Schwachstellen KPIs, KI, Automatisierung – der Recruiting-Reifegrad von Unternehmen

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Nur rund 19 Prozent der Unternehmen arbeiten auf einem professionellen Niveau. Dies ergibt die Recruiting-Reifegrad-Studie 2024. Michael Witt von Lebenswelt Recruiting schildert, wo HR gut aufgestellt ist und wo in der Recruiting-Organisation Handlungsbedarf besteht.

Der Fachkräftemangel setzen deutschen Unternehmen zu. Wichtiger denn je ist es, die eigenen Recruiting-Strategien gezielt zu verbessern. Ansatzpunkt bietet dabei die Recruiting-Reifegrad-Studie 2024 von Michael Witt und Stellenanzeigen.de. In ihr wird der Entwicklungsstand der Recruiting-Organisation von Unternehmen in Deutschland ermittelt – und deren Schwachstellen aufgedeckt.

49 Milliarden Euro mehr Produktionspotenzial! Das geht deutschen Unternehmen 2024 verloren aufgrund des Arbeitskräftemangels, wie eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft ergibt. Der anhaltende Fachkräftemangel sorgt dafür, dass viele Unternehmen nicht mit voller Kapazität produzieren können. Daran ändert auch die derzeitig schwierige wirtschaftliche Lage nicht viel. Diese Zahl zeigt, in welchem Dilemma Personalabteilungen und Rekrutierende derzeit stecken. Und sie zeigt, dass Unternehmen mehr denn je wissen müssen, wie sie trotz personeller Engpässe effektiv rekrutieren und die Personalgewinnung professionalisieren.

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Recruiting-Reifegrad: Recruiting-Organisation zeigt deutliche Defizite

Umso ernüchternder ist das Ergebnis der diesjährigen Recruiting-Reifegrad-Studie. Diese ergibt, dass deutsche Recruiting-Organisationen nur unzulänglich aufgestellt sind. Das Problem der allermeisten Organisationen ist hierbei der mangelnde Einsatz von KI und Automatisierung sowie der unstrukturierte Umgang mit KPIs. Die Auswertung macht deutlich: Zwar ist die Recruiting-Organisation bei den meisten Unternehmen bereits gut etabliert, aber mit zu vielen Schwachstellen. Auffällig ist, dass nur rund 19 Prozent der Unternehmen auf einem professionellen Niveau arbeiten und nur 3,4 Prozent der Unternehmen über eine exzellente Recruiting-Organisation verfügen.

Grafik Recruiting-Reifegrad Stufen

 

Im Rahmen der Recruiting-Reifegrad-Studie wurden 464 Recruiting-Verantwortliche aus Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden befragt. Anhand ihrer Antworten wurden die Kompetenzen der Unternehmen auf einer 5-Stufen-Skala bewertet. Von Ad-hoc (1) über Fortgeschritten (2), Etabliert (3) und Professionell (4), bis hin zu Exzellent (5) wurden die Unternehmen anhand der Selbstauskunft der Mitarbeitenden bewertet. Die fünf Hauptbereiche, die zur Bewertung standen, waren Strategie und Operations, Struktur und Steuerung, Recruiting-Prozesse und Erfolgsmessung, IT-Systeme und Automatisierung sowie Recruiting-Skills und kultureller Einfluss.

Recruiting hat einen durchschnittlichen Reifegrad von 3,1

Dabei kommt heraus, dass die befragten Unternehmen nur einen durchschnittlichen Recruiting-Reifegrad von 3,1 vorzuweisen haben. Das könnte besser sein. Sehr gut etabliert sind dabei Themen wie gefestigte Bewerber-Management-Systeme im Bereich Strategie und Operations mit Reifegrad 4. Auch erreicht knapp die Hälfte der Organisationen in den fünf Hauptbereichen eine solide Reife. Besonders gut schneidet der Bereich Skills und Kultur ab, der mit einem durchschnittlichen Reifegrad von 3,4 leicht über dem Durchschnitt liegt.

Grafik Recruiting-Reifegrad Reifegradverteilung

 

KI steckt in vielen Unternehmen noch in den Kinderschuhen

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Recruiting stellt sich als besonders schlecht heraus. Hier erreicht der Reifegrad im Schnitt gerade mal 1,5. Trotz intensiver Medienpräsenz haben die meisten Unternehmen in der Recruiting-Organisation noch keine Fortschritte bei der Implementierung von KI gemacht.

Das Problem liegt hier vermutlich nicht am Recruiting selbst, sondern bei den Unternehmen. Diese versuchen gerade noch den richtigen Umgang mit der neuen Technologie zu finden. Wer allerdings im Wettbewerb auch in Zukunft mithalten möchte, muss mit den aktuellen Entwicklungen rund um Künstliche Intelligenz klarkommen.

Mit dem Themenfeld öffnet sich ein neues und zukunftsweisendes Gebiet, das im Recruiting deutlich Wirkung zeigen wird. Um in Zukunft den Anschluss nicht zu verpassen, ist es für Unternehmen wichtig, auf eine strategische, geplante Herangehensweise zu setzen, anstatt sich kopflos als First Mover zu etablieren. Unternehmen tun gut daran, klare, umsetzbare Ziele zu definieren und dabei besonders auf Schulungen und Aufklärung zu setzen, um den richtigen Umgang mit der neuen Technologie zu fördern.

Grafik Recruiting-Reifegrad Hauptgruppen

 

Recruiting-KPI werden nicht strategisch genutzt

Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Recruiting-Reifegrad-Studie bezieht sich auf Kennzahlen oder KPIs. Die Datenlage zeigt, dass alle teilnehmenden Organisationen die Erhebung von Kennzahlen weitestgehend professionell umsetzen. Das Problem fängt nämlich erst an einer anderen Stelle an: Oft ist zu sehen, dass in Unternehmen ein Daten-Overflow herrscht und die Organisationen mit dem Strukturieren und dem Interpretieren der erhobenen Datenfülle nicht hinterherkommen. Besonders zu bemerken ist hierbei, dass sogar Unternehmen bis 2.500 Mitarbeitende auch nur über rudimentäre Erfolgsmessungen – also strategische Auswertung ihrer Kennzahlen – verfügen. Die eigentlich wichtige Einbindung der KPIs in die Recruiting-Strategie gelingt nur sehr wenigen Organisationen.

Nützlich sind Kennzahlen aber nur dann, wenn daraus auch Handlungen entstehen. Wenn Recruiting-Kennzahlen erfolgreich eingesetzt werden sollen, muss im Vorhinein klar sein, mit welchem Ziel gemessen wird, und welche strategischen Entscheidungen von den Ergebnissen betroffen sein sollen. Mit genug Planung im Hinblick auf das Erheben von Daten wird der Einsatz von Kennzahlen zielführend und die Datenflut wird auf die notwendigen Zahlen reduziert. Die Art von strategischer Herangehensweise ist zentral für den zukünftigen Erfolg von Recruiting-Organisationen.

Wie geht es weiter mit der Recruiting-Organisation?

Egal ob bei Daten-Overflow der nicht in Taten umgesetzt wird oder bei mangelndem Wissen im Bereich KI: Das Thema Recruiting muss strukturiert und systematisch angegangen werden. Die Ergebnisse machen deutlich, dass eine gut organisierte Recruiting-Expertenorganisation am effektivsten funktioniert. Klare Konzepte, wie mit künstlicher Intelligenz umgegangen werden soll und strukturierte Datenerhebung, sind in Bezug darauf nur Beispiele. Viele Unternehmen verfügen bislang über keine fundierte Vorgehensweise, um strategische Prozesse im Recruiting zu etablieren. Dies sollte sich in den nächsten Jahren ändern, wenn Unternehmen den Herausforderungen des Arbeitsmarktes gewachsen sein wollen. Der Aufbau belastbarer Strategien, die Implementierung moderner Technologien und der gezielte Einsatz von Kennzahlen sollten dabei im Vordergrund stehen. Nur so kann die Personalgewinnung effizienter und zukunftssicher gestaltet werden.

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Foto Michael Witt

Michael Witt ist Berater für Recruiting-Strategie und Organisationsentwicklung. Seit 2018 selbstständig, begleitet er Unternehmen bei Veränderungsprojekten im Bereich Recruiting und Personalmarketing. Mit über 20 Jahren Erfahrung, darunter 13 Jahre in konzeptionellen und strategischen Rollen sowie über 7 Jahre in leitenden Funktionen, bringt er umfassendes Wissen in die Beratung ein. Er ist Initiator und Veranstalter von Events wie der HR-TecNight und dem Recruiter Slam.

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