Die wirtschaftliche Flaute bringt Herausforderungen für Personaldienstleister – doch Stillstand ist keine Lösung. Philipp Riedel, CEO von Avantgarde Experts, zeigt, wie gezielte Investitionen neue Chancen eröffnen können. Er betont: Die Branche hat das Potenzial, die Arbeitswelt der Zukunft aktiv zu prägen. Sein Appell: Raus aus dem Schattendasein, rein ins Rampenlicht.
Die Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose prognostizierte Ende September für das Jahr 2024 einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland um 0,1 Prozent. Ähnlich sieht es der OECD Economic Outlook. Besonders prekär ist die Lage derzeit für das verarbeitende Gewerbe und die Automobilindustrie – und das wirkt sich auch auf eine Branche aus, an die man nicht sofort denkt: die Personaldienstleister.
Wenn die Wirtschaft schwächelt, braucht es keine externen Recruiterinnen / Recruiter für die Stellenbesetzung. Nicht zuletzt wird die Arbeitnehmerüberlassung auch oft als Frühindikator für Konjunkturschwankungen gesehen. Einem Rückgang bei der Nachfrage nach Zeitarbeitskräften folgt oft ein wirtschaftlicher Abschwung. Erwartet die Staffingbranche also eine neue Welle an Kurzarbeit?
Dies wäre sicherlich zu drastisch formuliert, doch es zeigt sich: Personaldienstleister mit einem breiten Angebot oder einem Fokus auf das Blue-Collar-Segment spüren die stagnierende wirtschaftliche Situation bei uns im Land derzeit am meisten. Viele Unternehmen beobachten derzeit eher den Markt, als neue Stellen zu schaffen oder zu besetzen, teilweise findet bereits ein Personalabbau statt. Stillstand als Lösung? Das entspricht zwar dem deutschen Sicherheitsbedürfnis, doch ich bin mir sicher: Wer jetzt auf Wachstum und Investition setzt, stellt sich zukunftsfähig auf.
Investments für Personaldienstleister: Mit diesen Tipps jetzt zukunftsfähig aufstellen
1. Spezialisten statt Generalisten:
Unternehmen wünschen sich von einem Personaldienstleister, dass er Spezialisten hat, die Jobs für Spezialisten besetzen. Das heißt konkret: Recruiter sollten sich tiefgreifendes Wissen für einen spezifischen Fachbereich – zum Beispiel Cybersecurity – aufbauen. Es geht darum, mit Kundinnen / Kunden und potentiellen Kandidatinnen / Kandidaten über Anforderungsprofile und Aufgaben auf Augenhöhe sprechen zu können.
Denn nur mit dem fachlichen Know-how ist auch ein perfect Match garantiert – egal welche Vertragsart die formale Grundlage für die Besetzung ist. Es kann eine Chance sein, jetzt in die richtigen Mitarbeitenden zu investieren, Wissen auf- und auszubauen und die Marktposition als Personaldienstleister mit Branchenfokus zu stärken.
2. KI gewinnbringend nutzen:
Ich glaube nicht daran, dass Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) unsere Jobs übernehmen werden. Im Gegenteil: Viele administrative Aufgaben fallen weg, wenn wir die Chancen der Digitalisierung gezielt einsetzen. Hierfür braucht es Recruiterinnen / Recruiter, die sicher im Umgang mit digitalen Tools sind, die für ihre tägliche Arbeit echten Mehrwert bringen.
Denn das gibt mehr Raum, sich auf die Beratungsleistung zu konzentrieren. Personaldienstleister sollten Branchenwissen mit Menschenkenntnis kombinieren – denn emotionale Intelligenz ist noch immer ein Powerskill des Menschen und wird durch Technologie (noch) nicht abgebildet.
3. It´s a people business:
Gerade in herausfordernden Zeiten kann Proaktivität zum Wettbewerbsvorteil werden. Die Extrameile beim Kunden zahlt sich aus: Accountmanager / -innen sollten auf ihre Kunden zugehen, sich mit ihnen treffen und sich austauschen. Seit der Corona-Pandemie sind persönliche Meetings eher rar geworden. Doch die zwischenmenschliche Beziehung und die persönliche Beratung sind von unschätzbarem Wert und stärken die Business-Beziehung.
Auch wenn es in Krisenzeiten nicht immer zum Vertragsabschluss kommt, kann ich aus Erfahrung sagen: Geschäftsbeziehungen, die gemeinsam durch schwere Zeiten kommen, profitieren in guten Zeiten voneinander.
4. Das Team als Herzstück der Beratung:
Alle Staffing-Unternehmen unterliegen den gleichen Rahmenbedingungen: Kunden, Rahmenverträge und Kandidatinnen / Kandidaten. Was also bleibt, um sich von anderen Personaldienstleistern zu unterscheiden? Die Menschen im eigenen Unternehmen.
Schließlich sind es die Account Managerinnen / Manager und Recruiterinnen / Recruiter, die täglich mit den Unternehmen und Kandidatinnen / Kandidaten in Kontakt stehen und die Beziehungsarbeit leisten. Personaldienstleister sollten künftig verstärkt auf sich selbst als attraktive Arbeitgeber schauen und auf das Know-how in den eigenen Reihen achten. Je motivierter das eigene Team zusammenarbeitet, desto bessere Ergebnisse können wir für alle Seiten erzielen.
Potenzial entfalten, Transformation treiben: Personaldienstleister als Arbeitswelt-Gestalter
Trotz aller derzeitigen wirtschaftlichen Herausforderungen gibt es viele Aspekte, die die Arbeit der Personaldienstleister unabdingbar machen. Schließlich ist der Fachkräftemangel – nicht zuletzt wegen des demographischen Wandels – Realität. Künftig werden Recruiting-Spezialisten insbesondere bei den Themen Internationalisierung und Transformation gefordert sein.
So ist eine der drängendsten Fragen: Wie gelingt es, ausländische Fachkräfte für uns zu gewinnen und in den deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren? Personaldienstleister müssen demnach künftig noch mehr über den Tellerrand schauen und Strategien für den deutschen Arbeitsmarkt entwickeln.
Auch im Hinblick auf Transformation sehe ich noch viel Nachholbedarf. Wir müssen unsere Branche verjüngen und genauso bereit sein, Transformationsprozesse mitzugehen, wie sie derzeit unsere Kunden durchlaufen. Mein Ziel ist es, dass die Staffing-Branche stets einen Schritt voraus und nicht einen hinterher ist. Es heißt jetzt: Raus aus dem Schattendasein, rein ins Rampenlicht. Ich bin überzeugt, dass unsere Branche so viel Potential hat, die Arbeitswelt der Zukunft auf gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Ebene zu prägen. Wir müssen uns innovativ zeigen und mit gutem Beispiel voran gehen.
Zugleich eröffnen Wachstumsfelder, wie nachhaltige Technologien, Chancen für die deutsche Wirtschaft und die Möglichkeit, weltweiter Marktführer zu werden. Die richtigen Weichen müssen jetzt gestellt werden – das bedeutet auch: Die besten Talente mit den innovativsten Unternehmen zusammenzubringen.
Personaldienstleister erfüllen hier eine wichtige Arbeit und leisten damit einen zentralen Teil zur wirtschaftlichen Stabilisierung in Deutschland. Mein Wunsch: Genau diese Bedeutung selbstbewusst nach außen tragen. Wer dank spezialisiertem Know-how für zukunftsfähige Jobprofile den Unternehmen beratend bei der Personalsuche zur Seite steht, gestaltet die Arbeitswelt in Deutschland maßgeblich mit.
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Philipp Riedel ist CEO der Personalberatung AVANTGARDE Experts. Seit 2018 treibt er die innovative Ausrichtung des Unternehmens voran. 2024 hat er erfolgreich den Zusammenschluss mit dem internationalen Personalberatungsunternehmen YER gemanagt, um gemeinsam die Marktpositionierung für die Besetzung von Arbeitsrollen in zukunftsfähigen Branchen wie Tech, Mobility und Energie auf dem deutschen Markt zu stärken. Im Sommer 2025 werden AVANTGARDE Experts und Staffxperts zur YER Deutschland GmbH. Foto: Maiwolf