Die Pandemie sorgt bei Young Talents für Lücken im Lebenslauf. Svenja Rausch von JobTeaser gibt Tipps, wie Sie die Fähigkeiten junger Menschen auf andere Art beurteilen können.
Durch die Pandemie findet sich bei immer mehr Menschen eine Lücke im Lebenslauf. Eine Lücke, die für hochgezogene Augenbrauen in Bewerbungsgesprächen sorgt und einem sonst einwandfreien Lebenslauf einen Strich durch die Rechnung macht. Sei es, weil beispielsweise pandemiebedingt gekündigt wurde oder weil nach dem Abschluss einfach keine Stellen verfügbar waren – die Zahl der Gründe ist so vielfältig wie die Menschen, die nun mit solch einer Lücke leben müssen. Insgesamt verloren mehr als eine Million Beschäftigte ihre Stelle in Folge der Corona-Pandemie.
Nicht auf einen lückenlosen Lebenslauf fixieren
Nach unserer aktuellen Jobteaser Umfrage unter rund 2.700 Teilnehmer und Teilnehmerinnen zeigt sich, dass das Problem auch die Gen Z belastet. Ein Drittel (32 Prozent) aller Absolventinnen / Absolventen auf Jobsuche findet aktuell pandemiebedingt keine Stelle. Auch Studierenden fiel und fällt es während der Pandemie deutlich schwerer, Erfahrungen zu sammeln. Praktika blieben aus, Werkstudierendenstellen wurden gekündigt oder gar nicht mehr angeboten.
Es ergibt daher nur Sinn, dass Personalerinnen / Personaler sich weniger auf einen lückenlosen Lebenslauf fixieren. Vielmehr sollte die Recruiting-Welt andere Wege finden, die Fähigkeiten junger Talente zu beurteilen. Ein paar Zeilen auf dem Papier mehr oder weniger, sind so oder so meist kaum aussagekräftig, wenn es um die Fähigkeiten der betroffenen Person geht.
Möglichkeiten zur Beurteilung von Young Talents
Es gibt verschiedene Alternativen, um die Fähigkeiten junger Menschen unabhängig von oder ergänzend zu ihrem Lebenslauf zu beurteilen. Drei dieser Alternativen stellen wir Ihnen im Folgenden vor.
1. Assessment Center: Fähigkeiten testen
Das Assessment Center, die meisten Personalerinnen und Personaler werden es kennen, ist ein psychologisches Verfahren, bei welchem die Eignung beziehungsweise Fähigkeiten und Persönlichkeit von Bewerberinnen und Bewerbern geprüft werden können. Hier werden diverse Aufgaben oder Tests mit den Interessenten/-innen durchgeführt. Diese können von Präsentationen über Aufgaben, die die Belastbarkeit und das strategische Denken testen sollen bis hin zu Gruppendiskussionen, Rollenspielen oder Interviews reichen.
Welche Testverfahren eingesetzt werden, hängt selbstverständlich ganz davon ab, welche Fähigkeiten bei der zu besetzenden Stelle gewünscht sind. Während die Bewerberinnen und Bewerber die Aufgaben bearbeiten, können Sie genau analysieren, ob diese mit Blick auf ihre Fähigkeiten und Persönlichkeit zu Ihrem Unternehmen passen.
2. Probearbeiten: Ein authentisches Bild malen
Einen Probearbeitstag mit Bewerberinnen und Bewerbern zu vereinbaren, bei denen eventuell wegen einer Lücke im Lebenslauf Zweifel an der Eignung bestehen, ist eine gute Option, um sich ein richtiges Bild der Person zu machen. Beim Probearbeiten können Sie testen, ob die Person sich in das soziale Gefüge Ihres Unternehmens einfügt, wie sie in bestimmten Situationen reagiert, ihre Fähigkeiten testen und einen authentischen Eindruck des Gesamtpakets erlangen.
Da die junge Generation sich generell und besonders seit der Pandemie deutlich in der Orientierungslosigkeit verliert, ist ein Probearbeiten für beide Seiten sinnvoll. Den jungen Talenten wird so die Chance gegeben, sich zu orientieren und der Unternehmensfit kann von beiden Seiten geprüft werden.
3. Soft Skills: Die weiche Seite der Fähigkeiten
Da Routineaufgaben mittlerweile und in Zukunft zunehmend von Maschinen übernommen werden, bleiben komplexe Aufgaben und Jobs übrig, die ein stetes Reagieren und Anpassen an den entsprechenden Kontext verlangen. Zur Problemlösung bedarf es hier einer Strategieänderung, zu der Maschinen (noch) nicht fähig sind. Nicht fachliche Kenntnisse, sondern Soft Skills sind es, die hier eine adäquate Reaktion ermöglichen. Deswegen wird es für Recruiter ohnehin in Zukunft unerlässlich, sich vom reinen Fokus auf Hard Skills und Lebensläufe zu lösen.
Das gute an Soft Skills: Sie lassen sich auch anhand von Alltagserlebnissen und Erfahrungen identifizieren. Handelt es sich bei dem/der Bewerber/-in beispielsweise um das älteste Geschwisterkind einer Großfamilie, so wird er/sie vermutlich zum Teil Verantwortung für die jüngeren Geschwister übernommen haben. Dies ist Alltagsbeispiel für organisatorische Fähigkeiten beziehungsweise Management Talent.
Zwar haben die jungen Talente ihre Fähigkeiten vielleicht noch nicht im Arbeitsalltag angewandt, durch ihre Lebenserfahrung wissen sie jedoch, wie man Gruppen gut handhabt. Recruiter sollten außerdem im Hinterkopf behalten, dass ihre Ansprüche bei der Rekrutierung junger Menschen nun mal keine professionellen Arbeitserfahrungen sein können. Diese hatten schließlich noch nicht die Chance dazu, sich zu beweisen. Daher sollten sie auch auf Skills Wert legen, die die Bewerberinnen und Bewerber zwar nicht im Arbeits-, dafür jedoch im Privatleben entwickelt haben.
Fazit: Persönlichkeiten statt geradlinigem Lebenslauf
In Zeiten des Wandels, sei es nun aufgrund einer Pandemie oder durch sich stets neu eröffnende Möglichkeiten der Information und Weiterbildung durch das Internet: Um eine zeitgemäße Anpassung der Recruitingprozesse führt kein Weg herum. Was ist schon eine Lücke im Lebenslauf, wenn die Person sich beispielsweise in der Zeit eigenständig per Videos und Webinaren fortgebildet hat. Oder wenn sie sich in der Zeit um ihre fünf Geschwister und die kranke Großmutter gekümmert hat. Wenn sie vielleicht einfach die Zeit genutzt hat, um zu sich selbst zu finden oder durch eine Pandemie keine andere Option hatte, als eine Weile abzuwarten. Es gibt viele Gründe für die Lücke im Lebenslauf, aber wenige dafür, diese zum Ausschlusskriterium im Bewerbungsprozess zu machen. Die Recruiting-Welt muss umdenken und sich anpassen.
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Svenja Rausch verantwortet als Head of Marketing den gesamten deutschsprachigen Markenauftritt von JobTeaser, der führenden Recruiting-Plattform für Studierende und junge Absolvent*innen in Europa. Zuvor war sie für das digitale und internationale Marketing der Universität zu Köln zuständig. Foto: © Fabian Stürz