„Wir brauchen eine Revolution der Unternehmenskultur“

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Auf dem Arbeitsmarkt fehlen bis 2035 mehr als fünf Millionen Erwerbstätige. Eine Revolution der Unternehmenskultur ist gefordert.

In den nächsten 15 Jahren wird sich die deutsche Wirtschaft drastisch wandeln: Die Baby-Boomer arbeiten nicht mehr. Auf dem Arbeitsmarkt fehlen dann mehr als fünf Millionen Erwerbstätige. Gemeinsam mit den Kooperationspartnern StepStone, New Work SE und Kienbaum Consultants stellte am 11. November das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ein Gutachten vor, wie diese Herausforderung bewältigt werden kann.

Betriebliche Potenziale zur Förderung des Produktivitätswachstums

Vor allem Unternehmen sind gefragt, ihre Produktivität zu erhöhen. Die deutschlandweite Beschäftigten- und Unternehmensvertreterbefragung unter 7.920 Personen im Juni 2021, die im Zuge des Gutachtens durchgeführt wurde, zeigt hier Handlungsmöglichkeiten auf. Sie wurde mit dem Ziel konzipiert, Merkmale zu identifizieren, die zu einer Stärkung des Produktivitätswachstums beitragen können. Laut der aktuellen Umfrage denken derzeit 75 Prozent der Beschäftigten mindestens gelegentlich über einen Jobwechsel nach. Allerdings entscheiden sich am Ende tatsächlich nur 11 Prozent für einen Arbeitgeberwechsel. (Quelle: IW Gutachten, S.44f.).

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Eine Revolution der Unternehmenskultur ist überfällig

 

Für den Arbeitsmarkt brauchen wir eine Revolution der Unternehmenskultur

Petra von Strombeck
Petra von Strombeck ©New Work SE

„Es wird Zeit der Realität ins Auge zu sehen: Wir brauchen nichts weniger als eine Revolution der Unternehmenskultur am Arbeitsmarkt. Wenn Unternehmen sich nicht verändern, werden sie in Zukunft keine Beschäftigten haben. Die Babyboomer gehen in Rente, die anderen laufen weg. Beschäftigte suchen sich heute den Arbeitgeber, der kulturell zu ihnen passt. Da war Corona die erste Welle, aber der Tsunami wird folgen. Die Folgen von Fachkräftemangel und alternder Gesellschaft sind bei vielen Unternehmen noch gar nicht angekommen.“

Petra von Strombeck, Vorstandsvorsitzende der New Work SE.

Gründe für den Jobwechsel

  • Beschäftigte haben natürlich ein Interesse an harten Fakten (Geld, Titel, Aufstieg etc.), aber sie haben auch ein großes Interesse an vermeintlich weichen Faktoren wie der Unternehmenskultur.
  • Aus Unternehmenssicht ist Geld der wichtigste Wechselgrund von Beschäftigten (42,5 Prozent), gefolgt von Karriereoptionen (36 Prozent) und knapp dahinter auf Rang 3, dem Betriebsklima (34 Prozent).
  • Aus Sicht der Beschäftigten ist neben Gehalt (49 Prozent) und Karriere (43 Prozent) auch das Betriebsklima (38 Prozent) wichtiges Motiv für den Jobwechsel. (alle Angaben, IW Gutachten, S. 47)
  • Dabei wirkt sich die Art der Zusammenarbeit positiv auf die Mitarbeiterbindung aus. Eine sinnstiftende Tätigkeit, Handlungs- und Mitgestaltungräume sowie klarer Kommunikationsstil binden laut Studienautoren die Beschäftigten. (Quelle: IW Gutachten, S. 50f.)

Grafik Wechselgründe Beschäftigter

Innovationsfähigkeit braucht Mut zur Eigenverantwortung

  • Ein Schlüssel, um die Produktivität zu erhöhen, liegt im Ausbau der Innovationsfähigkeit von Deutschland. Dabei fördert nur jedes zweite Unternehmen (53 Prozent) aus Sicht der Beschäftigten eigenverantwortliches Arbeiten und Entscheiden.
  • Bei Unternehmen, die aus Sicht der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter innovativ sind, sagen dagegen zwei von drei Beschäftigten (66 Prozent), dass ihr Arbeitgeber eigenverantwortliches Arbeiten und Entscheiden fördert. (alle Angaben, Quelle: IW Befragung, S.7)
  • Unternehmen, die innovativ sind, setzen laut Studienautoren auf eine offene Fehlerkultur, klare Zielvorgaben, eigenverantwortliches Handeln der Beschäftigten, Gestaltungsoptionen und interdisziplinäre Teams.
  • Eine offene Fehlerkultur erhöht nachweislich Innovationsfähigkeit und Arbeitszufriedenheit.

„Um in Zukunft produktiver zu sein, brauchen wir ein neues Verständnis von Arbeit. Wir können Innovationen nicht ,preußisch‘ von oben verordnen, sondern brauchen Eigenverantwortung und Teamwork. Hierzulande fördert nur jedes zweite Unternehmen eigenverantwortliches Arbeiten und Entscheiden. Das ist, gelinde gesagt, ausbaufähig.“

Petra von Strombeck, NEW WORK SE.

Digitale Transformation wird von Beschäftigten positiv bewertet

  • Die Zufriedenheit mit dem Job steigt: Menschen, die ihr Unternehmen selbst als veränderungsbereit beschreiben, sind zufriedener mit ihrem Job als Menschen, die das nicht von ihrem Unternehmen behaupten.
    * 57 Prozent der Befragten, die in einem Unternehmen mit Transformationserfahrung arbeiten, sind sehr zufrieden oder zufrieden mit den Arbeitsinhalten in ihrem Job.
    * Bei Unternehmen, in denen die digitale Transformation keine große Rolle spielt, sind nur 50 Prozent der Befragten zufrieden mit den Arbeitsinhalten in ihrem Job. (Quelle: IW Befragung, S.7)
  • Die Arbeitgeberbindung erhöht sich: Beschäftigte bleiben gleichzeitig ihrem Unternehmen erhalten, wenn sie ihre persönliche Arbeit als sinnvoll erachten.
    * Bei sinnvoller Tätigkeit denkt fast die Hälfte der Befragten (50 Prozent) nie oder nur wenige Male im Jahr über Jobwechsel nach.
    * Bei nicht sinnvoller Arbeit sind es nur ca. 20 Prozent, die nicht oder wenige Mal im Jahr über einen Jobwechsel nachdenken. (Quelle IW Befragung, S.13)

Revolution der Unternehmenskultur: Mitarbeiterbindung im Fokus

Methodik

Für die makroökonomische Analyse des IW Gutachtens haben die Wissenschaftler drei Zukunftsszenarien simuliert: ein Basis-, Negativ- und Positivszenario mit jeweils unterschiedlichen Annahmen zu Arbeitsvolumen (Anzahl der Erwerbstätigen), Kapitaleinsatz sowie technologischem Fortschritt.

Die IW/Kienbaum/NEW WORK/StepStone-Befragung unter 7.920 Personen zwischen 18 und 67 Jahren fand im Juni 2021 statt. Die Stichprobe gliedert sich in 2.399 Führungskräfte, Beschäftigte mit Rekrutierungsverantwortung oder Selbstständigen mit Beschäftigten als
Unternehmensvertreter und 5.521 Beschäftigte ohne Führungs- und Rekrutierungsverantwortung. Arbeitsuchende, Schüler, Studenten, Auszubildende, Rentner sowie Freiberufler und Solo-Selbstständige waren nicht Teil der Befragungsstichprobe.

Hier gibt es weitere Infos.

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