Mit welchen Herausforderungen sehen sich Learning & Development-Expertinnen / Experten aktuell konfrontiert? Und welche Handlungsimplikationen ergeben sich daraus? Philip Klasen-Schwidetzki, Geschäftsführer von troodi, gibt einen Überblick.
Anfang 2024 hatte troodi eine große Anzahl von Personalentwickler*innen zu den wichtigsten Trends und Herausforderungen im L&D Bereich befragt. Dieser Artikel fasst die wichtigsten Erkenntnisse zusammen und gibt Handlungsempfehlungen.
Einsatz von KI versus menschliche Bedürfnisse
2023 war das Jahr, in dem mit ChatGPT Künstliche Intelligenz (KI) Einzug in die meisten Büros in Deutschland hielt. Für das Jahr 2024 sehen unsere Studienteilnehmenden KI als den wichtigsten Trend im Bereich der Personalentwicklung an. Die Einsatzmöglichkeiten sind denkbar breit. Von KI-basierter Datenauswertung zur Identifizierung von Lernbedarfen über die automatische Erstellung von individuellen Lernkursen mit KI bis hin zu digitalen KI-Lerncoaches: Im gesamten Zyklus der Personalentwicklung finden sich Anwendungsmöglichkeiten.
Darüber hinaus stufen viele Personalentwicklerinnen / Personalentwickler die Schulung in KI-bezogenen Fertigkeiten als eine zentrale Herausforderung beim Upskilling innerhalb ihrer Organisation ein.
Gleichzeitig bleibt Personalentwicklung ein „People Business“. In diesem Jahr wird sich zeigen, wie in der Praxis eine Balance zwischen der Nutzung Künstlicher Intelligenz und der Berücksichtigung von menschlichen Bedürfnissen nach sozialem Austausch und persönlichem Kontakt erreicht werden kann.
Nachfrage nach individualisierten Lernangeboten nimmt weiter zu
Auch die Bedeutsamkeit der Bereitstellung von individualisierten Lernangeboten ist im Vergleich zu 2023 gestiegen. Sie berücksichtigen die spezifischen Lernbedürfnisse jedes einzelnen Mitarbeitenden und erhöhen so die Wirksamkeit und Effizienz der Maßnahmen. Durch die Steigerung der persönlichen Relevanz der Inhalte wird auch die Lernmotivation der Zielgruppe erhöht. Künstliche Intelligenz kann bei der Erstellung individueller Lernpfade unterstützen und somit trotz hoher Spezifität den Aufwand für die Personalentwicklung gering halten.
Rollenspezifische Skills im Fokus
Individualisierte Lernangebote sind dann besonders effektiv, wenn sie konkrete Lücken identifizieren und Lernende beim Erwerb praxisrelevanter Fähigkeiten unterstützen. Klassische breit aufgestellte, statische Kompetenzmodelle können mit den Anforderungen der dynamischen Arbeitswelt häufig nicht mithalten. Als Alternative empfiehlt sich ein Fokus auf rollenspezifische Skills, die sich kontinuierlich verändern und weiterentwickeln können. Eine holistische Lernstrategie fördert sowohl langfristige Kernkompetenzen (zum Beispiel Entscheidungsfähigkeit, Digital Literacy oder Eigenverantwortung), als auch dynamische anwendungsorientierte Skills (zum Beispiel Führen von Feedback-Gesprächen oder Prompt-Writing).
Selbstgesteuertes Lernen
Selbstgesteuertes Lernen bleibt ebenfalls ein wichtiger L&D Top Trend und ist eng verknüpft mit individualisiertem und skill-basierten Lernen. Es zeigt sich grundsätzlich ein klarer Trend weg von einer steuernden und kontrollierenden Personalentwicklung hin zu einer empowernden und unterstützenden „Hilfe zur Selbsthilfe“. Anstatt Mitarbeitenden zu sagen, was sie lernen müssen und den Lernerfolg zu messen, sehen sich Personalentwicklerinnen / Personalentwickler zunehmend in der Rolle, Mitarbeitende darin zu unterstützen, die eigenen Lernbedarfe zu identifizieren und eigenverantwortlich ihren individuellen Lernprozess zu gestalten.
Nachhaltigkeit der Learning & Development-Maßnahmen
Die in der Befragung genannten Herausforderungen hängen eng mit den Trends zusammen. Als größte Herausforderung im Jahr 2024 wird die Nachhaltigkeit der eingesetzten L&D Maßnahmen genannt. Wenn ich als Personalentwicklung mehr Verantwortung an die Lernenden abgebe (Stichwort selbstgesteuertes Lernen), wie kann ich gleichzeitig sicherstellen, dass …
- … überhaupt gelernt wird?
- … das Richtige gelernt wird?
- … das Gelernte auch praktisch angewendet wird?
Diese Verschiebung der Verantwortung über das Lernen hin zu den Lernenden führt zu neuen Herausforderungen für Personalentwicklerinnen / Personalentwickler. Zentrale Elemente zur Sicherung der Nachhaltigkeit von selbstgesteuertem Lernen sind die Förderung einer intrinsischen Lernmotivation sowie die Entwicklung einer aktiven Lernkultur in der Organisation.
Eine Lernkultur fördern
Learning & Development-Maßnahmen sind dann wirksam, wenn sie auf fruchtbaren Boden fallen – also wenn Lernende intrinsisch motiviert sind und durch ihr organisationales Umfeld in ihrer Lernentwicklung bestärkt werden. Notwendige Bedingung für eine nachhaltige Wirksamkeit ist also die Förderung der individuellen Lernkompetenz und Motivation, sowie die Förderung einer aktiv gelebten organisationalen Lernkultur.
Mögliche Maßnahmen sind die Schaffung von formellen und informellen Lernräumen, wie zum Beispiel Hackathons, Communities-of-Practice (CoP), Events wie Learning Days, oder Lerntandems und Mentoring-Programme. Darüber hinaus ist es entscheidend, dass Führungskräfte – allen voran die oberste Führungsebene – als Vorbilder einer neuen Lernkultur fungieren.
Gestiegene Reputation von Learning & Development
Im Trend Report 2023 war das Überzeugen von Stakeholdern mit 28 Prozent noch Spitzenreiter bei den Herausforderungen. In der aktuellen Befragung landete es mit 14 Prozent im Mittelfeld. Dies kann als Hinweis auf eine gestiegene Reputation von L&D in der Organisation gewertet werden. Scheinbar haben immer mehr Organisationen die strategische Bedeutsamkeit von Personalentwicklungsmaßnahmen für die Zukunftsfähigkeit der Organisation erkannt.
Learning & Development: Fazit
139 Personalentwickler*innen haben sich an der troodi L&D Trend Survey 2024 beteiligt. Aus ihren Antworten lassen sich vier zentrale Erkenntnisse zusammenfassen:
Künstliche Intelligenz als wichtigster Trend:
KI steht an der Spitze der L&D Trends für das Jahr 2024. KI treibt die Entwicklung innovativer Lernstrategien voran und besitzt das Potenzial, die Art, wie wir Wissen vermitteln und aufnehmen, zu revolutionieren.
Nachhaltigkeit als zentrale Herausforderung:
Im Kontext von immer stärker individualisiertem und selbstgesteuertem Lernen rückt die Nachhaltig der Maßnahmen ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Zentrale Aufgaben von L&D sind die Förderung von Selbstlernkompetenzen und einer aktiv gelebten organisationalen Lernkultur.
Führungskräfte als kritische Einflussgröße:
Führungskräfte werden als entscheidender Faktor für erfolgreiche L&D Initiativen gesehen. Ihre Rolle bei der Förderung einer Lernkultur und der Umsetzung von Lernstrategien sowie dem Umgang mit wichtigen inhaltlichen Themen wie Mental Health und DEIB ist unerlässlich.
Digitales Lernen als neuer Standard:
Digitale Lernformate sind aus einer ganzheitlich aufgestellten Personalentwicklungsstrategie nicht mehr wegzudenken. Sie bieten flexible, vielseitige und zugängliche Möglichkeiten für kontinuierliche Weiterbildung.
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Philip Klasen-Schwidetzki hat über 10 Jahre Erfahrung als Trainer, Berater und Coach und war lange Zeit bei der Unternehmensberatung Contract tätig. Seit 2020 ist er Gründer und Geschäftsführer von troodi – einem Anbieter für praxisnahe E-Learning Lösungen und hybride Entwicklungspfade in der Personal- und Organisationsentwicklung. Sein akademischer Hintergrund liegt in der Sozialwissenschaft. Foto: ©troodi/Timo Brings