Für eine langfristige Wettbewerbsfähigkeit ist es entscheidend, dass sich HR neu erfindet und ein mehrdimensionales Rollenverständnis etabliert, sagt Leonard Kluck, Leiter HR Excellence bei Dr. Wieselhuber & Partner. Seine Meinung: Ein zukunftsorientiertes HR-Management ist ein präsenter Sitznachbar am Tisch der „strategischen Entscheider“.
Unser Geschäftsumfeld wandelt sich rasant – die deutsche Bundesregierung spricht von einer „Zeitenwende“ und „der größten Transformation der deutschen Industrie seit mindestens 100 Jahren“. Die Pax Americana steht im globalen Wettbewerb unter massivem Druck; Markt- und Produktwelten sowie interne Organisationen werden zunehmend komplexer und damit kostenintensiver. Gleichzeitig stellen Anforderungen aus den Bereichen Digitalisierung, Klima und Mensch sowie daraus resultierende veränderte Arbeitswelten unsere Unternehmen vor die Gefahr, unwiderruflich abgehängt zu werden.
Transformationseffekte finden zu wenig Beachtung
Besonders die eher schleichenden Transformationseffekte in der Arbeitswelt und die Art und Weise unserer Zusammenarbeit finden oft zu wenig Beachtung. Der demografische Wandel hat längst zu einer Verschiebung vom Arbeitgebermarkt zum Arbeitnehmermarkt geführt. Die neuen Arbeitnehmergenerationen bringen alternative Konzepte von Arbeit und Organisation mit, die tiefgreifende Veränderungen im Unternehmensalltag bewirken.
Doch werden die daraus resultierenden Anforderungen an strategische Personalplanung, Recruiting-Initiativen, HR-Retention und Personalentwicklung wirklich hinreichend berücksichtigt, um Resilienz, Wachstumsstabilität und Innovationskraft sicherzustellen? Wenn sich Unternehmen angesichts dieser Herausforderungen nicht frühzeitig zukunftsfest aufstellen, drohen sie auf dem globalen oder lokalen Arbeitsmarkt mittelfristig unterzugehen.
Eine Schlüsselrolle in diesem Transformationsprozess kommt der HR-Funktion zu. Für nachhaltige Ertragskraft und langfristige Wettbewerbsfähigkeit ist es entscheidend, dass sich HR selbst neu erfindet und ein mehrdimensionales Rollenverständnis etabliert.
HR als „strategischer Planer“ der Business Transformation
In der Vergangenheit, als Bewerbende Schlange standen und man sich beliebig den/die perfekte(n) Wunschkandidaten / Wunschkandidatin aussuchen konnte, musste vielerorts nur wenig Wert auf eine feinabgestimmte Personalsuche oder ein gezieltes Personalentwicklungs- und Retention-Programm gelegt werden. Diese Zeiten sind allerdings zumeist vorbei. Eine aktuelle Studie der ManpowerGroup zeigt, dass der Fachkräftemangel weltweit auf einem neuen Höchststand angekommen ist. Allein in Deutschland haben 82 Prozent der Unternehmen unter Vakanzen zu leiden. Gleichzeitig steigt der Transformationsbedarf in Europa und vor allem im mittelständisch geprägten Deutschland weiterhin stark an.
In diesen Zeiten bleibt gar nichts anderes übrig, als sich im HR-Management-Kontext vorausschauend essenzielle Fragen zu stellen:
Wie wirke ich auf meine Arbeitnehmer als Unternehmen? Was kann ich ihnen bieten, sodass sie langfristig im Unternehmen verbleiben? Auf welchen Portalen schalte ich meine Bewerbungen?
Diese und viele weitere Fragen können alle isoliert und alleinstehend beantwortet werden, entfalten aber nur dann eine langfristig substanzielle Wirkung, wenn sie in eine ganzheitliche, integrative HR-Strategie eingebettet sind und den transformatorischen Kontext der jeweiligen Unternehmung berücksichtigen. HR als „Planer“ der Transformation muss von der strategischen Personalplanung, der wohldurchdachten Mitarbeiterbindung und -entwicklung, den anforderungs-spezifischen HR-Services sowie stakeholderfokussierten Recruiting- und Offboarding-Konzepten, alles Wesentliche berücksichtigen.
Dabei ist auch noch darauf zu achten, dass die HR-Organisation selbst aufbau- bzw. ablauforganisatorisch performance-orientiert aufgestellt ist. Definitiv keine leichte Aufgabe, aber erfolgskritische Notwendigkeit, um unternehmensweite transformatorische Programme stringent und vorausschauend mitzugestalten.
HR als „Navigator“ in der Transformation
Besonders im Hinblick auf die sich disruptiv wandelnde Arbeitswelt muss jede HR-Strategie in enger Verzahnung zur organisatorischen Transformation stehen. Viele Unternehmen drohen an dem Spagat aus HR-strategischen Notwendigkeiten und konkreten Transformationsanforderungen zu zerbrechen. Dies liegt unter anderem daran, dass jede organisationale Veränderung immer mit signifikanten Personal- und Kulturrisiken behaftet ist.
Auf dem Weg zu einer nachhaltig erfolgreichen Gesamtorganisation werden Sie fast unausweislich Fehler machen, auf Mitarbeiterwiderstände stoßen und zwischenzeitliche Effizienz-, Innovations- sowie Commitment-Verluste in Kauf nehmen müssen. Doch genau in diesen unsicheren Phasen des Wandels benötigt es ein fokussiertes und resilientes HR-Management, welches den Veränderungsprozess ganzheitlich begleitet bzw. steuert und die Organisation aus dem „Tal der Tränen“ in den sicheren Hafen führt.
HR als konsequenter Entscheidungsträger
Entschlossene Entscheidungsträger / Entscheidungsträgerinnen werden nur jene, die mittelfristig an den Tisch der Entscheider rücken. Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass Unternehmen ihre organisationalen und personellen Herausforderungen nur dann erfolgreich meistern können, wenn sie das Thema HR konsequent und mit derselben Bedeutung wie die übrigen Unternehmensfragen behandeln.
Ein entscheidender Schritt in diese Richtung ist die Übernahme der vollen Verantwortung für den Personalkostenblock durch das HR-Management. Dies bedeutet, dass HR-Manager/-innen nicht nur die Personalplanung und -entwicklung steuern, sondern auch die finanziellen Aspekte der Personalarbeit überwachen, steuern und optimieren.
Last but not least – Wer nicht wagt, der definitiv verliert!
Nur ein HR-Management als eine treibende Kraft der Business Transformation, als Navigator des Wandels und konsequenter Entscheidungsträger kann einen nachhaltigen Unternehmenserfolg, mit hoher Wettbewerbsfähigkeit und Ertragskraft sichern. Unternehmen müssen sich den neuen Lebensrealitäten stellen und die Rolle des HR-Managements in der Organisation grundlegend überdenken. Ein zukunftsorientiertes HR-Management ist nicht länger nur eine administrative Funktion, sondern ein präsenter Sitznachbar am Tisch der „strategischen Entscheider“!
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Leonard Kluck ist Head of HR Excellence bei der Management-Beratung Dr. Wieselhuber & Partner (W&P).