Personalentwicklung: Anstachler statt Streichler

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„Alle sollen sich gut fühlen“ scheint heute der Wunsch von Führungskräften und HR zu sein, sagt Boris Grundl. Seine Empfehlung: Eine Personalentwicklung, die auf Ergebnisorientierung und distanzierte Nähe abzielt und damit Leistungspotenziale freisetzt.

Wir Personaler / Personalerinnen verfolgen zwei Fragen. Wer passt zu uns und wie gewinnen wir diesen Menschen? ist die eine. Ein zweiter Schwerpunkt liegt im Fördern und im Fordern von Führungskräften und Mitarbeitenden: Nur ein Firmenmitglied, das Sinn in seinem Schaffen erkennt und aus Lust ergebnisorientiert handelt, bereichert sowohl Firmenkultur als auch Firmenvermögen.

Der Punkt des „Forderns“ sackte aus meiner Sicht in den letzten Jahren nach unten und wich der Bestätigung des Status Quo. Der Wunsch: Alle sollen sich gut fühlen. Ich plädiere für ein HRM, das auf Veränderung des Mindsets hin zu Ergebnisorientierung und distanzierter Nähe zielt. Das tut weh, bringt aber tatsächliches mentales Wachstum, welches sich in konstant besseren Ergebnissen spiegelt – und damit unsere Existenz sichert.

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Mut zum Markenkern

Hinter HRM steckt der Antrieb, menschliche Leistungspotenziale freizusetzen. Eine fabelhafte Idee, hinter der ich voll stehe! Doch haben wir uns in den letzten Jahren in die Position des Streichlers statt Anstachlers manövriert. Weil sich heute eher Jobs um Personal bewerben als umgekehrt, weil digitales Miteinander, VUCA und Wechselwilligkeit die Arbeitswelt regieren, kämpfen Führungsriegen mit dem Gefühl lähmender Unsicherheit. Daher scheuen sie vor einer weiteren Anstrengung in Form strenger Weiterbildender – nach meiner Erfahrung sucht derzeit rund 80 Prozent eher Bestätigung als mentales Wachstum.

Also verlagern wir unsere Kompetenz und machen es uns als professionelle Bestärker bequem. Doch Bestätigung und Good Feel bremsen Weiterentwicklung aus, das Mindset und Arbeitsweisen von Mitarbeitenden und Führungskräften verharren auf dem Status Quo. Das zieht zwei großen Folgen nach sich. Zum einen nehmen psychische Krankheiten zu, weil Verharrung auf eine sich ständig ändernde Welt prallt. Zum anderen bedeutet Stillstand beim Menschen auch finanzieller und personeller Stillstand beim Unternehmen.

Ergo: Muss gespart werden, setzen Führungskräfte den Rotstift bei der PE an. Wenn sie fehlt, merkt‘s ja keiner. Deshalb müssen wir wieder zeigen, was wir können. Kein Schein-Coaching betreiben, sondern mentale Entfaltung durch mentale Anstrengung bewirken. Ergebnisorientierung, Distanzierte Nähe und Dialogfähigkeit gehören zu einigen konkreten Hebeln hin zu gelebter Transformation.

Ergebnisorientierung

„Ergebnisse“ – bei vielen Menschen ruft das Wort ein Gefühl von Zwang und Verpflichtung wach; bei manchen verknüpft mit Fragen wie „Wo bleiben die Ergebnisse“? Ich definiere Ergebnisse als das, was in der Welt jedes Menschen genau jetzt da ist: der Grad an Gesundheit zum Beispiel, die Qualität der Beziehung zu mir selbst und zu anderen, die Qualität an Verantwortungsübernahme, der Umgang mit Stärken und Schwächen, die Fähigkeit, in der Gegenwart zu leben und vieles mehr. Auf einen Teil davon üben wir Einfluss aus, auf einen anderen nicht. Ergebnisorientierung heißt in meinem Verständnis, sich auf den Teil der Ergebnisse zu konzentrieren, den ich beeinflussen kann, und dort der Beste zu werden, der ich sein kann.

Der Weg zur Ergebnisorientierung

Sich aufs reine Tun zu fokussieren, bedeutet, sich an Aufgaben statt Ergebnissen zu orientieren. Aufgabenorientierte bestreiten ihren Berufsalltag mit den bohrenden Fragen Was gibt es zu tun? Was steht an? Sie wuseln herum, helfen hier, erledigen da, hetzen ins nächste Meeting und verkneifen sich den Gang durch die Mittagssonne weil „Keine Zeit!“. Diese Haltung durchkreuzt zielgeleitetes Arbeiten und lähmt Ergebnisse mit dem Druck der Pflichterfüllung. Andere orientieren sich am Status. Für sie glänzen persönliche Erfolge wie Gehalt- und Karrieresprünge oder exzellentes Image im Scheinwerferlicht. Ihre Energie kanalisieren sie ins persönliche Fortkommen und leben ihrem Team diese Steuerung vor.

Doch nur der intrinsische Wunsch, Anerkennung für Ergebnisse zu erringen, setzt positive Kräfte frei. Überzeugende Leistungen fürs Unternehmen folgen. Denken reift zur Entscheidung, Entscheidung führt zur Handlung und Handlung erzielt ein Ergebnis – diesen Zustand der mentalen Haltung gilt es zu erlangen. Wir als Entwickler von Firmenkulturen sollten versuchen, in jeder Führungskraft den Willen zur Ergebnisorientierung zu verankern und Ergebnisse mit etwas Erfrischendem, Energetisierendem positiv aufzuladen.

Distanzierte Nähe

Wer in distanzierter Nähe führt, baut ein harmonisches, von Respekt getragenes Miteinander auf. Akzeptanz klar geäußerter Meinungen und zielorientierter Diskurs fördern Wahrheitsfindung. Das mündet in Auseinandersetzungen, begünstigt aber fundierte Entscheidungen. Um diese Art von Offenheit zu erreichen, erdet zunächst eine Standortbestimmung: Buddy oder Boss? Freunde ausgeprägter Harmonie müssen lernen, sich als respektvolle Mentoren zu begreifen und Wertschätzung im Arbeitsleben auch als Wertschätzung der Ergebnisse für das Unternehmen bedeutet. Fans faktengeführter Debatten hingegen erlernen mit unserer Hilfe respektvolles Zuhören.

Offenes Zuhören

Das Vermögen, einander offen und im Tempo des Gegenübers zuzuhören, lautet aus meiner Sicht eine der Kernaufgaben unseres Schaffens. Denn dringt man in Firmenstrukturen ein, erkennt man schnell, wie selten sich wirklich zugehört wird. Nicht innerlich abwinken oder aufmunitionieren, sondern fokussieren und sich selbst in den Dialog zurückbringen. Als eines der Werkzeuge dient hier die Frage Wie schaffe ich bei einem Gegenüber die Bereitschaft, mich verstehen zu wollen? statt es innerlich mit Wieso kapierst du’s nicht? anzuklagen.

Verändertes Mindset als Basis des Erfolgs

Jeder soll der Beste in seinem Metier sein wollen – wenn wir mit hartnäckiger Arbeit dieses Mindset schaffen, werden wir die Besten, die wir in unserem Metier sein können. Und machen uns unverzichtbar. Ein verändertes Mindset verbessert sowohl Firmenkultur als auch Ergebnisse. Deshalb wird es darum gehen müssen, Menschen einen filterfreien Spiegel vorzuhalten, um darauf aufbauend Transformation anzustoßen. Gehen wir voran und halten uns selbst diesen Spiegel vor: Bestätigen wir noch oder entwickeln wir schon?

Das Buch zum Thema

Cover Buch Leading Simple

Boris Grundl, Bodo Schäfer
Leading Simple
Führen kann so einfach sein
216 Seiten, 24,90 € (D) | 25,60 € (A)
ISBN 978-3-96739-070-4
15. überarbeitete Neuauflage
GABAL Verlag, Offenbach 2021
Erscheinung: 7. September 2021

 

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Foto Boris Grundl

Boris Grundl ist der Experte für mentale Transformation. Er hat die Themen Verantwortungsbewusstsein, mentale Haltung und Leadership in der Tiefe erforscht und systematisch erlernbar gemacht. Das Grundl Leadership Institut sorgt dafür, dass Menschen und Organisationen sie umsetzen können. Seit 30 Jahren ist Boris Grundl vom Hals abwärts gelähmt, er startete als Sozialhilfeempfänger. Heute lebt der zweifache Familienvater ein erfülltes, selbstbestimmtes und finanziell freies Leben in Spanien und Deutschland.

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