Kollaboratives Recruiting aktiviert das gesamte Unternehmen bei der Einstellung neuer Kräfte. Rebecca Taylor-Clarke, Recruitee, erklärt, wie das in der Praxis funktioniert.
Klassischerweise laufen Einstellungsprozesse so: Ein Unternehmen schreibt eine Stelle aus, Jobsuchende bewerben sich, die Personalabteilung führt Interviews und das letzte Wort hat die Führungskraft. Kollaboratives Recruiting dagegen setzt darauf, Unternehmen als Ganzes fürs Recruiting zu gewinnen. Statt einzelnen Personen die Entscheidung über Neueinstellungen zu überlassen, werden Teams gebildet, die den gesamten Einstellungsprozess begleiten und mitentscheiden dürfen. Welche Vorteile dieser neue Ansatz bietet und wie er sich implementieren lässt, erklärt Rebecca Clarke, Head of People and Talent bei Recruitee, im folgenden Gastbeitrag.
Wie funktioniert kollaboratives Recruiting?
Kollaboratives Recruiting ist ein teambasiertes Einstellungsverfahren, bei dem sowohl HR, Mitarbeitende als auch Führungskräfte an der Suche nach und Auswahl von neuen Talenten beteiligt werden. Bildlich gesprochen hat so jede/r im Unternehmen auch einmal den Recruiting-Hut auf. Jedes Unternehmen ist anders, von daher sollte der jeweilige Prozess an die konkreten Anforderungen der Abteilung und der zu besetzenden Stelle angepasst werden. Im Folgenden sei jedoch ein idealtypischer Ablauf in vier Phasen dargestellt.
Phase 1: Teamfindung
Das Recruiting-Team ist für jede Phase des Einstellungsverfahrens mitverantwortlich, von der Suche nach Talenten, über das Screening und den Interviews hin zum Treffen konkreter Einstellungsentscheidungen und dem Onboarding. Je nach der zu besetzenden Stelle sollte die Zusammensetzung des Teams angepasst werden. Um klare Zuständigkeiten zu schaffen, sollten die Mitglieder zudem klar definierte Rollen und Aufgabenbereiche zugewiesen bekommen.
Ein Recruitment-Team kann, muss aber nicht ausschließlich, aus den folgenden Rollen bestehen:
Hiring Managerin / Manager (auch Einstellungsmanager/in): Der/die Einstellungsmanager/in, in der Regel eine Führungskraft aus der Abteilung mit der zu besetzenden Stelle, beantragt den Personalbedarf und leitet das Recruitment-Team. Sie koordiniert sich mit der Personalabteilung und hat den besten Überblick darüber, welches Profil die gesuchte Kraft mitbringen sollte.
Recruiter/in: Recruiter können sich durch die Aufgabenteilung voll und ganz auf die Talentsuche konzentrieren und vermittelt zwischen Einstellungsmanager/in und den Bewerbenden.
Interviewer/in: Für Interviewerinnen / Interviewer sollten Mitarbeiterinenn / Mitarbeiter ausgesucht werden, die direkt mit den ausgewählten Jobsuchenden interagieren. Dabei kann es sich um zukünftige Teammitglieder, andere Manager/innen innerhalb der Abteilung oder leitende Rollen handeln.
Talent-Sourcer/in (optional): Talent-Sourcer/innen suchen und finden qualifizierte Kandidatinnen und Kandidaten, die den Stellenanforderungen für die jeweilige Rolle entsprechen.
Administrative Assistenz (optional): Die administrative Assistenz kümmert sich zum Beispiel um die Kommunikation mit den Bewerberinnen und Bewerbern und übernimmt sonstige administrative Aufgaben.
Phase 2: Die Vorbereitung
Das Recruitment-Team bereitet sich gemeinsam auf das aktive Recruiting vor. Dazu definieren sie kollaborativ die Stellenanforderungen und notwendigen Qualifikationen. Idealerweise nutzen sie das Konzept der Candidate Persona, um ein Bild davon zu entwickeln, wer ideale Bewerber/innen sein könnten. Schließlich folgt das gemeinsame Verfassen der Stellenbeschreibung sowie der Stellenanzeige.
Phase 3: Das Recruiting
Nun geht es ans konkrete Recruiting. Dabei übernehmen Recruiterinnen / Recruiter und Talent-Sourcer/innen den Großteil der Arbeit, animieren jedoch das Recruitment-Team, ihr Netzwerk zu aktivieren, um Empfehlungen einzuholen. Alle Vorschläge werden von der Gruppe geprüft und in Auswahllisten gesammelt. Es folgt entweder die manuelle oder automatische Prüfung der Lebensläufe, wodurch eine Endauswahl verbleibt. Jedes Team-Mitglied kommentiert aus seiner oder ihrer Perspektive die Eignung der Bewerbenden. Die vielversprechendsten Talente werden zum Gespräch eingeladen.
Phase 4: Die Interviews
Entlang eines stufenweisen Interviewplans werden die Bewerbenden geprüft. Den Anfang macht Recruiting, danach folgen die Teamkolleginnen und -kollegen. Erst wenn alle Parteien ein positives Urteil geben, folgt das Interview einer Kandidatin / eines Kandidaten mit der Führungskraft. Dabei ist es essenziell, dass die Interviewerinnen / Interviewer einheitliche Bewertungsbögen zur Verfügung gestellt bekommen, um die Ergebnisse der Interviews im Anschluss vergleichen zu können. Nach Abschluss der Interviews diskutiert das Recruiting-Team die finale Auswahl und fällt gleichberechtigt eine Entscheidung. Auf die Erledigung der Formalitäten folgt das Onboarding, das enorm von der bereits etablierten Beziehung zwischen Kolleginnen / Kollegen und den neuen Teammitgliedern profitiert.
Welche Vorteile bietet kollaboratives Recruiting?
Zu den zahlreichen Vorteilen des kollaborativen Recruitings zählt vor allem die Entlastung des Recruitings. Die Aufgaben im Rahmen des Einstellungsprozesses werden auf mehrere Schultern verteilt, sodass Recruiterinnen / Recruiter zum Beispiel mehr Zeit für die aktive Personalsuche und die Vorbereitung von Vorstellungsgesprächen haben. Zusätzlich hilft die Vielfalt der Perspektiven einen vollständigen Eindruck vom kulturellen “Fit” der Bewerbenden zu erhalten. Nur im Zusammenspiel mit den potenziellen Kolleginnen / Kollegen wird sich zeigen, ob die Chemie wirklich stimmt. Diese Vielfalt der Perspektiven beugt auch der Gefahr der unbewussten Voreingenommenheit vor, da nicht nur eine Person allein auf der Grundlage einer einzigen Meinung am Ende entscheidet. Auch den Bewerberinnen / Bewerbern vermittelt der Austausch mit mehr Gesichtern des Unternehmens ein realistischeres Bild. Nicht zuletzt wird durch kollaboratives Recruiting das gesamte Unternehmen für die Suche nach guten Ergänzungen sensibilisiert und aktiviert.
Rebecca Taylor-Clarke ist Head of People bei Tellent. Mit vielen Jahren Erfahrung im Recruiting und Bewerbermanagement wird sie von ihrer Leidenschaft angetrieben, Menschen und interessante Möglichkeiten zusammenzubringen, großartige Teams aufzubauen und inklusive Arbeitsplätze zu schaffen, die Freude bringen.