Wie können Sie neue, gegenwärtige und zurückgewonnene Beschäftigten halten? Anne M. Schüller beschreibt, was Mitarbeiterloyalität ausmacht und was sie von Mitarbeiterbindung unterscheidet.
Dies ist der 1. Teil einer 5-teiligen Serie von Anne M. Schüller im HR JOURNAL zu der Frage, was Unternehmen tun können, um die Mitarbeiterloyalität zu stärken.
Homeoffice und hybrides Arbeiten haben viele Vorteile. Doch sie führen auch zu einem schleichenden Abnabelungsprozess. Neue Phänomene wie Great Resignation, Loud Quitting und Quiet Quitting kommen hinzu. Schließlich hat inzwischen ein Boomerang-Effekt eingesetzt. Mitarbeitende, die das Unternehmen verlassen hatten, kehren zurück, weil es anderswo doch nicht so ansprechend war, wie gedacht.
Bei all dem spielt es eine zunehmend entscheidende Rolle, die neu eintretenden, gegenwärtigen und zurückgewonnenen Beschäftigten in den eigenen Reihen zu halten, die man halten und weiterentwickeln will. In diesem Kontext unterscheide ich zwischen Mitarbeiterbindung und Mitarbeiterloyalität.
Mitarbeiterloyalität rückt immer mehr in den Fokus
Noch nie war es so einfach wie heute, einen Überblick über die Angebote auf dem Arbeitsmarkt zu gewinnen. Die Meisten brauchen nicht mal mehr zu suchen, sie werden gefunden. Beinahe täglich prasselt ihnen Angebote ins Haus. So wird man ständig zur Untreue verführt. Vor allem die hochqualifizierten Leistungsträgerinnen / Leistungsträgern werden heftig umworben. Zunehmend sind sie auch ruckzuck absprungbereit, wenn ihnen etwas nicht passt. Und im Cyberspace erzählen sie der ganzen Welt, warum das so ist.
Damit rückt Mitarbeiterloyalität immer mehr in den Fokus. Lebenslang ist die nicht zu bekommen, das ist klar. Doch während der Zeit des Beisammenseins gibt ein loyaler Mitarbeitender sein Bestes: seine volle Arbeitskraft und sein ganzes Engagement. Zudem trägt er die frohe Botschaft nach draußen und sorgt somit dafür, dass neue gute Bewerberinnen / Bewerber angelockt werden. Loyale Beschäftigte sind auch viel eher bereit, die laufend notwendigen Veränderungsprozesse im Unternehmen mitzutragen.
Wer wie die jungen Firmen fast alles in Projektarbeit via Selbstorganisation erledigt, benötigt Teamloyalität von Anfang an. Sie muss quasi aus dem Stand heraus gelingen. Sie impliziert Verantwortungsbereitschaft, eine innere Verpflichtung und Integrität. Die einmal gefundenen Guten möglichst lange im Unternehmen zu halten und vielfältig einzusetzen, muss auf der Prioritätenliste eines jeden Arbeitgebers fortan ganz oben stehen. Für die Sinnsucher unter den Arbeitnehmern ist Loyalität unumgänglich.
Mitarbeiterloyalität – ein zunehmend wertvoller Schatz
Loyalität zählt zu unseren edelsten Werten. Sie ist nicht an einen Arbeitsvertrag gebunden. Man kann sie nicht erkaufen, nicht einfordern und schon gar nicht erzwingen. Man bekommt sie aus freien Stücken geschenkt. Sie ist eine starke innere Haltung. Sie löst nicht Bindung, sondern Verbundenheit aus. Solche Menschen sind – die notwendige Fachexpertise vorausgesetzt – wohl die wertvollsten Mitarbeitenden. Und Achtung: Ihre Konkurrenz wünscht sich diese am meisten.
Loyale Mitarbeitende sind ihrem Arbeitgeber vor allem im Herzen treu. Sie gehen engagierter und produktiver zur Sache. Sie machen sich Gedanken um das Wohl und Wehe der Firma. Sie identifizieren sich mit ihr und machen deren unternehmerische Interessen zu ihren eigenen. Sie sprechen oft, gut und gerne über ihre Firma – drinnen und draußen. Sie werden zu Corporate Influencern und empfehlen sowohl die Angebote als auch das Unternehmen als Arbeitgeber vehement weiter.
Eine Definition: Was Mitarbeiterloyalität heute bedeutet
Umschreiben wir zunächst, was Mitarbeiterloyalität definitorisch umfasst:
- freiwillige, möglichst anhaltende Treue
- hohes Engagement und Freude an der Arbeit
- Ambitionen und unternehmerisches Handeln
- Identifikation und emotionale Verbundenheit
- aktive positive Mund-zu-Mund-Werbung
Solche Loyalität entsteht durch Vertrauen und Anziehungskraft – nicht durch Druck oder Zwang. Sie zeigt sich auf vielfache Weise: Leistungsbereitschaft, Fairness, Verlässlichkeit und Aufrichtigkeit genauso wie Offenheit und Leidenschaft für den Zeitraum, in dem man zusammenarbeitet. Dies alles bekommt ein Arbeitgeber freilich nicht wie von selbst. Mitarbeiterloyalität muss man sich immer wieder neu verdienen.
Falsch verstandene Loyalität hingegen beruht auf blindem Gehorsam – bis hin zur Selbstaufgabe. Sie deckt unlautere Machenschaften und vertuscht unkorrektes Verhalten. Sie erduldet jede Mühsal und sitzt alles aus. Unreflektierte Jasager sind für jedes Unternehmen höchst gefährlich. Solche Loyalität ist hier also nicht gemeint. Der in unserem Sinne loyale Mitarbeitende tritt sogar dann für die Interessen seines Arbeitgebers ein, wenn er dabei persönlich anecken kann. Und er verzichtet auf das Verfolgen eigener, egoistischer Ziele, wenn diese dem Unternehmenszweck schaden.
Der Unterschied zwischen Mitarbeiterbindung und -loyalität
Bei der Mitarbeiterbindung, zunehmend auch Retention Management genannt, geht es um Maßnahmen, die ein Unternehmen aktiv einleitet, um die Mitarbeitenden, die man halten will, an das Unternehmen zu binden. Schon allein das Wort Bindung birgt in sich etwas Erzwungenes, fast möchte man an Fesseln denken. Loyalität hingegen ist ein ungeschriebener Vertrag, der auf ethischen Werten basiert. Wird dieser Vertrag gebrochen, spricht man von innerer Kündigung (Quiet Quitting), die lange unsichtbar bleibt, während sie schon ihre unheilsamen Bahnen zieht.
Mitarbeiterbindung entsteht auf vielerlei Weise. Dabei gibt es drei Oberformen:
- emotional
- faktisch
- monetär
Eine emotionale Bindung kann auf zweierlei Weise entstehen:
- normativ
- behavioral
Bei der behavioralen Bindung geht es um äußere emotionale Aspekte wie etwa der kurze Weg zum Arbeitsplatz, flexible Arbeitszeiten, Home-Office und Vier-Tage-Woche. Die normative Bindung hingegen entspringt einer inneren Verpflichtung. Sie ist die Art von Loyalität, die wir im Verlauf dieser Artikelserie weiter beleuchten wollen.
Mitarbeiterbindung: faktisch, kalkulativ, monetär
Die faktische Bindung wird über den juristischen Arbeitsvertrag geregelt, manifestiert damit nicht Freiwilligkeit, sondern Verpflichtung und Abhängigkeit. Eine Unterform davon ist
- kalkulativ
Bei dieser Form von Bindung erhofft sich der Mitarbeitende zum Beispiel Weiterbildungsmöglichkeiten und innerbetriebliche Aufstiegschancen.
Bei der monetären Bindung stehen finanzielle Interessen im Vordergrund. Klar kann man sich fast alles erkaufen, also auch die Treue seiner Mitarbeiter:innen. Doch selbst die berühmten „goldenen Handschellen“ in Form von Boni, Optionen und Gratifikationen können am Ende keine Loyalität erzwingen. Diese funktioniert ja wie eine Freundschaft: Man bekommt sie von Herzen geschenkt.
Mitarbeiterloyalität lässt sich nicht erkaufen
Loyalität braucht keine massiven Geldgeschenke, sondern vor allem zweierlei:
- eine sinnstiftende Arbeit, und
- ein positives Beziehungskonto.
Für leistungsstarke Beschäftigte ist – eine vernünftige Bezahlung vorausgesetzt – das rein Pekuniäre eher sekundär. Zu den faktischen Gegebenheiten werden vielmehr die emotionalen Werte, die eine Arbeitsbeziehung besitzt, hinzuaddiert. Fehlen emotionale Alleinstellungsmerkmale, dann muss das Arbeitsentgelt alleine begeistern. Denn dann macht das Monetäre den einzigen Unterschied. Es ist unser emotionales Ersatzprogramm. „Schmerzensgeld“ nennen wir das. Doch selbst, wer tief in die Tasche greift, erhält keine echte Loyalität. Geld kann ein gutes Gefühl nicht auf Dauer ersetzen.
Das Buch zum Thema, Managementbuch des Jahres
Anne M. Schüller:
Das Touchpoint-Unternehmen
Mitarbeiterführung in unserer neuen Businesswelt
Gabal Verlag, 368 Seiten
ISBN: 978-3-86936-550-3
Auch als Hörbuch erhältlich
Lesen Sie auch die weiteren Beiträge von Anne M. Schüller:
- Wenn die Belegschaft die Gewissensfrage stellt
- Von „aufgehängten“ Mitarbeitern bekommt man gar nichts
- Ihr Unternehmen: konformistisch oder nonkonformistisch?
Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Zu diesen Themen hält sie Impulsvorträge auf Tagungen, Fachkongressen und Online-Events. 2015 wurde sie für ihr Lebenswerk in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen. Beim Business-Netzwerk Linkedin wurde sie Top-Voice 2017 und 2018. Von Xing wurde sie zum Spitzenwriter 2018 und zum Top Mind 2020 gekürt. Ihr Touchpoint Institut bildet zertifizierte Touchpoint Manager und zertifizierte Orbit-Organisationsentwickler aus.