RiseHY: Individuelle Karrieren für benachteiligte Jugendliche formen

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Peggy Focheux Duval ist Programm-Managerin bei Hyatt für RiseHY, eine Initiative zur Förderung von benachteiligten Jugendlichen. Deren Ziel: Junge Menschen mit Karriereoptionen im Hospitality-Gewerbe zu verbinden. Sie erläutert, warum der Schlüssel dazu in einem hyper-individuellen Ansatz liegt.

In der Hotellerie und im Gastgewerbe fehlen alleine in Deutschland Tausende von Arbeitskräften. Das Institut der deutschen Wirtschaft ging im August letzten Jahres von knapp 44.000 offenen Stellen im Hospitality-Gewerbe aus, dem gegenüber standen nur gut 29.000 qualifizierte Arbeitssuchende. Es ist kein Geheimnis, dass gerade die Hotellerie besonders stark betroffen ist. Hier konnten 42,8 Prozent der offenen Stellen nicht mit qualifiziertem Personal besetzt werden.

In der Gastronomie waren es 40,1 Prozent. Aufgrund der gestiegenen Nachfrage nach Reisen und Freizeitaktivitäten nach der Corona-Pandemie wird der Personalbedarf gerade in diesen Bereichen in den nächsten Jahren sogar noch wachsen.

Gleichzeitig zeigen aktuelle Statistiken, dass zwei von fünf jungen Menschen weltweit arbeitslos sind oder trotz Arbeit dennoch in Armut leben. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) geht davon aus, dass mehr als 23 Prozent der weltweit etwa 1,2 Milliarden jungen Menschen keine Arbeit haben – und die Organisation rechnet damit, dass dieser Prozentsatz in den nächsten Jahren steigen wird und die 25-Prozentmarke erreichen könnte.

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Talent ist unter allen Menschen gleichmäßig verteilt, Chancen sind es nicht

RiseHY: Individuelle Karrieren für benachteiligte Jugendliche formen
Envato/Rawpixel

Die Aufgabenstellung an Unternehmen, insbesondere in der Hotellerie und Gastronomie, ist also klar: Mehr qualifizierte junge Menschen zu rekrutieren und ihnen dabei zu helfen, sich langfristig weiterzuentwickeln. Doch wie können sich Firmen ideal aufstellen, um genau das zu tun?

Bei allem, was im Bereich der Jugendförderung unternommen wird, sollte vor allem eines bedacht werden: Talent ist unter allen Menschen gleichmäßig verteilt, Chancen allerdings nicht. Und genau hier kann eine erfolgreiche Personal-Strategie für Unternehmen in der Hotellerie und Gastronomie ansetzen: Es gibt viele junge Menschen, die weder zur Schule gehen noch arbeiten und somit vom Arbeitsmarkt abgekoppelt sind. Diese „Opportunity Youth“, wie sie bei Hyatt genannten wird, stellt als Gesamtheit ein großes Potential und eine riesige Win-Win-Situation dar, die es zu nutzen gilt.

Eine „One size fits all“-Strategie funktioniert nicht

Wer als Unternehmen diese Chance wahrnehmen will, kann allerdings nicht auf eine einfache „One size fits all“-Strategie hoffen. Ein vollkommen individuelles und flexibel angepasstes Programm, bei dem jede einzelne Person wahrgenommen und wertgeschätzt wird, ist der aufwändige, aber nachhaltige Weg.

Wenn man den Personalmangel global und nicht nur lokal angehen möchte, steht man dabei zunächst einmal vor der Herausforderung, dass die Startbedingungen der Teilnehmenden in den verschiedenen Ländern völlig unterschiedlich aussehen können. Manche Jugendliche brauchen eine grundsätzliche Einführung im Bereich finanzielle Bildung, da sie vor der Anstellung vielleicht noch nie ein Bankkonto besessen haben. Es muss also das Ziel sein, jeden jungen Menschen so zu sehen, wie er ist – mit allen bereits vorhandenen Fähigkeiten und allen Bereichen, in denen es noch besonderer Förderung bedarf.

Soft Skills stehen zunächst im Vordergrund

Frau arbeitet am Laptop
Envato/Prostock-studio

Hyatt tut dies in vielen Ländern durch die Zusammenarbeit mit einer NGO, die zunächst einmal eine Art Basistraining mit den Teilnehmenden durchführt, um sie fit für einen Beruf im Bereich Hospitality zu machen – häufig geht es hier erst einmal um die Soft Skills: Teamfähigkeit, Kommunikation, Organisationstalent und Kritikfähigkeit. Auffällig ist, dass viele der sozial benachteiligten Jugendlichen durch ihre Herkunft und das, was sie bereits erlebt haben äußerst empathisch sind und diesbezüglich einen echten Vorteil haben.

Andererseits fehlt es vielen jungen Menschen besonders anfangs an Vertrauen – in sich selbst und die eigenen Fähigkeiten oder in die Tatsache, dass sie für eine Position im Gastgewerbe geeignet sind. Durch die kontinuierliche und vor allem individuelle Förderung gelingt es mit der Zeit ganz nebenbei Selbstvertrauen aufzubauen, während parallel die neuen Aufgaben und grundsätzlichen Kenntnisse im Bereich Hospitality erlernt werden.

Auch hier, in diesem ersten Teil des Programms gilt es allerdings flexibel zu sein, denn in einigen Ländern gibt es keine passende Organisation, die Unternehmen bei der Schulung von qualifiziertem Personal unterstützt. In solchen Fällen bindet Hyatt die Teilnehmenden direkt in einem ihrer Hotels ein; die Basis-Ausbildung beginnt sozusagen „in-house“.

Persönliches Lerntempo berücksichtigen

Marathonläufer
Twenty20/@brianlugenbuhl

Nach der Aufbau-Phase geht es dann für alle Jugendlichen in die verschiedenen Hotels, wo sie weiter und vor allem konkreter geschult und ausgebildet werden. Dabei ist es Hyatt ein Anliegen, dass die jungen Frauen und Männer die Möglichkeit haben, verschiedene Bereiche kennenzulernen und festzustellen, welche davon ihr Interesse wecken. Wie ist die Arbeit in der Küche? Wie gefällt mir das Housekeeping? Wie sieht der tägliche Ablauf im Restaurant aus?

Dabei wird auch das persönliche Lerntempo der jungen Menschen berücksichtigt. Die Programmverantwortlichen sind dazu im kontinuierlichen Austausch mit den jeweiligen AnsprechpartnerInnen im Hotel: Jede und jeder soll die bestmögliche Unterstützung erhalten, um sich entfalten zu können.

Wie das im Detail aussieht, wissen die Verantwortlichen vorher oft auch noch nicht, da die Bedürfnisse der Jugendlichen sehr persönlich sind. Ein gutes Programm setzt also im Hier und Jetzt, beim akut anfallenden Bedarf seiner Teilnehmenden, an. Wichtig ist in erster Linie, diese Bedürfnisse zu sehen und zu verstehen – um dann die Möglichkeit zu haben, gezielt auf sie einzugehen und den jungen Menschen so nicht nur eine Ausbildung und später ein Beschäftigungsverhältnis zu bieten, sondern auch die Basis für eine langfristige Karriere im Gastgewerbe zu schaffen.

Dauer des Programms ist individuell

Die Jugendlichen werden dadurch im Schnitt nach drei bis sechs Monaten in den regulären Hotelbetrieb übernommen. In der Hotellerie und Gastronomie entwickelt man nach dieser Zeit meist grundlegende Fähigkeiten und ist mit allem ausgestattet, was es braucht, um die angestrebte Position auszufüllen. Die Dauer des Programms ist allerdings sehr individuell, in manchen Ländern und für manche Teilnehmenden geht es deutlich schneller, andere benötigen mehr und gezieltere Schulung. Wieder ist der entscheidende Faktor die Flexibilität.

Der größte Vorteil einer solchen individuellen Initiative ist, dass Unternehmen dadurch nicht nur kurzfristig ein Loch in ihrer Personalplanung stopfen, sondern die am Programm beteiligten Mitarbeitenden langfristig und nachhaltig an sich binden. Neben den Jugendlichen, die häufig viele Jahre in der Firma tätig bleiben, befördert werden, Karrierechancen nutzen und zum Vorbild für zukünftige Teilnehmende des Programms werden, sind es häufig auch die ausbildenden MentorInnen in den Hotels, die durch dieses Engagement eine starke Bindung an ihren Arbeitgeber erleben und auf Dauer dortbleiben möchten.

Zahlreiche persönliche Werdegänge der Programm-TeilnehmerInnen geben dieser sehr individuellen Strategie Recht: So gibt es im Unternehmen beispielsweise auch eine ehemalige „RiseHYer“-Angestellte, die es mittlerweile zur General Managerin in einem der Hyatt-Hotels geschafft hat.

Über das RiseHY-Programm

Das RiseHY-Programm von Hyatt ist eine Initiative, die darauf abzielt, bis 2025 weltweit 10.000 sozial-benachteiligten Jugendliche einzustellen. Seit Gründung des Programms 2018 förderte das Unternehmen bisher die Karriere von 5.700 sogenannten „Opportunity Youth“, jungen Menschen, die weder zur Schule gehen noch arbeiten. Bis heute haben mehr als 400 Hotels in 65 Ländern an der Initiative teilgenommen.

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Foto Peggy Focheux Duval

Peggy Focheux Duval begann ihre Karriere bei Hyatt im Jahr 1997 als Praktikantin. Im Laufe der Jahre führten Peggys Engagement und ihr Fachwissen sie in verschiedene Führungspositionen, unter anderem als Director of Human Resources im Hyatt Regency Paris Charles de Gaulle und Director of Learning and Development Frankreich, eine Position, die sie von 2013 bis 2023 innehatte. Seitdem leitet sie das RiseHY-Programm. Foto: Hyatt

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