Mehr Mut der Unternehmen zu innovativen Beschäftigungsmodellen für die Generation 50 plus fordert Ulrich A. Naumann, Geschäftsführer der HR-Consultants. Denn diese Fachkräfte bringen oft eine breite Perspektive und vielfältige Problemlösungskompetenzen mit. Das Potenzial an gut ausgebildeten Fach- und Führungskräften ist vorhanden – die Unternehmen müssen es nur nutzen.
In den kommen fünf Jahren gehen die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer in Rente. Demzufolge wird die Anzahl der Arbeitskräfte in Deutschland in den nächsten fünf bis zehn Jahren stark abnehmen. Für viele ist entweder die Zuwanderung qualifizierter Arbeitnehmer aus dem Ausland die Lösung – oder die Aktivierung all jener Menschen, die aktuell nicht arbeiten: Nicht berufstätige Ehepartner, Personen in Elternzeit, Studierende, Menschen mit Behinderung, etc.
Beide Ansätze sind richtig und wichtig, stellen allerdings in der Praxis eine Herausforderung dar: Nicht alle Zugewanderten bringen die erforderliche Qualifikation mit. Gleichzeitig rekrutieren laut Bertelsmann-Stiftung nur 16,8 Prozent der Unternehmen Fachkräfte im Ausland. Und die Gruppe der Nicht-Arbeitenden kann man nicht in den Arbeitsmarkt zwingen. Auch hier sind vermutlich erst einmal langfristig angelegte Incentivierungskampagnen notwendig. Doch es gibt auch kurzfristigere und flexiblere Wege, um gut ausgebildete Fach- und Führungskräfte ins Unternehmen zu holen: Durch innovative Beschäftigungsmodelle für Personen zwischen 50 und 65!
Deutschlands ungenutztes Potenzial
Bei den Debatten rund um den Fachkräftemangel und die Arbeitsmotivation der Generation Z bleibt die Gruppe der Erfahrenen oftmals völlig unbeachtet. Viele Menschen in dieser Altersgruppe sind heute wesentlich gesünder als die der Generation 50 plus vor 30 Jahren – und haben Freude an der Arbeit sowie am Weitergeben ihres Wissens. Ihr Erfahrungsschatz ist immens. Oft geht es ihnen weniger um das Einkommen als vielmehr um die Möglichkeit, zu unterstützen und etwas Neues aufzubauen. Ihre Loyalität und Hingabe können für Unternehmen eine Quelle von Stabilität und Wachstum sein.
Das Problem ist nur: Unternehmen stellen Fachkräfte der Generation 50 plus nicht gern ein. Umfragen zufolge denkt fast ein Drittel der Unternehmen, dass die Fähigkeiten dieser Generation nicht mehr gefragt seien. Personen über 50 sind oftmals mit Vorurteilen am Arbeitsmarkt konfrontiert. Die häufigsten Fehlannahmen: Sie lassen sich nicht ins Team integrieren, sind unflexibel, verstehen wenig von Digitalisierung und haben Schwierigkeiten im Umgang mit den Jüngeren. Diese Vorurteile resultieren leider oftmals darin, dass Unternehmen ihren erfahrenen Mitarbeitenden wenig Aufmerksamkeit schenken und sie als „unmodern“ abtun. Ein Trugschluss, der großes Potenzial liegen lässt.
Die Wahrheit über die Generation 50 Plus
Denn: Diese Sichtweise übersieht die Stärken und den Wert, den ältere Fachkräfte bieten. Sie haben oft Jahrzehnte in verschiedenen Positionen und Branchen gearbeitet, was ihnen eine breite Perspektive und vielseitige Problemlösungskompetenzen verleiht. Sie bringen nicht nur Fachwissen mit, sondern vielfach auch soziale Kompetenzen und Führungsfähigkeiten, die sie über Jahre hinweg entwickelt haben.
Entgegen aller Vorurteile kann die Generation 50 Plus auch sehr wohl mit dem kontinuierlichen Wandel der Arbeitswelt mithalten: Sie hat oftmals schon zahlreiche Umstrukturierungen und Transformationen miterlebt und sich erfolgreich angepasst – sei es bei technologischen Neuerungen, in der Unternehmenskultur oder bei Arbeitsmethoden. Und: Die Arbeitsmoral der Generation 50 plus ist durch hohes Pflichtbewusstsein gegenüber dem Arbeitgeber gekennzeichnet. Laut Deloitte Schweiz wollen dort sogar 580.000 Personen über das Rentenalter hinaus arbeiten. Wie hoch diese Zahl wohl im großen Nachbarland Deutschland aussieht?
Innovative Beschäftigungsmodelle anbieten
Das Potenzial wäre also vorhanden – Unternehmen müssen es nur nutzen! Hier ist weniger Zurückhaltung gefragt, dafür mehr Mut zu alternativen und innovativen Beschäftigungsmodellen. Zum Beispiel: Experten werden auf freiberuflicher Basis für zwei bis vier Tage die Woche angestellt, um ihr Know-how ins Unternehmen zu transferieren. Diese Zusammenarbeit ist flexibel und dynamisch.
Nachdem das Wissen erfolgreich übertragen wurde, kann der Vertrag beendet werden – ohne langfristige Verpflichtungen für das Unternehmen. Wenn wieder Bedarf entsteht, können die erfahren Experten erneut für ein befristetes Projekt auf Interimsbasis herangezogen werden. Die Unternehmen profitieren so von der Flexibilität und dem Knowhow, während die älteren Experten ihre Erfahrungen wertgeschätzt einbringen und eine dynamische Arbeitsumgebung genießen, die ihrer Lebensphase entspricht.
Beispiel: Bosch Management Support GmbH
Bei Bosch werden schon seit 1999 regelmäßig ehemalige Mitarbeitende im Rentenalter für befristete Projekte zurückgeholt. Diese agieren dann in der Bosch Management Support GmbH und agieren oftmals als Berater. Solche Interim-Einsätze ermöglichen es Unternehmen, in kurzer Zeit Know-how aufzubauen oder komplexe Projekte erfolgreich umzusetzen. Von dem Wissenstransfer der Erfahrenen profitiert die jüngere Generation, die zusätzlich zu ihren eigenen Skills noch langjährig gesammelte Erfahrungswerte mit auf den Weg bekommt.
Die Netzwerk-Organisation
In den USA arbeitet bereits ein bedeutender Anteil der Beschäftigten auf freiberuflicher Basis, mit steigender Tendenz: Laut Statista wir die Zahl der Freelancer in den USA für 2028 auf über 90 Millionen geschätzt – also rund 50 Prozent der arbeitenden US-Bevölkerung. Diese Entwicklung könnte auch in Deutschland an Bedeutung gewinnen. Unternehmen könnten sich zunehmend zu sogenannten Netzwerk-Organisationen entwickeln: Es gibt eine Kern-Belegschaft – und bei Bedarf greifen die Verantwortlichen auf ein Netzwerk von Freelancern zurück, beispielsweise von erfahrenen Experten der Generation 50 plus.
Das ermöglicht es, flexibel und dynamisch auf Marktveränderungen zu reagieren und dabei das umfangreiche Wissen und die Erfahrung der älteren Kolleginnen und Kollegen optimal zu nutzen. Die Generation 50 plus ist nicht nur eine Arbeitskraftreserve, sondern eine essenzielle Säule für Innovation, Wissenstransfer und Stabilität in der heutigen schnelllebigen Geschäftswelt. Ihre Integration und Wertschätzung sollte daher in jeder Unternehmensstrategie eine zentrale Rolle spielen.
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Ulrich A. Naumann ist Geschäftsführer der HR-Consultants, einer Personalberatung für Interim Manager und Festangestellte im HR- und Finance-Bereich. Seit über 25 Jahren aktiv, gehören die HR-Consultants zu den Pionieren in der Branche. Da die Berater selbst aus der HR und dem Finance-Sektor kommen, sind sie für Unternehmen und Interim Manager wertvolle Sparringspartner mit praxisnahem Erfahrungsschatz.