Transparent aufstellen, Werte und Ziele offen kommunizieren, Trends in HR im Blick behalten: Mark Astley, Senior Director of Talent Acquisition bei Vinted, beschreibt, wie Unternehmen ihre Recruiting-Prozesse optimieren können.
Unternehmen und deren Recruiting-Abteilungen stehen immer mehr vor der Herausforderung, frische Talente für sich zu gewinnen. In einer Studie von Willis Towers Watson gaben 76 Prozent der befragten deutschen Unternehmen an, dass sie 2022 mit Problemen rechnen, neue Mitarbeitende einzustellen. Potentielle Kandidatinnen und Kandidaten haben höhere Erwartungen und können sich in einigen Branchen vor Angeboten kaum retten und dementsprechend aussuchen, wo sie arbeiten möchten. Unternehmen müssen also kontinuierlich ihre Recruiting Strategien an die sich ständig wechselnden Bedürfnisse anpassen, anstatt am “Business as usual” festzuhalten.
Für eine erfolgreiche Strategie ist es unter anderem wichtig, den Überblick über aktuelle Entwicklungen und Trends der Personalbeschaffung zu behalten und bei Bedarf flexibel auf diese reagieren zu können. Außerdem ist es mittlerweile mindestens genauso entscheidend, den Kandidatinnen und Kandidaten von Anfang an das Gefühl zu vermitteln, dass sie geschätzt werden und sich mit dem/der Recruiter/-in und Unternehmen auf Augenhöhe befinden. Damit das gelingen kann, braucht es innovative Ansätze.
Bedarf an Transparenz und Authentizität ernst nehmen
Die aktuelle post-pandemische Phase zeichnet sich dadurch aus, dass sich Arbeit und Zuhause vermischt haben, was zu einem gewachsenen Bedarf an Transparenz und Authentizität geführt hat. Was genau bedeutet das für den Recruiting-Prozess? Jedes Unternehmen hat eine eigene Strategie, um Talente von sich zu überzeugen. Was die Bewerberinnen / Bewerber aber am Ende dazu bringt, sich für eine Firma zu entscheiden, wissen Recruiterinnen / Recruiter am Anfang natürlich nicht. Deswegen ist es im tatsächlichen Recruiting-Prozess von großer Bedeutung, authentisch zu bleiben und den Kandidatinnen und Kandidaten die Möglichkeiten zu geben, selbst herauszufinden, welche Aspekte ihnen wichtig und motivierend sind.
Es können bereits Kleinigkeiten wie ein Ruheraum im Büro, regelmäßige Teamveranstaltungen oder die Vergütung des Mittagessens sein, die jemanden dazu verleiten, ein Stellenangebot anzunehmen. Man muss also als Unternehmen so transparent wie möglich kommunizieren, was potentielle neue Mitarbeitende erwartet, damit es später nicht zu (negativen) Überraschungen kommt. Dabei zahlt sich vor allem Transparenz auf der Unternehmensseite aus: Es grenzt an Utopie, in allen Belangen perfekt zu sein, Bewerberinnen / Bewerber sind sich dessen bewusst und schätzen es, wenn auch aktuelle Optimierungsprozesse in unterschiedlichen Bereichen kommuniziert werden. Vielleicht können die potentiellen Neuangestellten direkt mit Ideen unterstützen und sich einbringen.
Eine klare Position schafft Vertrauen
Dass ein Unternehmen soziale und moralische Wertvorstellungen vertritt, erfüllt und kommuniziert, ist für viele der Bewerberinnen und Bewerber ein ausschlaggebendes Kriterium. Eine klare Positionierung zu gesellschaftlich relevanten Themen kann der entscheidende Faktor für jemanden sein, sich zu bewerben. Bewerberinnen und Bewerber wollen sich idealerweise mit den Werten und Zielen eines Betriebs identifizieren, dazu müssen diese aber klar und deutlich kommuniziert werden.
Fürsorge zeigen
Allerdings dürfen auch die emotionale, sowie finanzielle Komponente nicht fehlen. Die interne Unterstützung der Mitarbeitenden, vor allem zu Krisenzeiten, sollte mindestens einen genauso hohen Stellenwert haben. Angebote, die beispielsweise die mentale Gesundheit der Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter unterstützen, sind unentbehrlich geworden und können genauso wichtig sein wie eine ein ansprechendes Gehalt. So können Unternehmen beispielsweise ein bestimmtes Kontingent der Kosten für Beratungsgespräche übernehmen, oder Weiterbildungskurse rund um die Themen Resilienz und psychisches Wohlbefinden am Arbeitsplatz anbieten.
Modernes Recruiting ist keine Einbahnstraße
Bei klassischen Recruiting Prozessen liegt der Fokus auf Gesprächen, in denen das Unternehmen die Bewerberinnen und Bewerber befragt. Natürlich soll darauf nicht verzichtet werden, allerdings empfehle ich, neben dem Check der Kompetenzen das Kennenlernen des Unternehmens samt dessen Werte und konkreter Arbeitsprozesse in den Fokus zu rücken. Hier lohnt es sich auch, bewusst einen Rollentausch vorzunehmen und den Kandidatinnen und Kandidaten die Chance zu geben, das Unternehmen zu interviewen. In einer gemeinsamen Konversation stehen also auch die jeweiligen Recruiting-Manager den Bewerberinnen / Bewerbern Rede und Antwort.
Dieses Vorgehen gibt den potentiellen Neueinstellungen die Möglichkeit, sie selbst und authentisch sein zu können, indem sie Wünsche, Fragen sowie Erwartungen direkt kommunizieren. Als Unternehmen ist es nun essentiell so transparent und offen wie nur möglich zu sein, um von sich zu überzeugen.
Ein weiterer innovativer Lösungsansatz, um den Prozess für die Kandidatinnen und Kandidaten angenehmer zu gestalten, ist es, die herkömmliche Probephase für beide Seiten effizient zu nutzen. Wichtig dabei: Setzt man einen Trial-Day mit diversen Aufgabenstellungen an, sollte das Unternehmen betonen, dass es nicht darum geht, kostenlos an Lösungsansätze für bestehende Problemstellungen zu kommen, sondern die für die Tätigkeit benötigten fachlichen Kenntnisse abzuklopfen.
Um die Recruiting Strategie fortlaufend weiterentwickeln und verbessern zu können, ist auch das Feedback der Kandidatinnen und Kandidaten zum Bewerbungsprozess relevant. Umfragen unter den Bewerberinnen / Bewerbern sind dabei ein einfaches Mittel, um sich Meinungen und Feedback in strukturierter Form einzuholen.
Flexibilität und Agilität im Recruiting-Prozess gefragt
Viele unterschiedliche, sich auch kurzfristig ändernde Faktoren können einen Einfluss darauf haben, welche Anforderungen ein/e Bewerber/in an ein Unternehmen hat – durch die Coronakrise wurden zum Beispiel flexible Arbeitsmöglichkeiten, wie von Zuhause aus zu arbeiten, unerlässlich. Die Anforderungen an Recruiterinnen / Recruiter verändern sich also kontinuierlich, Strategien und Konzepte müssen die nötige Flexibilität aufweisen.
Es ist somit von großer Bedeutung, den schnelllebigen HR-Markt stets im Blick zu behalten, damit man rasch auf neue Trends und Veränderungen reagieren und diese bereits auch antizipieren kann. Dafür müssen Branchen-Daten und -Trends analysiert und daraus die richtigen Schlüsse gezogen werden. Nur so bleibt man am Ende des Tages konkurrenzfähig und verliert nicht den Anschluss an die Wettbewerber.
Doch auch auf Agilität im tatsächlichen Recruiting-Prozess sollte gesetzt werden: Damit ist gemeint, dass sich der gesamte Ablauf nicht über Wochen oder gar Monate hinzieht, sondern man bei gegenseitigem Interesse möglichst schnell und unkompliziert eine Entscheidung trifft. Ein reibungsloser und transparenter Bewerbungsprozess ermöglicht es dem Unternehmen, nicht nur schnell an Feedback zu gelangen und viel umkämpfte Talente für sich zu gewinnen, sondern erleichtert es dem/der Bewerber/in auch, einen Arbeitgeber zu finden, der Potential für eine dauerhafte Zusammenarbeit hat.
Fazit
Eine Garantie, dass man mit diesem Leitfaden jedes umkämpfte Talent für sich begeistern kann, gibt es natürlich nicht. Wenn Unternehmen sich aber von Anfang an transparent aufstellen und Werte sowie Ziele offen kommunizieren, kann der/die Bewerber/in für sich bereits vor einer möglichen Vertragsunterzeichnung herausfinden, ob diese mit seinen/ihren Eigenen im Einklang sind. Ganz besonders wichtig ist außerdem, Recruiting-Trends und Anforderungen des umkämpften Talentepools ständig im Blick zu haben und seine Strategie bei Bedarf daran anzupassen. So hat man die bestmöglichen Chancen, neue und vor allem motivierte Mitarbeitende zu finden, die einen langfristig im Unternehmen unterstützen möchten.
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Mark Astley ist Senior Director of Talent Acquisition bei Vinted und leitet in diesem Jahr den Ausbau des Berliner Teams, der sich auf Entwickler, Data Scientists und Produktmanager im Senior Level konzentriert. Er war in seiner Karriere bereits im Bankwesen tätig und für das Wachstum und die Skalierung von Tech-Startups und Scale Ups zuständig. Mit einer wachsenden Community von über 45 Millionen Mitgliedern ist Vinted das größte Online-C2C-Unternehmen in Europa, das sich der Secondhand-Mode widmet und derzeit in 15 Märkten aktiv ist.