Mammutprojekt Kulturwandel – der Kyndryl Way

| | , ,

Ein Kulturwandel braucht Zeit und viel Empathie für Alle, sagt Sandra Weiß, Arbeitsdirektorin und Geschäftsführerin bei Kyndryl. Sie schildert den Kyndryl Way, den Weg zu einem fokussierten Unternehmen mit flachen Hierarchien, das auf Zusammenarbeit, gegenseitiger Verantwortung und Exzellenzinitiativen basiert.

Rund zwei Jahre ist es her, dass sich Kyndryl im November 2021 als eigenständiges Unternehmen von der IBM ausgegründet hat. Die Generalüberholung interner Prozesse und der Unternehmenskultur steht seitdem auf der Tagesordnung. Doch wie muss eine erfolgreiche Veränderung organisiert werden bei vielen, zutiefst verinnerlichten Prozessen?

Kyndryl zählt zu den größten Anbietern von IT-Infrastrukturdienstleistungen und wurde im Zuge der Ausgründung 2021 als „Start-up“ mit 90.000 Mitarbeitenden weltweit – 950 davon in Deutschland – schnell eigenständig. Dass es bei dieser Größe zu Herausforderungen kommt, wenn ein unternehmensweiter Wandel angestrebt wird, verwundert nicht.

- Anzeige -
Banner English Edition HR JOURNAL

Ein Kulturwandel bei dieser Firmengröße erfordert, von alten Mustern loszulassen

Eine dieser Herausforderungen fanden wir in unserer eigenen Geschichte. Da die IBM zum Zeitpunkt unserer Ausgründung bereits 110 Jahre alt war, sahen wir uns mit Prozessen konfrontiert, die im Laufe der Zeit organisch gewachsen sind und daher wenig Raum für Neues zuließen. Zudem beträgt das Durchschnittsalter unserer erfahrenen Kollegen 52 Jahre und im Schnitt sind unsere Mitarbeiter 21 Jahre bei Kyndryl. Und darüber hinaus müssen wir – wie sämtliche Mitbewerber auch – uns im stark umkämpften Tech-Markt für junge Talente als attraktiver Arbeitgeber positionieren – ein wichtiger Baustein, um als Unternehmen stabil zu wachsen und allen unseren Mitarbeitern eine sichere Zukunft zu bieten.

Vor diesem Hintergrund wurde uns schnell klar: Wir mussten uns von alten Mustern lösen, ein grundlegender Kulturwandel war notwendig – angefangen bei den Tassen mit Kyndryl-Logo in den Teeküchen der Büros bis hin zu neuen kommunikativ-strategischen Ansätzen für die Kommunikation mit den Mitarbeitenden. Deshalb haben wir es uns bei Kyndryl Deutschland zur Aufgabe gemacht, ein agiles, unkompliziertes Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sowohl langjährige als auch junge Talente wachsen können – ganz im Sinne des Kyndryl Way.

Kyndryl Way: Auf dem Weg zur neuen Unternehmenskultur

Doch was umfasst den Kyndryl Way genau? Es ist ein Konzept für ein fokussiertes Unternehmen mit flachen Hierarchien, das auf Zusammenarbeit, gegenseitiger Verantwortung und Exzellenzinitiativen basiert. Im Zuge dessen haben wir uns nicht nur dezentraler organisiert, sondern auch die unternehmensweite Kommunikation angepasst und verbessert. Dabei ging es vor allem darum, sicherzustellen, dass eine Verständigung über unsere gemeinsamen Ziele in alle Richtungen und über alle Ebenen hinweg funktioniert.

Unser Management geht mit dem gesamten Team in den Austausch. Beispielsweise teilen Führungskräfte im Rahmen von zweiwöchentlichen Office Hours aktuelle Geschäftsentwicklungen oder Best Practices und bieten Mitarbeitenden eine Plattform, über die sie spezielle Fragen und Themen anschneiden können.

Damit der Kulturwandel funktioniert, wollten wir als HR-Abteilung das Herzstück der vielen Veränderungen bilden. Denn auch in unserer Abteilung gab es größtenteils IBM-basierte Prozesse, die nicht mehr zeitgemäß waren und die an den Kyndryl Way angepasst werden mussten. Die Kollegen sollten von Abläufen profitieren, die sie in ihrer Arbeit unterstützen und nicht einschränken. Kurzum: Im Hinblick auf die Employee Experience müssen genau dieselben Standards gelten, die wir in der Zusammenarbeit mit unseren Kunden verfolgen.

Simplifizierung und Automatisierung

Simplifizierung und Automatisierung – unter diesen Schlagworten vereinten wir die Arbeit bei Kyndryl. Dafür haben wir sowohl 1.500 Prozesse als auch eine Vielzahl an Tools identifiziert, die wir vereinheitlichen oder teilweise einstellen konnten. Mit Workday schaffen wir nun ein zentrales digitales Dashboard, auf dem alles zusammenläuft. Das vereinfacht nicht nur die Datenadministration, sondern verbessert auch die Zusammenarbeit. Mitarbeitende und Führungskräfte müssen nicht mehr zwischen vielen verschiedenen Tools hin- und herwechseln – ideale Voraussetzungen auch für ein produktiveres Arbeiten.

Im Rahmen unseres flexiblen Work-on-Demand-Modells können die Kollegen neben klassischen Schulungen die Plattform sogar nutzen, um ihre Stärken gezielt auszubauen und ein individuelles Karriereprofil zu erstellen.

Apropos Flexibilität: Neben gestrafften Prozessen und einer agilen HR-Plattform machen wir nun vermehrt von Automatisierung Gebrauch. Haben Mitarbeitende Fragen zu Personalthemen, können sie sich zum Beispiel auch an einen automatisierten Bot wenden. Flexibilität bei Kyndryl geht aber noch weiter: Denn auch strikte Pausenzeiten sind schon lange nicht mehr zeitgemäß. Anstelle einer Kantine mit festen Essenszeiten haben wir alternativ ein Automatensystem eingerichtet, das das Team mit kompletten Mahlzeiten versorgt – und zwar ganz nach ihrem eigenen Gusto und ihren individuellen Terminplänen.

Gute Voraussetzungen für einen Kulturwandel schaffen

Was sind die Voraussetzungen für einen Kulturwandel? Und worauf müssen sich Unternehmen – und HR-Abteilungen im Speziellen – einstellen, wenn sie Veränderungen vorantreiben möchten? Ein Kulturwandel braucht Zeit und viel Empathie für Alle. Über Jahre gewachsene Strukturen lassen sich nicht über Nacht verändern. Im Gegenteil: Bei Führungskräften und Mitarbeitenden, die sich an etablierte Verhältnisse gewöhnt haben, stößt man nicht selten auf Widerstand. Das heißt: Alle Beteiligten müssen an einem Strang ziehen, sonst bleibt der Change-Prozess fruchtlos.

Für mich persönlich waren hier meine Erfahrungen aus Verhandlungen mit dem Betriebsrat (Labor Relations) enorm hilfreich. Mein Anspruch damals wie heute ist es, eine Win-Win-Situation zu schaffen und ohne Druck, aber mit guten Argumenten zu punkten. Wie kann ich zu Ergebnissen gelangen, die für alle Parteien im gleichen Maße Fortschritt bedeuten? Da ein solches Kultur-Projekt ohne die Mitarbeit der Führungsebene zwangsläufig ins Leere läuft, muss ihnen in erster Linie der Business Impact greifbar gemacht werden.

Es hilft der oft bemühte Blick über den eigenen Tellerrand. Ich habe zum Beispiel eine PMI-Schulung durchlaufen und darüber wertvolle Kenntnisse über stringentes Arbeiten im Projektmanagement erhalten. Eine Lean Sigma Zertifizierung war sogar noch hilfreicher: Mit unserer Delivery Organisation im Fokus konnte ich damit meine Kernfragen beantworten: „Wie tickt MEIN Unternehmen?“ Wie sind die Projektabläufe? Welche Fehlertoleranzen sind üblich?

Apropos MEIN Unternehmen: Ein Key Learning für mich ist auch, inaktive Kollegen – sei es aufgrund von Kindererziehung oder Sabbatical – weiter aktiv durch diverse Angebote am Geschehen im Unternehmen teilhaben zu lassen und somit den Kontakt zu diesen Mitarbeitern zu halten. Der Wiedereinstieg ins Unternehmen gestaltet sich somit für beide Seiten deutlich leichter.

Alle aktiv in den Wandel einbeziehen

HR-Maßnahmen in den Regelbetrieb einzuführen ist eine große Kunst. Denn klar ist: Die betroffenen Kollegen verdienen am Ende des Tages das Geld für das eigene Unternehmen – mit ihrem Engagement und der positiven Haltung gegenüber dem Arbeitgeber und der HR-Abteilung – steht und fällt alles. Ziel sollte es daher sein, alle aktiv in den Wandel einzubeziehen. Ein schneller, kontinuierlicher Informationsfluss ist ein wichtiges Werkzeug.

Cultural-Change-Prozesse können hervorragend via Workshops oder mehr persönlich gestalteter Meetings vermittelt werden. Es gilt, gemeinsam Möglichkeiten zu erschließen, wie sich Wertschätzung und Zugehörigkeitsgefühl vermitteln und eine gute Work-Life-Balance erreichen lässt – und zwar individuell für alle Beschäftigten. Sobald man den Kollegen etwa mithilfe von wiederkehrenden (Puls-) Umfragen oder umfangreichen Engagement Surveys eine Stimme gibt, können sie aktiv zum Wandel beitragen.

Fazit

Grundsätzlich gilt: Der Aufbau einer guten Unternehmenskultur ist ein laufender Prozess, der gepflegt werden muss. Auch ohne einen Kulturwandel stemmen zu müssen, werden die Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter der Personalabteilung etwa durch neue rechtliche und gesetzliche Regelungen, moderne Benefits-Konzepte und diverse andere Aspekte kontinuierlich auf Trab gehalten.

Für uns ist eine konsequente Verschlankung der Schlüssel zum Erfolg gewesen: Wir haben in fast zwei Jahren einen Cultural Change in Gang gebracht, der unseren Kollegen mithilfe von Simplifizierung, Automatisierung und Agilität die tägliche Arbeit leichter macht. Nicht nur das, die gesamte Belegschaft ist aktiv in Entscheidungsprozesse einbezogen und unsere flachen Hierarchien haben uns als ein großes Team zusammenrücken lassen. Wenn andere Unternehmen diesen Status Quo erreichen können, dann steht einem generellen Kulturwandel in Deutschland nichts mehr im Weg.

Lesen Sie auch die folgenden Beiträge:

Foto Sandra Weiß

Sandra Weiß ist seit der Abspaltung von IBM im September 2021 Arbeitsdirektorin und Geschäftsführerin bei Kyndryl, einem Unternehmen für Beratung und Betrieb von IT-Infrastruktur. Zuvor hatte die studierte Diplomkauffrau für Betriebswirtschaft seit 2001 mehrere Positionen bei IBM inne, u.a. Lead HR Partner für Deutschland, Österreich und der Schweiz. Zu ihren Kernkompetenzen zählen HR-Management, Arbeitsrecht, Prozessoptimierung sowie Strategieentwicklung. Foto: Franka Beutner

Vorheriger Beitrag

Wie Ärztinnen und Ärzte nach einen neuen Job suchen

Futures Literacy: Weiß die Gen Z es vielleicht einfach besser?

Folgender Beitrag