Laut einer Studie des Centre of Human Resources Information Systems haben persönliche Ansprache und soziale Vernetzung spürbar an Bedeutung gewonnen.
Die Personalbeschaffung ist im Umbruch, selten waren ihre Methoden so vielschichtig wie heute. Der massive Shift ins Digitale, den wir in den vergangenen Monaten beobachten konnten, trägt sein Übriges zum Wandel in der Mitarbeiterakquise bei. Mit seinem Themenspecial „Social Recruiting und Active Sourcing“ liefert das Centre of Human Resources Information Systems (CHRIS/Universität Bamberg) weitreichende Einblicke in den aktuellen Status Quo des Beschäftigungsmarktes. Im Rahmen der von Monster Deutschland beauftragten Studie* wurden sowohl Personalverantwortliche aus Top-1.000-Unternehmen und die 300 größten Unternehmen der IT-Branche als auch über 3.500 Kandidaten um ihre Einschätzung gebeten.
„Going Social“ – persönlicher Dialog verbindet
Eine wohl entscheidende Erkenntnis: Es gibt zahlreiche erfolgsverheißende Strategien und Kanäle, über die Unternehmen auf Talente zugehen können. Dabei zeichnet sich sowohl für das Recruiting als auch für Active-Sourcing-Konzepte ab, dass der individuelle Dialog trotz Mehraufwand nicht nur gewünscht, sondern ebenso lohnenswert ist. Denn laut Studie haben persönliche Ansprache und soziale Vernetzung im vergangenen Jahr spürbar an Bedeutung gewonnen – und das sowohl für Kandidaten als auch für Unternehmen, die auf der Suche nach neuen, qualifizierten Mitarbeitern sind.
Bei sechs von sieben Neueinstellungen wird der Mammutanteil zwar nach wie vor mit den klassischen Methoden der Personalbeschaffung gestemmt. Das klassische Recruiting wird jedoch zusehends „sozialer“ und rückt immer stärker in den Fokus moderner HR-Maßnahmen. Während im Zuge von Social-Recruiting-Maßnahmen die Stellenausschreibung gezielt über Social-Media-Kanäle an potenzielle Kandidaten herangetragen wird, steht beim Active Sourcing die Akquise von Talenten und qualifizierten Mitarbeitern im Fokus. Wie das Themenspecial der Recruiting-Studie zeigt, profitieren Unternehmen und Kandidaten vor allem dann, wenn durch den Einsatz dialogintensiver Formate wie Social Media oder Events beide Perspektiven näher zusammenrücken.
Unternehmen und Recruiter setzen auf Networking
Eine interessante Entwicklung gleich zu Beginn: 2019 wurden 86 Prozent der freien Stellen über die eigene Unternehmenswebsite veröffentlicht – ein deutlicher Rückgang im Vergleich zum Vorjahr, als dieser Wert noch bei satten 95 Prozent lag. Noch deutlicher wird der Trend zur persönlichen Vermittlung beim Blick auf all jene Vakanzen, die über Mitarbeiterempfehlungen kommuniziert wurden. Hier ist der Anteil in nur einem Jahr von 30 auf 43 Prozent angestiegen. In die gleiche Kerbe schlägt die zunehmende Nutzung von Karrierenetzwerken – das Thema Networking steht hoch im Kurs bei Talentsuchenden: Der Social Recruiting-Anteil über Karrierenetzwerke ist von 32 auf 36 Prozent gestiegen. Bei den sozialen Netzwerkplattformen gab es ebenfalls einen Zuwachs von 14 auf 17 Prozent.
Kandidaten schätzen Internet-Stellenbörsen als solide Option
Immerhin die Hälfte aller Kandidaten, die aktiv auf der Suche nach einem neuen Job sind, steht auf Bewährtes: 55 Prozent der befragten Bewerber suchen ihren neuen Arbeitgeber über Ausschreibungen in Internet-Stellenbörsen. Allerdings zeichnet sich auch hier ein Trend zu dialogintensiveren Formen der Beschäftigungssuche ab. Er manifestiert sich unter anderem in der Prognose, dass die auf Platz 2 und 3 rangierenden Kanäle Karrierenetzwerke und Suchmaschinen künftig häufiger genutzt werden. Da sie schon heute mit jeweils etwas über 30 Prozent eine ausgeprägte Beliebtheit bei Kandidaten haben, erscheint es durchaus wahrscheinlich, dass sie in den kommenden Jahren noch stärker in Erscheinung treten werden. Mit gut 22 Prozent folgt der Klassiker unter den Suchoptionen schlechthin: Die Empfehlung über Bekannte. Diese wird allerdings mit Zurückhaltung betrieben, da nach Aussage der Befragten oft die Sorge mitschwingt, dass eine missglückte Empfehlung auf ihre eigene Reputation zurückfällt.
Während Kandidaten ihre Suche nach neuen Arbeitgebern noch vergleichsweise konservativ gestalten, kann den Unternehmen bereits durchaus eine deutliche Öffnung hin zu dialogintensiveren Social-Recruiting-Konzepten attestiert werden. Zudem bieten soziale Kanäle die Option, talentfokussiert vorzugehen und – unabhängig von konkreten Stellenbedarfen – Active Sourcing zu betreiben. Tim Weitzel, Studienleiter und Professor am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik der Universität Bamberg, zeigt in der Studie, wie wichtig die Direktansprache noch immer ist. „Was würden die Recruiter der 1.000 größten deutschen Unternehmen mit einer frei verfügbaren Stunde mehr pro Tag anfangen? Die Top-Antwort ist ‚mehr Active Sourcing‘“.
Active Sourcing: Was ersetzt Messen und Events?
Wenn es um die aktive Rekrutierung von Talenten geht, dann weisen die Ergebnisse der Studie eindeutig einen Trend zur persönlichen Begegnung auf – zugleich müssen sie vor dem Hintergrund der Pandemiemaßnahmen völlig neu bewertet werden. Denn laut Befragung setzen die HR-Verantwortlichen der Top-1.000-Unternehmen beim Active Sourcing verstärkt auf Karriere-Events und Personalmessen. Sie bieten 48 Prozent ihrer offenen Stellen, für die sie aktiv nach passenden Besetzungen suchen, über Karriere-Events (24 Prozent) und Personalmessen (24 Prozent) an. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es 19 Prozent für Karriere-Events und 17 Prozent für Personalmessen. In der IT-Branche haben sich diese Formen der aktiven Talentsuche zu regelrechten Shooting-Stars entwickelt: In Summe wurden 2019 über beide Kanäle rund 52 Prozent aller offenen Stellen kommuniziert. 2018 waren es lediglich 38 Prozent. Die Event-Kalender der Personalverantwortlichen und Recruiter waren Anfang des Jahres also sicherlich gut gefüllt – der Großteil der Karriereveranstaltungen musste allerdings im Laufe der vergangenen Monate abgesagt werden.
Deshalb werden die Auswirkungen der Corona-Pandemie talentsuchenden Unternehmen einiges an Einfallsreichtum abverlangen. Wie können sie dafür sorgen, dass die florierende Begegnungskultur auf dem Karrieremarkt auch unter diesen besonderen Umständen erhalten bleibt? Die Antwort liegt sicherlich in digitalen Angeboten wie etwa Online-Summits, Wettbewerbe oder Thinktanks, bei denen die aktive Beteiligung von Kandidaten im Vordergrund steht.
Gerade die IT-Branche hat mit dem Hackathon ein erstklassiges Format, das sich online realisieren lässt und neben frischen Software-Ideen vor allem Einblicke in die Kooperationsfähigkeit, die Fachkenntnisse und die Flexibilität von Coding-Profis bietet. Dennoch wird es eine kaum zu lösende Herausforderung werden, die Reichhaltigkeit persönlicher Begegnungen auf die rein virtuelle Ebene zu übertragen. Eine Herausforderung, die eine Integration unterschiedlicher Kanäle fordert und auf kurz oder lang hybride Modelle hervorbringen wird, in die nach und nach wieder verstärkt Präsenzanteile einfließen werden.
Keine Schüchternheit bei der Arbeitgebersuche
Während Kandidaten beim Recruiting, also bei konkreten Stellenausschreibungen, mit Empfehlungen zurückhaltend sind, ist beim Active Sourcing von Schüchternheit wenig zu merken: Der Topmotor für die Arbeitgebersuche ist das persönliche Empfehlungsmarketing. Schließlich nutzen mit 54 Prozent über die Hälfte aller Kandidaten Empfehlungen durch Bekannte, um von Personalern angesprochen zu werden. Ein Großteil der Bewerber macht zudem das eigene Jobprofil publik, um einen Fuß in die Tür von Unternehmen zu bekommen. Auch hier spielen Online-Netzwerke eine große Rolle. 51 Prozent der Jobsuchenden veröffentlichen ein Profil in einem Karrierenetzwerk, 46 Prozent in der Lebenslaufdatenbank einer Internet-Stellenbörse.
Übergänge werden fließend: Social Media verbindet
Je aktiver und persönlicher der Dialog zwischen Unternehmen und Kandidaten, umso näher rücken Recruiting und Active Sourcing zusammen. Durch die Einbindung von Social-Media-Kanälen und eine insgesamt progressivere Dialogbereitschaft verwandelt sich die klassische Personalbeschaffung in einen sozialen Prozess. Aus Recruiting wird Social Recruiting. Die Studie spricht eine deutliche Sprache, was diesen Trend betrifft: Während 2018 lediglich 23 Prozent der Top-1.000-Unternehmen eine spezifische Strategie für den Einsatz von Social Media in der Personalbeschaffung hatten, sind es nur ein Jahr später schon gute 40 Prozent.
Social Media gewinnt zudem als Bindeglied zwischen Recruiting und Active Sourcing an Bedeutung. Hätten Recruiter pro Tag eine Stunde mehr Zeit, würden Sie unter anderem ihre Active-Sourcing-Maßnahmen sowie die interne und externe Netzwerk-Arbeit ausbauen. 61 Prozent der befragten Unternehmen stimmen den Einsatz von Social Media zudem mit anderen Personalbeschaffungsaktivitäten ab.
Die Ansprache muss allerdings personalisiert und damit relevant sein, da Active Sourcing sonst auch für das Recruiting zum Boomerang werden kann: Immerhin 10 Prozent der befragten Kandidaten sind durch die Direktansprache von Unternehmen genervt; 20 Prozent schließen nach einer verfehlten oder zu häufigen Direktansprache sogar aus, sich jemals bei dem betreffenden Unternehmen zu bewerben. Dieser Gefahr kann durch personalisierte Kommunikationskonzepte und klare Botschaften gebannt werden – womit wieder einmal der hohe Stellenwert einer „persönlichen Note“ unterstrichen wird.
*Die Studie:
Für die aktuelle Ausgabe der Studienreihe Recruiting Trends 2020 wurden die Top-1.000 Unternehmen (Rücklaufquote 12,7 Prozent) und die 300 größten Unternehmen aus der IT-Branche (Rücklaufquote 10,7 Prozent) aus Deutschland befragt und die Ergebnisse mit den Resultaten des Nutzungsverhalten und den Einschätzungen von über 3.500 Kandidaten verglichen. Die Verteilung der Stichproben der Unternehmen ist gemäß dem aktuellen Datenbankregister von Bisnode hinsichtlich der Merkmale Umsatz, Mitarbeiterzahl und Branchenzugehörigkeit in Bezug auf die entsprechende Grundgesamtheit repräsentativ. Details zur Durchführung der Studie sowie eine Beschreibung der Studienteilnehmer sind online verfügbar.