Dank der Macht der Daten kann aus der „Great Resignation“ ein „Great Hiring“ werden, meint Alessandro Raguseo, CEO Reverse Deutschland. Eine detaillierte Datenanalyse des Personalbeschaffungsprozesses ist grundlegend für das Headhunting.
Den Markt durch Datenanalyse durchschauen
Beginnen wir mit einer notwendigen Prämisse: Ohne Datenanalyse ist Recruiting heute nicht möglich.
Für diejenigen, die in diesem Sektor arbeiten, ist es undenkbar, ohne einen wissenschaftlichen und analytischen Überblick über den Arbeitsmarkt nach Talenten zu suchen. Dies ist insbesondere in einer Zeit notwendig, die komplexer ist als vor zwei oder drei Jahren. Wie das Phänomen der „Great Resignation“ zeigt, erlebt Deutschland einen dramatischen Personalmangel und einen starken Wettbewerb um die besten Fachkräfte.
Dank der schier unendlichen beruflichen Möglichkeiten auf globaler Ebene sind sich Bewerberinnen und Bewerber der Anforderungen bewusst, die sie stellen können. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, den Arbeitsplatz zu wechseln, wenn sie nicht vollkommen zufrieden sind. Arbeit wird immer mehr zu einem Anzug, der auf individuelle Bedürfnisse zugeschnitten sein muss und neben Sozialleistungen und einer guten Work-Life-Balance zudem einen Karriereweg ermöglichen muss. Sich in einer so dynamischen Welt zu bewegen, ohne die Marktzahlen zu kennen, ist überholt und teils naiv.
CEOs, direkte Vorgesetzte und das gesamte Management müssen mit einer objektiven Realität konfrontiert werden, um die Situation richtig einzuschätzen und entsprechend handeln zu können. Reicht die Kommunikation des Wertes Ihres Unternehmens ab einem gewissen Punkt nicht mehr aus, ist es elementar zu reflektieren, was falsch läuft.
Wie viele und welche Parameter müssen wir an unserem Angebot ändern, um attraktiv zu sein? Worauf können wir als Unternehmen bei der Suche verzichten, wenn wir es uns nicht leisten können, die Parameter zu ändern? An dieser Stelle kommen Daten ins Spiel: Daten zeigen analytisch, dass es beispielsweise durch den Verzicht auf eine bestimmte Fähigkeit möglich ist, gleich drei Bewerberinnen / Bewerber mehr zu finden. Die Lücke der fehlenden Kompetenz kann oft genauso gut durch eine firmeninterne Schulung geschlossen werden.
Was lässt sich über Schulungen sagen?
Nehmen wir ein praktisches Beispiel: Oft kommt es vor, dass wir uns auf bestimmte Fähigkeiten bei Bewerbenden konzentrieren und sich eine Suche daher unnützerweise über Monate ziehen kann. Wenn dem Management vorgeschlagen wird, die Anforderungen herunterzustufen und die fehlenden Fähigkeiten der Person intern zu schulen, ist die Antwort im Prinzip immer dieselbe: „Es dauert zu viel Zeit, eine Person zu schulen!“ Aber wie viel Zeit geht tatsächlich während der Suche nach der richtigen Person verloren?
Daten zeigen, dass eine Suche von sechs Monaten nach dem perfekten Talent der Zeit entspricht, die man benötigt, um eine Person zu schulen. Der Unterschied ist, dass bei ersterem nicht garantiert werden kann, dass nach dieser Zeit die richtige Person gefunden wird. Bei zweiterem kann man sich jedoch sicher sein, dass in den sechs Monaten die erforderlichen Fähigkeiten durch strukturierte Schulungen angeeignet werden können.
Umso mehr zeigen Studien, dass Mitarbeitende durch Schulungen stärker motiviert werden, Ziele anzustreben und zu erreichen. Durch Anerkennung und Wertschätzung wird ihre Produktivität gesteigert und sie bleiben zusätzlich tendenziell länger im Unternehmen.
Daten geben detaillierte Insights
Es ist zu beachten, dass es heutzutage nicht mehr die Unternehmen sind, die wählen dürfen – es ist der Markt, der es für sie tut. Wenn man keine fundierten Entscheidungen auf Grundlage von Vorhersagedaten trifft, wird man immer aus einer subjektiven Perspektive handeln, was langfristig nicht funktioniert. Ein Beispiel: Um ein Geschäft abzuschließen, brauchen Projektmanagerinnen / Projektmanager eine Person vom Fach, die mit dem Kunden kommuniziert. Wird diese nicht gefunden, ist die direkte Folge ein nicht unterzeichneter 50.000-Euro-Vertrag. In diesem Fall ist die Geschwindigkeit der Einstellung alles: Die Person muss gefunden werden – und zwar schnell.
Der Verzicht auf eine erforderliche Fähigkeit oder die Erhöhung des Gehaltsbudgets mögen kurzfristig wie ein Opfer erscheinen, ermöglichen es aber, eine Person einzustellen, die das Geschäft abschließt. Sich auf Headhunting- und Beratungsunternehmen zu verlassen kann hier von großer Hilfe sein. Sie verfügen über Tools, dank welcher sie objektive Daten über die spezifischen Personalbeschaffungsprozesse des eigenen Unternehmens und einen Überblick über den restlichen Arbeitsmarkt liefern können.
Anhand der vorliegenden Zahlen wird deutlich, um wie viel das Gehalt angehoben werden muss, um den Angeboten auf dem Markt zu entsprechen. Unternehmen lernen auf diese Weise auch, wie viele neue Bewerbende erreicht werden können, wenn auf bestimmte Fähigkeiten verzichtet wird. Hier liegt der große Vorteil von Zahlen: Die detaillierte Analyse des Personalbeschaffungsprozesses kann grundlegend für das Headhunting sein. Dank der Macht der Daten kann aus der „Great Resignation“ ein „Great Hiring“ werden.
Daten beschleunigen Prozesse
Angesichts des bisher Gesagten sollte berücksichtigt werden, dass deutsche Personalbeschaffungsverfahren noch immer sehr zähen und komplexen Prozessen unterliegen. Laut einer Studie von stellenanzeigen.de benötigen 35 Prozent der Unternehmen rund vier oder mehr Wochen, um eine Bewerbung zu prüfen. Für jede/n fünfte/n Bewerberin / Bewerber in ist diese Zeit zu lang, ganz zu schweigen davon, dass bei 15 Prozent noch weitere Auswahlverfahren laufen, deren Angebote abgewägt werden müssen.
Hinzu kommt, dass deutsche Unternehmen ab dem 1. August 2022, entgegen dem europäischen Trend hin zur digitalen Arbeit, wieder auf Papierverträge zurückgreifen und diese per Post verschicken müssen. Es ist klar, dass der Zeitrahmen gestrafft werden muss, um auf dem heutigen Markt wirklich wettbewerbsfähig zu sein.
Auch hier kommt uns die Nutzung von Daten zu Hilfe. Zahlenquellen, die wissenschaftlich belegen, wie schnell die eigenen Personalbeschaffungsprozesse im Vergleich zu nationalen und internationalen Wettbewerbern sind, sind hilfreiche Fakten, um zu verstehen, wie man fortfahren sollte.
Letztlich lautet die Devise für das heutige Geschäft: „Daten, nicht Meinungen“. Sich von Zahlen leiten zu lassen und auf Menschen zu verlassen, die über die nötigen Instrumente verfügen, um sie zu interpretieren, kann wirklich etwas bewirken. So kann man als Unternehmen auch in einer zunehmend wettbewerbsorientierten Welt fortbestehen.
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Alessandro Raguseo ist CEO von Reverse Deutschland. Nach dem Studium der Politikwissenschaften kam er zu einer HR-Beratungsfirma und erlangte dort in wenigen Jahren einen Sitz im Board of Directors. Er besetzte unterschiedliche Positionen: vom Recruiter bis zum Sales-Manager, vom Filialleiter bis zum Regionalmanager, vom Vertriebsleiter bis zum organisatorischen Leiter HR und Informationssysteme. Nach einem Executive MBA an der London Business School beschloss er, im Bereich Recruitment eine neue Firma zu gründen, die Menschen und Digitales vereint. 2017 dann der große Schritt: Seine Karriere im Bereich HR gipfelt in der Neugründung von Reverse, einem Headhunting- und HR-Beratungsunternehmen, das heute international tätig ist, mit Kunden in ganz Europa und darüber hinaus.