In Quarantäne vergeudete Urlaubszeit wird nicht automatisch gutgeschrieben. Arbeitsrechtlerin Katharina Kuschefski erläutert die Rechtslage.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die während des Urlaubs wegen einer COVID-19 Infektion in Quarantäne müssen, können die entgangenen Urlaubstage nicht immer nachholen. Wie das Landesarbeitsgericht Düsseldorf entschied, stellt die behördliche Quarantäneanordnung keinen Nachweis dafür dar, dass der erkrankte Mitarbeitende auch arbeitsunfähig ist.
Die Begründung der Richter in dem Urteil vom 15.10.2021: Die Pflicht zur Nachgewährung von Urlaub trifft den Arbeitgeber nur, wenn der Arbeitnehmer durch Krankheit i.S.d. Entgeltforzahlungsgesetzes daran gehindert ist, seinen Arbeitspflichten nachzukommen, sprich arbeitsunfähig ist (Az.: 7 Sa 857/21). Die Vorschrift des § 9 BUrlG unterscheidet zwischen der Erkrankung eines Arbeitnehmers und der Arbeitsunfähigkeit. Dort heißt es wörtlich: „Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs, so werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet.“
Ärztliches Attest erforderlich
Nicht jede Krankheit führt zur Arbeitsunfähigkeit. Beide Begriffe sind daher nicht gleichzusetzen und voneinander zu unterscheiden. Mit Krankheit meint das Gesetz einen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand, der einer Heilbehandlung bedarf. Von einer Arbeitsunfähigkeit ist dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Tätigkeit objektiv nicht ausüben kann oder objektiv nicht ausüben sollte, weil die Heilung nach ärztlicher Prognose verhindert oder verzögert wird.
Danach erfordert die Nichtanrechnung der Urlaubstage i.S.d. § 9 BUrlG bei bereits bewilligtem Urlaub, dass durch ein ärztliches Attest nachgewiesen ist, dass aufgrund der Erkrankung Arbeitsunfähigkeit gegeben ist. Daran fehle es im vorliegenden Fall, so das LAG Düsseldorf. Aus dem Bescheid des Gesundheitsamtes ergibt sich lediglich, dass die Klägerin an Covid-19 erkrankt war. Eine Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin lag nicht vor und wurde auch von einem Arzt nicht vorgenommen.
Gesundheitsamt ordnet Quarantäne an
In dem entschiedenen Fall hatte eine Arbeitnehmerin von ihrem Arbeitgeber die Gutschrift von zehn Urlaubstagen verlangt. Dieser hatte ihr zuvor drei Wochen Urlaub genehmigt. Allerdings: Gleich in der ersten Urlaubswoche steckte sie sich bei ihrer Tochter mit Corona an. Das Gesundheitsamt ordnete daraufhin eine über 14-tägige häusliche Quarantäne an. Das Schreiben des Gesundheitsamts enthielt den Hinweis, dass die Mitarbeiterin als Kranke im Sinne des Infektionsschutzgesetzes anzusehen sei. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch einen Arzt ließ sich die Infizierte nicht ausstellen.
Dennoch verlangte die Mitarbeiterin nach ihrer Rückkehr an den Arbeitsplatz von ihrem Arbeitgeber die Gutschrift von zehn Urlaubstagen für die Zeit der behördlich angeordneten Quarantäne. Sie meinte, diese seien wegen der durch das Gesundheitsamt verhängten Quarantäne nicht verbraucht. Der Arbeitgeber lehnte dies mit der Begründung ab, er habe den Urlaubsanspruch wegen der fehlenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Mitarbeiterin auch in der Quarantänezeit erfüllt.
COVID-19-Infizierte sind nicht generell arbeitsunfähig
Auch aus dem Bescheid des Gesundheitsamts ergebe sich lediglich, dass die Mitarbeiterin an COVID-19 erkrankt war. Insbesondere wurde ihre Arbeitsfähigkeit nicht durch einen Arzt überprüft. Eine über den Wortlaut des Paragraphen 9 BUrlG hinausgehende Anwendung komme nicht in Betracht, da eine Erkrankung mit Covid-19 bei einem symptomlosen Verlauf nicht automatisch zu einer Arbeitsunfähigkeit führe.
Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmer können im Einzelfall trotz einer Erkrankung mit dem Coronavirus und einer Quarantäneanordnung weiterhin die Arbeitsleistung von einem häuslichen Arbeitsplatz erbringen – da eine Erkrankung nicht immer eine Arbeitsunfähigkeit indiziert – und der Zweck des Bundesurlaubsgesetzes, nämlich die Erholung des Arbeitnehmers von seiner Arbeitsleistung, mit der Urlaubsgewährung dennoch erreicht werden kann. Es liegt damit laut Gericht bei einer COVID-19-Infektion keine generelle Sachlage vor, die eine entsprechende Anwendung von Paragraf 9 BUrlG rechtfertigt.
Letzter Ausweg Erfurt
Eine Chance lässt das LAG Düsseldorf der unterlegenen Mitarbeiterin aber dennoch: Sie kann gegen das Urteil innerhalb von einem Monat Revision beim Bundesarbeitsgericht in Erfurt einlegen.
Das Urteil steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung zu § 9 BUrlG. Die Vorschrift will verhindern, dass Arbeitnehmende durch krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit ihren Urlaubsanspruch verlieren. Andere urlaubsstörende Ereignisse fallen grundsätzlich als Teil des persönlichen Lebensschicksals in den Risikobereich des einzelnen Arbeitnehmers.
Die behördliche Anordnung einer Quarantäne aufgrund einer Covid-19-Infektion dürfte daher auch als persönliches Lebensschicksal in den Risikobereich des einzelnen Arbeitnehmers fallen, auch wenn dies ein erhebliches urlaubsstörendes Ereignis darstellt und der einzelne Arbeitnehmer dem Rechtsirrtum unterliegen dürfte, dass die in behördlicher Quarantäne vergeudete Urlaubszeit automatisch gutgeschrieben werde.
Der Wortlaut des § 9 BUrlG erfasst nur die Fälle, in denen durch ein ärztliches Attest nachgewiesen ist, dass aufgrund der Erkrankung Arbeitsunfähigkeit gegeben ist. Nur in diesen Fällen werden die durch ärztliches Attest nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit nicht auf den Jahresurlaub angerechnet.
Katharina Kuschefski LL.M., ist Rechtsanwältin in der Dortmunder Wirtschaftskanzlei Spieker & Jaeger und Lehrbeauftragte an der University of Europe for Applied Sciences.