Personalarbeit im Jahr 2024 (3): „Das Festhalten an Gewohntem wird zur Gefahr.“

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Permanente und vielfältige Veränderungen prägen die Zukunft von Unternehmen und damit auch von HR. Professor Peter M. Wald von der HTWK Leipzig erläutert im dritten Teil unserer Serie, welches Mindset für die Personalarbeit im Jahr 2024 notwendig ist und wie der HR-Nachwuchs an seiner Hochschule auf die zukünftigen Herausforderungen vorbereitet wird.

„Das häufige Festhalten an gewohnten Abläufen und Prozessen wird zunehmend zur Gefahr“, sagt Peter M. Wald. Um erfolgreich zu sein, müssen HR-Profis die Fähigkeit entwickeln, sich selbst in Frage zu stellen und aus Veränderungen zu lernen. Der Anspruch, sich auf Veränderungen einzustellen, richtet sich aber nicht ausschließlich an die Personalerinnen und Personaler. Veränderungskompetenz ist heute generell gefragt. Zumindest der HR-Nachwuchs tut sich mit ambivalenten Situationen etwas schwer, meint Peter M. Wald. Doch wir wollen nicht vorgreifen. Mehr dazu im Interview.

Wie sehen Sie die Entwicklung der Rolle von HR in den Unternehmen?

Peter M. Wald: Viel spricht dafür, dass wir uns auf ständige, wenig planbare und vielgestaltige Veränderungen als neue Normalität einstellen müssen. Dies wird sich auch beim Umgang mit Widersprüchen zeigen. Das in der Vergangenheit so häufig festzustellende Festhalten an gewohnten Abläufen und Prozessen wird meiner Meinung nach jetzt zur Gefahr.

Entscheidender Erfolgsfaktor: Die Fähigkeit, sich selbst in Frage zu stellen

Demgegenüber wird die Fähigkeit, sich selbst in Frage zu stellen und aus Veränderungen zu lernen zum entscheidenden Erfolgsfaktor. Dies zeigt, wie wichtig die Fähigkeiten von Unternehmen, Teams und Menschen sind, erfolgreich mit Veränderungen umzugehen. Wir müssen lernen, neue Bedingungen zu akzeptieren und als Individuum, Gruppe oder Unternehmen die nötige Veränderungskompetenz zu entwickeln.

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Für HR bedeutet dies erst einmal, selbst die nötige Veränderungsfähigkeit und -bereitschaft zu erreichen. Dies dürfte die Voraussetzung dafür sein, dann auch die Veränderungsfähigkeit und -bereitschaft bei den Mitarbeitenden bzw. in anderen Bereichen der Unternehmen positiv zu beeinflussen. Ein verändertes Mindset von HR kann jedoch nur wirken, wenn notwendige Fähigkeiten („Skillset“), die passende organisatorische Einbettung (Orgset) und die richtigen Tools („Toolset“) vorhanden sind.

Das eigene organisatorische Setting („HR Operating Model“) neu ausrichten

Personalarbeit im Jahr 2024
Twenty20/@achirathep

Für HR bedeutet dies, sich selbst neue Fähigkeiten anzueignen, das eigene organisatorische Setting („Arbeitsmodell“ oder „HR Operating Model“) neu auszurichten und neue Führungs-Werkzeuge mitzugestalten und einzusetzen. Dies wird durch den verstärkten Einsatz von KI-Lösungen mit Sicherheit zum Entstehen neuer Tätigkeitsfelder und Rollen in HR führen. Hierzu ist auf die Vielzahl an laufenden Diskussionen insbesondere im Bereich Eignungsdiagnostik, HR Analytics und Corporate Learning zu verweisen.

Das Standing des Personalbereichs im jeweiligen Unternehmen entscheidet.

Der Erfolg bei der Umsetzung neuer Erkenntnisse hängt jedoch erfahrungsgemäß nicht von den Kenntnissen, sondern auch vom Standing des Personalbereichs im jeweiligen Unternehmen an. Für die Personalbereiche bedeutet dies neben der Offenheit für Neues, auch selbst Agilität und ständiges Lernen zu realisieren und anderen zu zeigen.

Damit ist die Hoffnung verknüpft, dass HR einerseits mehr Zeit für den Beziehungsaufbau und -pflege mit Bewerbenden und Mitarbeitenden und andererseits viel stärker als bisher zum Takt- und Impulsgeber für Veränderungen in den Unternehmen wird. Insgesamt geht es darum, dass das Personalwesen strategischer vorgehen muss und – dies ist ein Evergreen – die eigenen Beiträge für den Unternehmenserfolg verdeutlichen muss.

Die deutsche Wirtschaft steckt in der Krise fest, sagt das ifo Institut. Wie bereitet die Hochschule den HR-Nachwuchs auf Krisenzeiten vor?

Peter M. Wald: Zur Ausbildung an meiner Fakultät gehört seit jeher auch die intensive Vermittlung von Kenntnissen im Arbeitsrecht. Dazu gehört die Vorstellung und Diskussion von Maßnahmen, wie mit schwankenden Personalbedarfen verantwortungsvoll umgegangen werden kann und welche Möglichkeiten sich aus einem flexiblen Umgang mit Arbeitszeit ergeben.

Hier werden oft Fallbeispiele eingesetzt, um aufzuzeigen, wie dieses theoretische Wissen praktisch umgesetzt werden kann. Ich greife in diesem Zusammenhang gern auf das Konzept „Responsible Restructuring“ zurück und zeige damit auf, dass Personalanpassung nicht nur die Kündigung von Arbeitsverhältnissen bedeuten muss.

Personalanpassung muss nicht nur die Kündigung von Arbeitsverhältnissen bedeuten

Wichtig ist, dass die künftigen Personalerinnen und Personaler notwendige Personalanpassungen auch hinsichtlich ihrer mittel- und langfristigen Wirkungen, d.h. im Kontext von Nachhaltigkeit betrachten. Hinzu kommt die wachsende Bedeutung einer zielgerichteten Personalentwicklung und die effektive Nutzung der zahlreichen digitalen Werkzeuge.

D für digitale Kompetenzen, das E für Empathie und Mut für Mut

Foto Menschen im Büro
Twenty20/@duangbj

Hier versuche ich immer wieder – insbesondere bei meinen Studierenden im Schwerpunkt Personal – meine Interpretation des Wortes DEMut als Kompetenzmodell zu vermitteln. Bei dieser Interpretation von DEMut steht das D für digitale Kompetenzen, das E für Empathie und Mut für Mut. Gerade jüngere Personalerinnen und Personaler sollten viel mehr Mut besitzen, Neues zu entwickeln sowie über ihre Ideen zu diskutieren und zu experimentieren.

Dazu gehört es, sich verstärkt und mit Erfolg den Fragen aus dem Themenbereich HR und Daten zu widmen. Hier wächst jedoch die Zahl derjenigen Studierenden nur langsam, die sowohl das Thema HR als auch die nötige Daten- und Zahlenorientierung im Auge haben.

Was interessiert die HR-Studierenden derzeit besonders? Gibt es Schwerpunkte?

Peter M. Wald: Vornweg: Viele der Studierenden sind heute schwer für einzelne Themen zu begeistern und empfinden es oft als Herausforderung, sich in widersprüchlichen Situationen klar zu positionieren. Gerade im Personalmanagement kommt es aber zunehmend zu diesen Widersprüchen und unterschiedliche Interessen sind zu berücksichtigen.

Recruiting zählt zu den Favoriten

Foto Teamarbeit
Envato/jacoblund

Insgesamt zählt häufig der Bereich Recruiting zu den Favoriten, zumal viele Arbeitgeber diese Aufgaben (leider) nach wie vor als typische HR-Einstiegspositionen verstehen. Hinzu kommen aber auch Themen wie die Entwicklung von Führungskräften und Mitarbeitenden, Konfliktmanagement, Bindung von Mitarbeitenden sowie Kommunikation mit Mitarbeitenden und die Anwendung neuer Arbeits- und Organisationslösungen im Bereich von Deskless Work.

Oft ergeben sich die genannten Schwerpunkte recht spät, d.h. erst im Rahmen von Praktika oder den schließlich gewählten Einstiegspositionen.

Das Gespräch führte Helge Weinberg, Herausgeber HR JOURNAL.

Personalarbeit im Jahr 2024 – dreiteilige Serie im HR JOURNAL

  • Der erste Teil der Serie erschien am 16. September. Themen: „Wie stellt sich die Lage für HR im Jahr 2024 dar?“ und „Was sind die aktuellen Aufgaben von HR?“
  • Im zweiten Teil am 23. September ging es um die größten Herausforderungen für HR, um das, was gut läuft, und das, was den Personalverantwortlichen oft schwerfällt. Und welche Aufgaben HR mit Blick auf die Zukunft prioritär angehen sollte.

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Peter M. Wald

Prof. Dr. Peter M. Wald studierte von 1981 bis 1985 und promovierte 1988. Ab 1991 war er im Bereich Human Resources von nationalen und internationalen Unternehmen und ab 2002 als Professor an der HTW Dresden tätig. Seit 2009 ist er Professor für Personalmanagement an der Fakultät Wirtschaftswissenschaft und Wirtschaftsingenieurwesen der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig. Er ist Autor und Co-Autor verschiedener Beiträge zu den Themenbereichen Recruiting/Candidate Experience sowie Arbeit 4.0. In der Forschung interessiert ihn vor allem der Einsatz digitaler Medien bei der Mitarbeiterführung. Prof. Wald ist aktiver Twitterati und bloggt im eigenen Leipziger HRM-Blog.

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