blick Arbeitsprozesse erleichtern könnte.
Diese beiden Beispiele verdeutlichen, wie wichtig die Rolle von HR ist. Letztlich spielt HR eine entscheidende Rolle, indem sie Schulungen organisiert, Mitarbeitende in den Implementierungsprozess einbindet und durch kontinuierliches Feedback die Integration der Technologien in den Arbeitsalltag fördert.
Führungskräfte als Multiplikatoren
Bei der Entwicklung und Umsetzung einer authentischen Sicherheitskultur kommt es insbesondere auf Führungskräfte als Schlüsselfiguren an. Sie müssen nicht nur Sicherheitsziele vermitteln, sondern diese auch vorleben. HR kann hierbei etwa durch die Bereitstellung von Leitfäden und Best Practices unterstützen. Regelmäßige Mitarbeiterbefragungen und die transparente Kommunikation der Ergebnisse tragen dazu bei, Schwachstellen zu identifizieren und gezielte Verbesserungen umzusetzen.
Fazit: Sicherheitskultur als Erfolgsfaktor
Für HR-Professionals ist die Verknüpfung von Arbeitssicherheit und Unternehmenskultur eine strategische Aufgabe mit weitreichenden Effekten. Eine Kultur, die Sicherheit als integralen Bestandteil des Wohlbefindens der Mitarbeitenden versteht, erhöht nicht nur die Sicherheit, sondern auch die Zufriedenheit und das Engagement der Belegschaft. Letztlich sorgt sie für mehr Verbundenheit zum Unternehmen und kann damit die Mitarbeiterbindung stärken. Indem Personalverantwortliche gezielt Maßnahmen umsetzen und die Verantwortung für das Thema Sicherheit auf breitere Schultern verteilt, leisten sie somit einen wesentlichen Beitrag zum langfristigen Erfolg des Unternehmens.
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Heike Munro ist Geschäftsführerin der U-TECH GmbH. Der führende internationale Anbieter von Personenschutzsystemen unterstützt Industrieunternehmen dabei, die Sicherheit ihrer Mitarbeiter, die an gefährlichen Maschinen arbeiten, zu gewährleisten.