Wie gelingt der Spagat zwischen Mitarbeiterbindung und unternehmerischen Zielen in der neuen Arbeitswelt? Von Stefan Mauersberger, Kincentric, erfahren Sie mehr.
Die Pandemie hat zu einer Kräfteverschiebung in deutschen Unternehmen geführt: Mitarbeitende fordern mehr Einfluss auf ihre Beschäftigungsbedingungen. Der Trendreport von Kincentric zeigt, dass das Mitarbeiterengagement unterhalb der Werte von vor COVID-19 liegt. Die Folge ist ein dramatischer Anstieg der Fluktuation in Unternehmen.
Zahlreiche Unternehmen, die angesichts steigender Impfquoten und gelockerter Beschränkungen gerne zur „Normalität“ zurückkehren würden, haben nicht mit den gesteigerten Anforderungen ihrer eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gerechnet. Die Kräfteverhältnisse haben sich verschoben – es ist eine neue Arbeitswelt entstanden, in der Mitarbeitende stärkeren Einfluss auf die Arbeitsbedingungen nehmen und klare Forderungen stellen: Von flexibleren Arbeitsmodellen über höhere Gehälter und bessere Sozialleistungen bis hin zu kulturellen Veränderungen und Fortschritten bei Inklusion und Diversität – der Aufstand der Talente.
Zehn treibende Faktoren
Kincentric hat zehn treibende Faktoren identifiziert, wie der Spagat zwischen Mitarbeiterbindung und unternehmerischen Zielen in der neuen Arbeitswelt gelingt:
1. Hybrid-Strategie planen:
Bei einer hybriden Belegschaft sollte den Mitarbeitenden größtmögliche Flexibilität hinsichtlich des Arbeitsortes eingeräumt und seitens der Führungskraft gleichwertige Bedingungen für alle Arbeitsmodelle geschaffen werden. Ungewissheit und Ängste werden abgebaut, wenn Änderungen an der Strategie und den Arbeitsmodellen frühzeitig kommuniziert werden.
2. Überprüfung der Talentmanagement-Philosophie:
Nach den massiven Veränderungen der letzten Jahre müssen Funktionen neu bewertet werden, um zu verstehen, welche der geänderten Bedingungen wirklich entscheidend für das Unternehmen sind. Generell gilt: Fluktuation ist nicht grundsätzlich schlecht, darf aber nicht dazu führen, dass hochqualifiziertes Personal verloren geht.
3. Vergrößern des Bewerberpools:
Die Bewerberpools haben mit Quer- oder Wiedereinsteigern weit mehr als die klassische Rekrutierungsbasis zu bieten. Fähigkeitsprofile und Identifikation mit der Unternehmenskultur können wichtiger sein als jahrelange Branchenerfahrung. Auch Flexibilität bei den Arbeitszeitmodellen erleichtert die Suche nach neuen Talenten.
4. Engagierte Führungskräfte auf allen Ebenen:
Führungskräfte müssen über das fachliche und soziale Rüstzeug verfügen, um die Rückkehr an den Arbeitsplatz kompetent zu begleiten, besonders wenn die Arbeit nun in einer hybriden Umgebung stattfindet.
5. Handeln – Zuhören – Anpassen:
Noch nie war es so wichtig, Mitarbeitenden zuzuhören und auf sie einzugehen. Das Zuhören sollte aber nicht nur dazu dienen, ihr Engagement zu messen – das Feedback der Mitarbeitenden kann ein wichtiger Input für personelle und geschäftliche Entscheidungen sein.
6. Nachfolgeplanung mit Tiefgang:
Die Nachfolgeplanung sollte eine klare Linie haben, alle Organisationsebenen ausloten, auf Daten basieren und die Diversität der Belegschaft in Bezug auf ethnische Zugehörigkeit, Geschlecht, Kultur und Erfahrung berücksichtigen.
7. Klare und kreative Karrierewege:
Fast die Hälfte der Befragten sind sich über die eigenen Karrieremöglichkeiten in ihrem Unternehmen unsicher. Führungskräfte müssen bereit sein, offen und mit der gebotenen Rücksicht über Qualifikationslücken, aber auch über Entwicklungsmöglichkeiten für jeden Mitarbeitenden zu sprechen.
8. Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion:
Diversity, Equality und Inclusion müssen nachhaltige Bestandteile der Kultur, Werte und Verhaltensweisen des Unternehmens sein. Denn Mitarbeitende von heute wollen für Unternehmen arbeiten, welche nicht nur profitorientiert sind, sondern den Menschen in den Mittelpunkt stellen. So wünschen sich viele Mitarbeitende eine offene und integrative Kultur und erachten Vielfalt am Arbeitsplatz als wichtigen Faktor.
9. HR-Funktion auf Erfolgskurs:
Personalabteilungen brauchen zwingend die beste Organisationsstruktur, das beste Geschäftsmodell und die besten Technologien, um weiterhin schnell reagieren und auch in Zeiten der Ungewissheit führungsstark bleiben zu können.
10. Kultur neu denken:
Eine starke Unternehmenskultur hilft, Mitarbeitende zu gewinnen und zu halten. Ein Kulturwandel passiert jedoch nicht von heute auf morgen, noch gibt es eine „richtige“ Unternehmenskultur für jedes Unternehmen. Woran ist also einen starke Unternehmenskultur zu erkennen? An einer starken Abstimmung auf die Unternehmensstrategie, den Entscheidungen der Führungskräfte, sowie durch alltägliches Handeln in der Organisation.
Dr. Stefan Mauersberger verantwortet in seiner Funktion als Partner und Regional Leader für die Regionen Zentral-, Süd- und Osteuropa unter anderem die Deutschland-Geschäfte der international agierenden Beratung Kincentric, Tochterunternehmen von Spencer Stuart. Mit langjähriger Branchenexpertise berät Dr. Mauersberger internationale Unternehmen bei ihren Transformations- und Wachstumsprozessen. Dabei konzentriert er sich insbesondere darauf, Unternehmen mittels datengestützter Methoden bei der Transformation ihrer Kultur sowie bei Fragen in den Bereichen Leadership und Change Management zu unterstützen. Foto: Quirin Leppert