Mit opportunistischem Widerstand von Führungskräften umgehen

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Ihre Führungskräfte scheinen Veränderungen zu blockieren? Klaus Peren, HR-Strategieberatung 360Compass, erklärt, wie Sie mit Widerständen umgehen können.

Die digitale Transformation ist in vollem Gange. Digitalisierung verändert nicht nur Technik und Prozesse, sondern auch die Art, wie wir zusammenarbeiten; also die Organisation, Führung und die Kultur in Unternehmen. Die Unternehmen, die diese Zusammenhänge erkennen und kontinuierlich entwickeln, sind in den Veränderungen erfolgreicher. Die Realität ist aber auch: Viele dieser Transformationsprojekte scheitern, haben nicht die erwarteten Erfolge oder man wartet noch ab, da die damit verbundenen Veränderungen und Widerstände als zu hohe Hürden angesehen werden. In diesem Beitrag möchte ich auf den opportunistischen Widerstand von Führungskräften in Transformationen eingehen: Was ist das, wie erkennen Sie das und wie sollten Sie damit umgehen?

Für Führungskräfte ändert sich durch die digitale Transformation am meisten

In einem Transformationsprojekt werden Sie frühzeitig Ihre Führungskräfte und andere Key-Player einbinden. Führungskräfte kennen meist Veränderungsprojekte und wissen von anderen Unternehmen, dass die digitale Transformation für sie große Veränderungen nach sich zieht. Für Führungskräfte ändert sich am meisten. Angefangen von der Notwendigkeit, neue Technologien, Tools zu erlernen, mit anderen Prozessen und Verantwortlichkeiten zu arbeiten und oft auch sich auf ein verändertes Führungsleitbild einzustellen. Der Verlust von Ansehen, Einfluss, Macht oder Geld wird befürchtet. Jede Führungskraft kennt auch Beispiele aus digitalen Projekten in anderen Unternehmen, wo Jobs oder sogar ganze Ebenen von Führungskräften abgebaut wurden. In dieser Ausgangslage ist es klar, dass Ihre Führungskräfte mindestens gespannt, wenn nicht sogar mit Angst die digitale Transformation begleiten beziehungsweise mitgestalten.

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Welche Formen des Widerstands gibt es?

Wenn Sie mit Ihren Führungskräfte Ihre Transformationsinitiative diskutieren, können Sie auf folgende ablehnende Reaktionen treffen (neben positiven und unterstützenden, auf die ich jetzt nicht eingehe), die ich in drei „Cluster“ unterteilt habe.

  1. Rückmeldungen aus der Rubrik abwiegeln:
    ◦ Wir haben dafür keine Zeit, wir haben zu viel zu tun
    ◦ Es läuft doch alles gut, wir müssen uns um unser Geschäft kümmern
    ◦ Wir sollten erst mal die Themen A, B und C angehen, bevor wir das machen
    ◦ Das bringt nichts, dadurch werden wir nicht besser
    ◦ Digitalisierung brauchen wir, aber wir haben aktuell wichtigere Themen.
  2. Begründungen, Notwendigkeit werden infrage gestellt:
    ◦ Zu viel Aufwand, zu wenig Verbesserung
    ◦ Wir sollten abwarten, bis Technik/Software ausgereifter sind
    ◦ Wir haben das doch schon mehrere Male diskutiert und aus guten Gründen verworfen.
  3. Drohszenarien werden aufgebaut:
    ◦ Wenn wir das machen, dann springen uns die Mitarbeiter ab
    ◦ Unsere Kunden wollen das nicht (z. B. keine Chatbots) und wir verlieren massiv Kunden dadurch
    ◦ In Unternehmen X, Y ist man damit gescheitert.

Auch wenn ich es oben mit negativ behafteten Überschriften versehen habe. Diese Rückmeldungen können in Teilen richtig sein. Daneben sind Sie ein Spiegel der emotionalen Befindlichkeit Ihrer Führungskräfte. Und gerade am Anfang eines Veränderungsprozesses sind die damit ausgedrückten Widerstände nicht nur bewusst, sondern geschehen auch unbewusst.

Rebellen, Rechthaber, Naive und Saboteure

Eine gute Gliederung des Widerstandes bietet das folgende Schaubild (1). Die Einteilung in einen bewussten/unbewussten und offenen/verdeckten Widerstand finde ich aufschlussreich. Rebellen, Rechthaber, Naive und Saboteure werden Sie vermutlich bei Ihnen auch haben. Meine Erfahrung ist, dass Sie Rebellen und Naive am besten für ein Transformationsprojekt gewinnen können. Rechthaber zu überzeugen, fällt schon schwerer, da sie von sich (zu) überzeugt sind, oft mangelt es an der Reflexionsfähigkeit, andere Argumente als wichtig zu sehen und die eigene Einstellung anzupassen. Der Saboteur ist aus der schwierigsten Gruppe, da hier ein bewusstes Gegenarbeiten im Verborgenen geschieht. Der Saboteur ist die Hauptquelle für opportunistischen Widerstand. Aber auch Saboteure können für Veränderungsnotwendigkeiten gewonnen werden.

Foto Gliederung des Widerstandes

Wie Sie opportunistischen Widerstand erkennen

Wie aber finden Sie verlässliche Unterstützer und woran erkennt man opportunistischen Widerstand? Folgende Punkte liefern Hinweise:

  • Wer beteiligt sich aktiv an der Diskussion, wer ist eher passiv oder fehlt gar (häufiger)?
  • Wer lässt sich auf eine argumentative Ebene ein und ist bereit, entlang der Probleme zu diskutieren?
  • Wer unterstützt nicht nur, sondern bringt eigene Ideen ein, zeigt Interesse bis Begeisterung?
  • Wer wiegelt oberflächlich ab und geht auf Argumente nicht ein?
  • Wer argumentiert meist aus der Ich-Perspektive und nicht aus der Unternehmenssicht?
  • Wer verbleibt in den oben angesprochenen Mustern des Abwiegelns, Zweifelns oder Drohens, selbst wenn die Punkte mit guten Argumenten entkräftet wurden?
  • Wer verbleibt im Problem-Modus und öffnet sich nicht für Lösungen?
  • Wer diskutiert gereizt oder sogar aggressiv und ist nicht offen für Feedback?
  • Die Körperhaltung ist aufschlussreich: Desinteresse und Ablehnung sind gut erkennbar.

Im Zeitablauf wird klar, auf wen Sie bauen können oder wer vielleicht sogar als Saboteur unterwegs ist. Es hilft, wenn Sie systematisch festhalten, wer in den Meetings Offenheit an den Tag legt, an den Argumenten entlang diskutiert, nicht abweicht, keine Ablenkungsmanöver einleitet, teilnimmt an der Diskussion, konstruktiv und reflektiv ist. Und wer eben nicht. Sie sollten Einzelgespräche führen, wenn Sie das Gefühl haben, hier spielt jemand unredlich und die Motive ergründen. Moderationskompetenz ist wichtig. Neben dem Erkennen von taktischen Manövern muss man Probleme abgeschichtet besprechen, am Ball bleiben, Lösungen festhalten und nicht von Problem A zu B und C springen.

Wie Sie mit Widerstand umgehen sollten

  • Am Anfang ist die Erkenntnis, dass jede Veränderung mit Widerstand verbunden ist, sie ist insofern „normal“.
  • Für mich wichtig ist, dass man von einem positiven Menschenbild ausgeht und damit auf Überzeugungsfähigkeit setzt, aber auch nicht naiv rangeht und die Führungskräfte erkennt, die ein Umsetzungsprojekt gefährden können. Gleichzeitig muss man früh auf die Führungskräfte vertrauen, die ein Projekt mit nach vorne bringen. Ein positives Menschenbild und ein wertschätzender Umgang sind die Voraussetzung, dass Ihr Bemühen um Einbindung auch glaubwürdig erscheint.
  • Erfolgreiche Transformationen werden von der Spitze angeführt, schon weil nur von dort der notwendige „Sense-of-Urgency“ vermittelt wird.
  • Daneben braucht es eine gute Vorbereitung. Diskutieren Sie Ihr Vorhaben zu Beginn im Kreis von Vertrauten. Versetzen Sie sich in die Lage Ihre Führungskräfte und Mitarbeiter (Perspektivenwechsel). Welche Reaktionen sind zu erwarten? Welche Befürchtungen gibt es, warum brauchen wir die Veränderungen? Spielen Sie die o. g. Reaktionen durch und erstellen Sie gute Antworten für die Punkte. Entwickeln Sie daraus eine Transformationsstory, die rational und emotional überzeugt. Veränderungsprozesse gestalten bedeutet Menschen mitzunehmen und zu überzeugen.
  • Auch wenn Sie eine gute Story entwickelt haben: Seien Sie offen für Änderungen, wenn Argumente Sie überzeugen. Konstruktives und reflektives Verhalten will vorgelebt sein.
  • Bei aller Offenheit dürfen Punkte nicht zu lange diskutiert werden. Insbesondere, wenn Sie der Überzeugung sind, jetzt digitalisieren zu müssen, sollte das Ob nicht mehr infrage gestellt werden, sondern nur noch das „Wie kommen wir dahin?“.
  • Von Führungskräften können Sie einfordern, dass Sie in den Lösungsmodus gehen und dass man bei dem Aufzeigen von Problemen, Lösungsoptionen gleich mit anbietet.
  • Es hilft, in den Diskussionen sachlich, argumentativ und analytisch zu sein. Emotionalität gezielt einzusetzen, unterstützt die Themen, die Ihnen besonders wichtig sind.
  • Weil Veränderungsprozesse angstbehaftet sind, sollten sie empathisch auf diese Ängste eingehen und soweit es möglich ist, Sicherheiten bieten. Wo keine Sicherheiten möglich sind, sollten Sie Optionen oder sozialverträgliche Lösungen anbieten, z. B. Expertenfunktionen, wenn jemand aus der Führungsrolle raus möchte. Wie sie mit ihren Führungskräften umgehen, strahlt auf die ganze Belegschaft aus.
  • Davon unbenommen ist mein Rat, sich von den Führungskräften schnell zu trennen, die diese Veränderungen nicht mitmachen wollen; Saboteure gefährden Ihr Projekt und vielleicht sogar die Zukunft Ihres Unternehmens. Mitarbeiter haben im Übrigen eine hohe Akzeptanz, wenn Sie sich von diesen Führungskräften trennen. Sie haben diese meist auch als schlechte Führungskräfte erlebt.

Anmerkungen:

(1) Die Übersicht finden Sie in einem für mich sehr guten Chartsatz zum Thema „Change Management“.

Klaus Peren

Klaus Peren hat nach langer operativer HR-Verantwortung in verschiedenen Management-Funktionen bei der Deutschen Telekom und beim Arbeitgeberdachverband BDA die HR-Strategieberatung 360Compass gegründet. 360Compass begleitet Unternehmen in Transformationsphasen, bei der Weiterentwicklung zentraler Themen wie Performance-Management, Kulturentwicklung und der Verhandlung mit Sozial-/Betriebspartnern.

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