Sie schätzen eine Vertrauenskultur und machen agiles Arbeiten möglich. Philipp Riedel beschreibt die drei Schritte zum Multi Project Working im Unternehmen.
Unsere Arbeitswelt dreht sich immer schneller, sie wird vernetzter und dynamischer. Diese Entwicklungen machen es dringend erforderlich, dass sich auch Unternehmen diesen Anforderungen anpassen und die Agilität in ihren Strukturen, Prozessen und ihrem Projektmanagement beibehalten beziehungsweise sogar noch kontinuierlich erhöhen. Doch wie kann agiles Arbeiten gelingen, um Ideen, Projekte und Prozesse zeitnah umzusetzen?
Hier zeigt ein Trend aus den USA, dass sich das alte Rollenmodell vom Angestellten innerhalb einer fixen Abteilung in immer mehr Unternehmen wandelt und abgelöst wird vom sogenannte Multi Project Worker. Eine Person, deren Tätigkeitsfeld man etwas unschön mit dem deutschen Begriff „temporärer Mitarbeiter“ übersetzen könnte. Diese Umschreibung ist jedoch missverständlich, da wir hier nicht von der Überbrückung von vorübergehenden Engpässen sprechen, die meist mithilfe von externen Arbeitsquellen, wie Freelancern oder Interimsmanagern, erfolgt.
Spezielle Fertigkeiten – unternehmensübergreifend tätig
Multi Project Worker hingegen sind interne Arbeitskräfte, die über spezielle Fertigkeiten verfügen und weniger an bestimmte Positionen oder Abteilungen gebunden sind, sondern zu einem bestimmten unternehmensübergreifenden Spezialisten-Pool gehören, auf die man je nach Projekt und den damit einhergehenden Anforderungen zugreift. Abhängig vom einzelnen Projekt herrschen unterschiedliche Teamzusammensetzungen und verschiedene Weisungsgebundenheiten.
Entstanden aus dem Wunsch der Generation Z nach mehr Autonomie und Flexibilität, lässt sich das Phänomen Multi Project Worker als Teil der New Work Bewegung sehen, dessen Einsatzmöglichkeiten sich durch digitale Tools in vielen unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern stetig erweitern. Doch nicht nur Mitarbeiter profitieren durch den Wandel und die Diversifizierung ihrer Jobbeschreibungen und Aufgabenfelder hin zu einem Multi Project Worker, sondern auch für Unternehmen bietet ein Umdenken in diese Richtung eine Vielzahl an Vorteilen.
Vernetzung innerhalb des Unternehmens wird verstärkt
Nicht nur wird die Attraktivität des Arbeitgebers, insbesondere in Hinblick auf die Millenials erhöht, sondern auch die Vernetzung innerhalb des Unternehmens wird verstärkt und fördert somit die Innovationskraft der Firma. Zudem bietet der Einsatz von Multi Project Workern den Vorteil, dass Unternehmen sehr agil Projekte umsetzen können und Expertise, nicht wie bei Freelancern und anderen externen Dienstleistern, nach Abschluss eines Projektes das Unternehmen wieder verlässt, sondern im Unternehmen bleibt und somit ein Wissensverlust verhindert wird. Spezialwissen aus einzelnen Abteilungen wird so für das ganze Unternehmen verfügbar und andere Teams profitieren von dem neuen Input.
Meist sind noch Hierarchien und starre Positionen vorherrschend
Doch trotz der zahlreichen Vorzüge ist in Deutschland dieser Trend in den meisten Unternehmen noch nicht angekommen. Hier sind vielfach noch Hierarchien und starre Positionen und Abteilungen vorherrschend, obwohl sich prinzipiell betrachtet zunächst jeder Bürojob zur Umgestaltung in eine Multi Project Worker Position infrage kommt. Zu beachten ist jedoch, dass Positionen, bei denen ein Großteil der Arbeit Routineaufgaben sind, sich weniger dafür eignen, da hier ein klares zeitlich- und projektbegrenztes Arbeiten nur schwer zu definieren ist.
Umstellung zu Multi Project Working in drei Schritten
Für alle anderen Jobs lässt sich die Umstellung zu Multi Project Working erfolgreich mittels folgender Bausteine umsetzen:
1. Heranführung der Mitarbeiter an projektorientiertes Arbeiten
Um Mitarbeiter zukünftig besser Projekten und den dazugehörigen Teamkonstellationen zuordnen zu können, muss zunächst eine Identifizierung der Stärken und Fähigkeiten der einzelnen Mitarbeiter erfolgen. Anschließend können die Aufgabenfelder der Mitarbeiter zum Beispiel mithilfe eines Projektplans mit Meilensteinen zu Projekten umformuliert werden. Weitere Elemente an die schrittweise Heranführung an projektorientiertes Arbeiten beinhalten die Erhöhung der Autonomie, indem beispielsweise die Anzahl der Absprachen und Feedbackschleifen reduziert werden, sowie die Flexibilisierung von Arbeitszeiten und -räumen, durch das Aufheben fester Arbeitsplätze, die Gestaltung von Open Space Räumen und ansprechenden Get-Together-Bereichen.
2. Anpassung Recruiting-Prozess – Soft Skills im Vordergrund
Die zweite Stellschraube, um eine Kultur von Multi Project Workern im eigenen Unternehmen zu implementieren, erfolgt durch das Recruiting dafür passender Kandidaten. Folglich sollte der Fokus in Stellenbeschreibungen weniger auf Tätigkeitsbeschreibungen und Aufgaben liegen, sondern eher auf den Soft Skills, die der zukünftige Mitarbeiter, wenn möglich mitbringt. Besonders Teamfähigkeit, Flexibilität, Neugierde, Kreativität und autonomes Arbeiten sind hier von Bedeutung. Außerdem spielen allgemeine und soziale Intelligenz eine entscheidende Rolle bei der Auswahl. Um diese Fähigkeiten und Skills zu prüfen muss das persönliche Kennenlernen der Kandidaten angepasst werden, indem weniger klassische Vorstellungsgespräche erfolgen, denn diese führen nur selten dazu, dass die Eignung eines Bewerbers als Multi Project Worker tatsächlich festgestellt werden kann. Vielmehr lohnt es sich, sogenannte Schnupper-Tage zu veranstalten, bei denen der Kandidat direkt in verschiedenen Projekten eingesetzt wird und seine Fähigkeiten unter Beweis stellen kann.
3. Ziel: Vertrauenskultur. Verankerung des Multi Project Managements im Unternehmen
Der vielleicht wichtigste der drei Bausteine für einen gelungenen Einsatz von Multi Project Workern besteht darin, den Stellenwert von Multi Project Management im Unternehmen zu erhöhen und in der Unternehmenskultur zu verankern. Hierfür muss zum einen eine Vertrauenskultur aufgebaut werden, die das selbstständige Arbeiten des einzelnen Mitarbeiters in den Mittelpunkt stellt. Führungskräfte müssen lernen, Kontrolle abzugeben und die Autonomie ihrer Teammitglieder proaktiv zu fördern. Des Weiteren muss die Organisationsstruktur, sowie die damit verbundenen Prozesse, dementsprechend umstrukturiert werden, um ein möglichst reibungsloses Arbeiten von Multi Project Workern zu gewährleisten. Zum anderen muss ein Umdenken in der Betrachtung von Projekten erfolgen. Projekte sollten nicht als eher störende Ausnahmen betrachtet werden, die den regulären Arbeitsfluss behindern, sondern als ein wichtiges, wertschöpfendes Element der täglichen Strategieentwicklung und -umsetzung, welches letztendlich einen maßgeblichen Einfluss auf den Unternehmenserfolg hat.
Durch die Umsetzung dieser drei Elemente, kann der Einsatz von Multi Project Workern gelingen und sowohl für Mitarbeiter als auch Unternehmen das Zukunftsmodell der Arbeit darstellen.
Philipp Riedel ist CEO der Personalberatung AVANTGARDE Experts. Seit 2018 treibt er die innovative Ausrichtung des Unternehmens voran. 2024 hat er erfolgreich den Zusammenschluss mit dem internationalen Personalberatungsunternehmen YER gemanagt, um gemeinsam die Marktpositionierung für die Besetzung von Arbeitsrollen in zukunftsfähigen Branchen wie Tech, Mobility und Energie auf dem deutschen Markt zu stärken. Im Sommer 2025 werden AVANTGARDE Experts und Staffxperts zur YER Deutschland GmbH. Foto: Maiwolf