Wie ein Unternehmen aufgestellt sein muss, um Diversität mit einer hybriden Arbeitsstrategie zu fördern, erläutert Sabine Ehm von Locatee.
Die Verlagerung von traditioneller Bürokultur zum Homeoffice hat in vielen Unternehmen den Status-Quo der Chancengleichheit und Inklusivität im Betrieb herausgefordert. Remote-Arbeit hat mit dem Wegfallen des Pendelns die Flexibilität erhöht und beispielsweise für berufstätige Eltern augenscheinlich eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ermöglicht.
Leider hat das auch dazu geführt, dass Frauen bei der Inanspruchnahme des Homeoffice vermehrt Nachteile spüren, im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen. Besonders für berufstätige Frauen hat sich die Masse der sogenannten Care-Arbeit erhöht, während Männer eher ihre Arbeitsbereiche priorisieren und ausweiten.
Chancengleichheit unabhängig vom Arbeitsort
Eine Integration hybrider Arbeitsmodelle kann Chance und Risiko zugleich für mehr Vielfalt und Diversität am Arbeitsplatz sein. Locatee, der führende SaaS-Anbieter für Workplace Analytics, hat in seiner jüngsten Umfrage unter 2.000 Büroangestellten in Deutschland festgestellt, dass nur 42 Prozent der befragten Frauen offen für eine vollständige Rückkehr zu traditionellen Arbeitsmodellen sind, im Vergleich zu 49 Prozent der männlichen Befragten.** Gleichzeitig gaben 29 Prozent der weiblichen Befragten und nur 26 Prozent der männlichen Befragten an, dass das Homeoffice eine negative Stimmung mit sich bringe.
Somit sind weibliche Arbeitnehmer offener für Remote-Arbeitsplätze wie das Homeoffice, zugleich aber unglücklich darüber, wie die Arbeit dort konzipiert ist. Auch unter Berücksichtigung von innerbetrieblichen Faktoren sowie der persönlichen Familiensituation zeigen diese Zahlen die aktuelle Diskrepanz, die zwischen den Bedürfnissen von Männern und Frauen am Arbeitsplatz herrscht.
Hier besteht auf Arbeitgeberseite Handlungsbedarf. Es muss auf Führungsebene erkannt und verstanden werden, wie ein Unternehmen aufgestellt sein muss, um Diversität und Vielfalt mit einer funktionierenden, hybriden Arbeitsstrategie zu fördern. Unternehmen sollten eine Inklusionskultur leben, in der der Zugang zu Informationen nicht vom Geschlecht oder der Präsenz im Büro abhängig ist. Es muss sichergestellt werden, dass Büro- und Remote-Arbeitenden sich gleichermaßen an der Optimierung der Kultur beteiligt können.
Proaktive Führung für den betrieblichen Strukturwandel
Im Homeoffice ist der Aufbau von Beziehungen unter den Mitarbeitenden erschwert. Es fehlt an spontanen, sozialen Interaktionen und virtuelle Videocalls können Gespräche im Büro nur bedingt ersetzen. Diese sind aber für die berufliche Weiterentwicklung essentiell. Dieser Umstand hat Einfluss auf den gesamten Teamzusammenhalt sowie auf Remote-Kolleginnen und -Kollegen, die sich vernachlässigt fühlen könnten.
Präsenzmitarbeiterinnen und -Mitarbeiter hätten vor Ort den Vorteil, leichter Kontakt zu den meist männlichen Entscheidungsträgern zu halten. Oft lässt sich in Betrieben bei der Vergabe von Beförderungen feststellen, dass diese vermehrt nicht auf Grundlage objektiver Kriterien und Leistungen vergeben werden, sondern Entscheidungen aufgrund von zwischenmenschlichen Beziehungen getroffen werden.
Damit keine zwei Lager entstehen, müssen Strukturen weitestgehend so verändert werden, dass sie faire Rahmenbedingungen bei Beförderungen, Flexibilität und hybridem Zugang schaffen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauchen zusätzlich Zugriff zu Schulungen gegen Burnout, Arbeitsstress sowie für Work-Life-Balance und Integration, mit denen sie proaktiv dem Prozess der Spaltung entgegenwirken können.
In die technologische Infrastruktur investieren
Für eine funktionierende hybride Arbeitsplatzstrategie muss in die technologische Infrastruktur investiert werden. Das verbessert das kollaborative Arbeiten und fördert barrierefreies Teamwork über physische Standorte hinweg. Die internen Tools müssen alle Arbeitsprozesse soweit optimieren, dass sie Hindernisse wie “Zoom-Müdigkeit”, schlechte Feedbackprozesse oder fehlende Mitarbeiterdialoge aufdecken und möglichst überwinden.
In einer globalen Studie von Intel und Sapio Research geben 59 Prozent der befragten Führungskräfte in Deutschland an, dass es durch den digitalen Wandel leichter ist, Mitarbeitende aus unterrepräsentierten Gruppen zu rekrutieren. Zudem haben sie den Eindruck, dass zusätzliche neue Tools zur Förderung von Inklusion, Konnektivität und Engagement geführt haben.**
Ansätze wie diese helfen, eine erfolgreiche und ganzheitliche hybride Arbeitswelt zu gestalten. Viele Unternehmen stehen noch vor der Herausforderung, dass bisherige Maßnahmen mit der aktuellen Arbeitssituation nicht einfach übertragen werden können, sondern umgedacht werden müssen. Auf Unternehmensseite gilt es hier, traditionelle Muster für einen kulturellen Wandel aufzubrechen. Unternehmen sollten proaktiv den Schritt wagen, sich an neuen Modellen auszuprobieren, die veraltete geschlechtsspezifische Strukturen in der Arbeitswelt ablösen können.
Leistungsbewertungsprozesse an Lebensrealitäten anpassen
Wichtig ist, dass die Arbeitsplatzkonzepte eine Chancengleichheit für alle Lebensrealitäten der Mitarbeitenden sichern. Leistungskennzahlen sollten mit Resultaten von Diversitäts- und Inklusionsmaßnahmen verknüpft werden. Für Personalmanagerinnen und -Manager bedeutet das, vorhandene Personaldaten zu erweitern und mit der Leistungsmessung zu verbinden.
Leistungsbewertungsprozesse und Weiterentwicklungsmöglichkeiten müssen an die Lebensrealitäten der Belegschaft angepasst werden. Mögliche Lücken sollten identifiziert und mit datenbasierten Entwicklungsplänen gefüllt werden. Für eine starke Mitarbeitendenbindung und hohe Mitarbeitendenzufriedenheit braucht es eine Kultur des kontinuierlichen Feedbacks und der Stärkung von Verhaltensweisen, wie einer inklusiven Sprache.
Personalentscheiderinnen / -Entscheider und Führungskräfte stehen vor der Aufgabe, diese Maßnahmen durchgehend zu evaluieren und situativ immer wieder Änderungen und Anpassungen vorzunehmen. Zeigen Unternehmen auf Managementebene ernsthaftes Engagement für eine Umstellung zu modernen Denkweisen, können deutliche Fortschritte zu einer ausgeglichenen und gerechteren Arbeitswelt für uns alle gemacht werden.
* Die verwendeten Daten beruhen auf einer Online-Umfrage der YouGov Deutschland GmbH, an der 2055 Personen zwischen dem 22. und dem 24.06.2021 teilnahmen. Die Ergebnisse wurden gewichtet und sind repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren.
Sabine Ehm ist Thought Leadership & Research Manager bei Locatee und beschäftigt sich mit den Diskussionen und Trends im CRE-Bereich. Als ehemalige Corporate Real Estate Managerin bei Adidas, verantwortlich für die EMEA-Region, und Asset Managerin bei Siemens kennt sie die heutigen CRE-Herausforderungen sehr gut. Als Moderatorin des Podcasts The Workplace Leader (Spotify, iTunes) spricht Sabine Ehm in regelmäßigen Abständen mit Entscheidungsträgerinnen / Entscheidungsträger weltweiter Unternehmen über die Zukunft der Arbeit.