Schluss mit Langeweile – Warum KI kein Jobkiller ist

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KI ist kein Jobkiller, sondern die Chance auf weniger Langeweile im Arbeitsalltag, sagt Martin Rückert von Diamant Software. Wir sollten uns von Ängsten lösen.

KI – ein Fluch oder Segen für die Arbeitswelt? Viele Menschen haben Sorge, dass neue Technologien wie die Künstliche Intelligenz sie auf kurz oder lang ersetzen könnten. Bei all den Bedenken gegenüber KI wird aber häufig vergessen, dass die Technologie gerade auch Potenzial für neue Jobs bietet und den Menschen in seiner Tätigkeit viel mehr unterstützt als ersetzt.

Neue Technologien werden in der heutigen Zeit schneller denn je entwickelt. Anhand der vielfältigen Diskussionen zeigt sich allerdings, wie unterschiedlich Länder damit umgehen und auf Neuerungen reagieren. Deutschland gehört hierbei oft zu den Skeptikern und diskutiert vor allem mögliche Gefahren ganz genau. Das ist richtig und wichtig, um zu verhindern, dass Technologien missbraucht werden.

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Die Europäische Kommission hat im Hinblick darauf auch einen Entwurf vorgelegt, der genau das verhindern soll. Ziel dessen ist es unter anderem Social Scoring Systeme, wie wir sie aus China kennen, zu unterbinden. Doch genau solche Regulierungen führen auch dazu, dass technologischer Fortschritt, wie die Künstliche Intelligenz, Angst schürt – gefundenes Fressen für alle Skeptiker. So wichtig es auch ist, Regulierungen einzuführen, ebenso wichtig ist es, die Diskussion rund um Künstliche Intelligenz positiver zu gestalten. Denn neben all den Risiken und Gefahren, bietet die KI viele Chancen, die bisher nur wenig adressiert werden. Dazu gehört, dass KI dabei helfen kann, Fehler zu vermeiden und repetitive Aufgaben zu übernehmen.

Eine Bitkom-Umfrage aus 2020 zeigt, wie skeptisch die Deutschen gegenüber der Künstlichen Intelligenz wirklich sind. 44 Prozent aller Befragten gaben an, dass sie insbesondere im Arbeitsalltag Gefahren durch die KI sehen. 73 Prozent teilten ihre Bedenken, dass durch den Einsatz von KI eine stärkere Kontrolle der Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmer an der Tagesordnung stehe. 65 Prozent und damit zwei Drittel der Befragten, fürchten sich vor dem KI-bedingten Abbau von Arbeitsplätzen.

Digitalisierung: Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Die Konsequenz einer skeptischen Auseinandersetzung mit KI liegt dabei auf der Hand: Es entsteht in Deutschland in Bezug auf Digitalisierung eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit. In der Realität zeigt sich, dass lediglich eine von zehn Behörden eine Digitalstrategie hat – in einem bürokratischen Land wie Deutschland ein gravierender Fakt. Ebenso dramatisch sieht es bei den Mitgliedern des Verbands der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (VDE) aus. 67 Prozent der Befragten gaben an, dass sie in Bezug auf KI mittelmäßig oder schlecht aufgestellt sind. Für ein Land, das lange technologischer Vorreiter gewesen ist und weiterhin sein möchte, kann diese Realität wirtschaftlich gesehen schwerwiegende Folgen nach sich ziehen.

Neben all den kritischen Stimmen sagen laut der Bitkom-Umfrage 45 Prozent, dass KI dabei hilft, Fehler zu vermeiden. Ebenso viele stimmen zu, dass durch KI eintönige repetitive Tätigkeiten reduziert werden und die Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmer sich auf interessantere Aufgaben fokussieren können. Und genau hier liegen die Kernkompetenzen der KI.

Chance auf weniger Langeweile im Arbeitsalltag

Das Potenzial der Künstlichen Intelligenz ist enorm. Jedoch sehen bisher viele Menschen KI-Anwendungen in nur ganz bestimmten Bereichen, wie im autonomen Fahren oder in Software, die der Gesichtserkennung dient. Klar, diese prominenten Beispiele werden in den Medien rauf und runter gespielt. Doch KI kann in vielen weiteren Bereichen eingesetzt werden und so eine Reihe von Prozessen im Berufsalltag optimieren. Hand aufs Herz: Wer wird es schon vermissen, Excel-Tabellen nach Unstimmigkeiten zu sichten? Die KI kann das viel besser als der Mensch. So können beispielsweise viele Arbeitsschritte mit großen Datenmengen im Rechnungswesen an die Technologie ausgelagert werden. Das ist nur ein Beispiel von vielen. Der Philosoph Richard David Precht hat es in einem Interview ganz passend formuliert: “Wer will denn zurück in eine Arbeitswelt, in der man völlig formatierte, stupide Tätigkeiten macht.” Ganz klar: KI ist kein Jobkiller, sondern die Chance auf weniger Langeweile im Arbeitsalltag.

KI bietet viele Chancen

Obwohl Deutschland das Land der Skeptiker zu sein scheint, begrüßen viele die Technologie in den unterschiedlichsten Bereichen. So wünschen sich 75 Prozent der Befragten allem voran den Einsatz von KI in der Pflege. Mit 73 Prozent landen Ämter und Behörden auf den zweiten Platz. Den dritten Platz belegt der Bereich Medizin mit 67 Prozent. Es ist wichtig hervorzuheben, dass die genannten Branchen immens von der Technologie profitieren würden. Dabei ist es auszuschließen, dass mit dem Einsatz der KI die zwischenmenschliche Interaktion entfällt. Vielmehr können Pflegerinnen / Pfleger sich mehr um Patientinnen / Patienten kümmern, weil die KI den lästigen Papierkram übernehmen kann. In Ämtern und Behörden können Anträge schneller bearbeitet werden, sodass noch Zeit für Anliegen der Bürgerinnen / Bürger bleibt. Und in der Medizin kann die KI bei Diagnosen unterstützen und Krankenakten verwalten. Eine Frage bleibt: Wenn die KI so viele Chancen und Möglichkeiten bietet, uns den Arbeitsalltag zu erleichtern, warum sind wir nicht viel offener dafür?

Mangelnde Informatik-Bildung erschwert Verständnis für neue Technologien

Dies kann unter anderem auch an mangelnder Informatik-Bildung liegen. Die Studie der Gesellschaft für Informatik zeigt, dass Deutschland vor einem essentiellen Problem steht, wenn es um neue Technologien wie KI geht. Denn der Arbeitsmarkt braucht dringend Nachwuchs an KI-Expertinnen / -Experten, doch die nötige Programmierausbildung an deutschen Schulen lässt zu wünschen übrig. Aber genau die ist wichtig, um solide Informatik-Kenntnisse zu erwerben, um später informiert über KI, dessen Chancen und Risiken diskutieren zu können und die nationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.

Insgesamt wäre es wünschenswert, wenn eine positive Sichtweise stärker in den Diskussionen in Deutschland rund um KI stattfindet. Wir sollten uns von den Ängsten und potenziellen Gefahren lösen, über Utopien nachdenken. Offen dazu sein, wie die Künstliche Intelligenz uns unser Leben erleichtert und welche Lebensqualität wir durch den Einsatz der Technologie gewinnen können.

Foto Martin Rückert

Martin Rückert ist CAIO (Chief Artificial Intelligence Officer) bei Diamant Software, dem Spezialist für digitalisierte und automatisierte Rechnungswesen- und Controlling-Software in mittelständisch geprägten Organisationen und und Leiter des KI-Kompetenzzentrums des Unternehmens am Standort der Uni Darmstadt.

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