Bei Fehlentscheidungen in die Privatinsolvenz gehen? Rechtsanwalt Jan-Moritz Degener erklärt, was Führungskräfte, Geschäftsleiter und Eigentümer tun können.
Besonders im Mittelstand steigt laut dem Spezialversicherer Howden Germany die Anzahl der Manager, die nach Fehlentscheidungen im Job ihr Vermögen an ihr Unternehmen oder Dritte verlieren. Dafür existieren zahlreiche Szenarien. Daher brauchen Führungskräfte, Geschäftsleiter und Eigentümer eine Strategie, um sich gegen solche Risiken abzusichern.
Mittelstand besonders betroffen
Die Zahlen lassen aufhorchen: Schon 2018 gab es rund 6.000 Haftungsverfahren in Deutschland, die ihren Ursprung in behauptetem Fehlverhalten von Verantwortlichen haben. In Rede stehen dabei durchweg Schadenersatzforderungen in sechs- und siebenstelligen Größenordnungen. Für Unternehmer und Geschäftsleiter bestehen daher weitreichende Risiken im Sinne der Organhaftung: Trotz sorgfältig dokumentierten Vorgängen ist eine Haftung rechtlich niemals gänzlich ausgeschlossen – besonders aufgrund fahrlässig herbeigeführter Ereignisse, ob persönlich oder durch Dritte verursacht.
Besonders im Mittelstand steigt laut dem Spezialversicherer Howden Germany die Anzahl der Manager, die nach Fehlentscheidungen im Job ihr Vermögen an ihr Unternehmen oder Dritte verlieren. Und: Die Durchgriffshaftung hat Manager schon in die Privatinsolvenz geführt. So ist der Vorstand eines großen Unternehmens schon vor einigen Jahren zu Schadensersatz in Höhe von 15 Millionen Euro verurteilt worden, weil er sich der Pflichtverletzung hinsichtlich der Compliance schuldig gemacht hatte.
Weitreichende Haftungsforderungen keine Seltenheit
Solche Summen sind zwar eher die Ausnahme als die Regel. Aber weitreichende Haftungsforderungen sind keine Seltenheit. Es existieren genügend Szenarien, in denen sich weder Geschäftsführer noch Gesellschafter oder Geschäftsführer-Gesellschafter auf die Rechtsform berufen und eine vollständige Haftungsfreistellung erreichen, sodass es zu einem Durchgriff auf das Privatvermögen von GmbH-Organen kommen kann. Immer wieder begegnet man in der Praxis Fällen, in denen vor allem Geschäftsführer-Gesellschafter, wie sie im Mittelstand eher die Regel als die Ausnahme sind, sich schwerwiegenden Haftungsforderungen ausgesetzt sehen, die nicht selten sogar mit strafrechtlichen Untersuchungen verbunden sind.
Pflichtwidriges Handeln kann zu Schadensersatzzahlungen führen
Ein typischer Fall ist der Verstoß gegen die Pflichten des ordentlichen Kaufmanns. Der Geschäftsführer muss die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns bei allen GmbH-Geschäften anwenden und auf der Grundlage der Vorgaben der Gesellschafter den Gesellschaftszweck aktiv fördern und Schaden von der GmbH abwenden. Pflichtwidriges Handeln kann gegenüber der GmbH zu Schadensersatzzahlungen führen. Das folgt den Verpflichtungen aus § 43 des GmbH-Gesetzes, das die „Haftung der Geschäftsführer“ beschreibt. Die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes umfasst die Pflichten, die Geschäfte der GmbH auf Dauer gewinnbringend zu führen, den Namen und Ruf der GmbH zu verbessern und ihn nicht zu schädigen, bei unternehmerischen Handlungen kein Geschäftsrisiko einzugehen und Eigeninteresse hinten anzustellen und bei Interessenkollisionen immer den Vorteil der GmbH zu wahren.
Ebenso ausgeführt werden die Verpflichtungen in §§ 17, 48 bis 58, 238ff. Handelsgesetzbuch. Darin heißt es beispielsweise, dass jeder Kaufmann verpflichtet ist, Bücher zu führen und in diesen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ersichtlich zu machen. Die Buchführung muss danach so beschaffen sein, dass sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens vermitteln kann. Die Geschäftsvorfälle müssen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen.
Der Gesetzgeber verfolgt alle steuerlichen Verstöße
Immer häufiger kommt es beispielsweise derzeit im Bereich der steuerlichen Compliance zu Haftungsforderungen. Das passiert dann, wenn der Geschäftsführung steuerliche Verstöße der Mitarbeiter, etwa bei der Umsatzbesteuerung oder der Rechnungsstellung generell, angelastet werden. In der Folge werden die Organe von den Steuerbehörden dafür in Regress genommen. Um dies zu vermeiden, kommt es auf professionelle interne Strukturen an, die darauf ausgelegt sind, dass es nicht zu den Verstößen kommen kann. Der Nachweis eines Internen Kontrollsystems (IKS) für die verpflichtende Einhaltung der steuerlichen Compliance hilft der Geschäftsführung im Schadensfall. Der Gesetzgeber verfolgt alle steuerlichen Verstöße, auch solche wegen Kommunikationslücken und Handhabungsfehlern, und sanktioniert diese Verstöße gegen die Steuergesetze in jederlei Hinsicht – egal ob ertrag- oder auch umsatzsteuerlich – nach strengen Vorgaben. Das gilt für jede Branche und Unternehmensgröße.
Für angestellte Geschäftsleiter und Geschäftsleiter kann auch die wirtschaftliche Krise weitreichende persönliche Haftungsschwierigkeiten mit sich führen. Insolvenzverschleppung (auch unbeabsichtigt) oder das Verschweigen der Insolvenzreife bedingen Haftungsansprüche durch dritte Parteien und werden in der Regel auch strafrechtlich verfolgt. Im Übrigen haften die Organmitglieder darüber hinaus gegenüber dem Sozialversicherungsträger persönlich für die Vorenthaltung von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung. Unternehmen und Organe in einer wirtschaftlichen Krise sollten sich dementsprechend nicht nur hinsichtlich der Sanierung beraten lassen, sondern immer auch die Risiken der Organe im Blick haben.
D&O-Versicherung kein Freibrief für pflichtwidriges Verhalten und fahrlässiges Management
Eine wesentliche Schutzfunktion übt die Managerhaftpflichtversicherung (D&O) aus. Sie sichert Führungskräfte und Organe eines Unternehmens gegen Schadensersatzansprüche wegen angeblicher unternehmerischer Fehlentscheidungen ab. Mit einer D&O-Versicherung erhalten Manager und Eigentümer die Freiheit, auch schwierige unternehmerische Entscheidungen nach sorgfältiger und gewissenhafter Prüfung zu treffen, weil sie ihr Privatvermögen vor Haftungsforderungen schützen. Dass die D&O-Versicherung indes keinen Freibrief für pflichtwidriges Verhalten und fahrlässiges Management (und erst recht nicht für absichtliche und strafrechtliche relevante Fehlverhalten), versteht sich dabei von selbst.
Generell ist es wichtig für Geschäftsleiter und Führungskräfte, sich über die weitreichenden Haftungsschwierigkeiten, die in der Praxis auftauchen können, bewusst zu werden. Erst dann lassen sich Prozesse so strukturieren, dass ein weitblickender Umgang mit diesen Haftungsrisiken entsteht. Es geht darum, jederzeit professionell, zuverlässig und rechtssicher agieren. Das gilt sowohl nach innen als auch nach außen.
Jan-Moritz Degener ist Rechtsanwalt und Partner bei Beiten Burkhardt. Seine Tätigkeit umfasst unter anderem die Beratung in den Bereichen Unternehmensrecht, Mergers & Acquisitions und Corporate Finance. Mehr Informationen.