Erfolgreiche Führungskräfte setzten auf ein effektives Zusammenspiel aus Führungswerkzeugen und kluger Haltung. Boris Grundl stellt fünf indirekte Tools vor, die Führungskräfte entlasten und Ergebnisse verbessern.
Besonders in Zeiten von Homeoffice und hybridem Arbeiten klaffen die Vorstellungen von Führung oft auseinander. Die einen Chefs lassen ihre Teams frei laufen und mischen sich möglichst gar nicht ein, andere setzen auf tägliche Konferenzen. So mancher Mitarbeiter wünscht sich mehr Freiraum, andere engmaschigere Updates.
Wäre es nicht wunderbar, wenn jeder im Unternehmen ein einheitliches Bild von Leadership hätte? Denn wenn jedes Teammitglied versteht, wie genau Führung im eigenen Betrieb gelebt wird, bündeln sich die Energien: Konflikte lösen sich auf, Unsicherheiten verschwinden, Kommunikation läuft störungsfreier und das gegenseitige Verständnis wächst.
In vielen Betrieben besteht auch schon Transparenz: Leader fördern ihre Mitarbeiter, loben für Ergebnisse, stellen entwickelnde Fragen oder kritisieren konstruktiv. All diese direkten Elemente sind Teil eines guten Führungssystems. Doch sie reichen nicht aus, um in komplexen Zeiten beständig hohe Qualität zu produzieren. Besonders bei virtuellen und dynamischen Projekten braucht es indirekte Leitlinien, damit Teams eigenständig und jederzeit optimal wirken können. Am Ende lautet die Königsfrage eines Leaders: Wie mache ich mich überflüssig, während die Ergebnisse immer besser werden? Folgende fünf Aspekte unterstützen dabei.
1. Systeme schaffen
Die größte Wirkung haben Systeme. Wer Systeme erschafft, die unabhängig vom Mitarbeiter oder Chef funktionieren, erhöht den Unternehmenswert extrem. Starke Systeme lassen sich daran erkennen, dass jemand auch mit weniger Talent oder an einem schlechten Tag überdurchschnittliche Ergebnisse erzielen kann. Dann hat der Kopf der Truppe Zeit für andere Aufgaben. Mit klugen Systemen gelingt es, sich auf einer Wirkungsebene überflüssig zu machen, um auf einer höheren Ebene wieder gebraucht zu werden.
Um solche Standards aufzustellen, fragen sich Suchende als Erstes: Welche Prozesse benötige ich, um den Unternehmenszweck umzusetzen? Dann entwickeln sie passende, lernende Systeme und definieren die anvisierten Ergebnisse. Was soll am Ende rauskommen? Anschließend geht es darum, die richtigen Kandidaten zu finden, deren Stärken zu den Wunschzielen passen. Am Ende legt der Entscheider ein Handbuch an, in dem all das hinterlegt ist. So können Zögerliche sich rückversichern und neue Kollegen schnell orientieren.
2. Unternehmenszweck erfüllen
Auch der Unternehmenszweck muss für alle verständlich, sichtbar und jederzeit präsent sein. Er verbindet den Sinn der Organisation mit ihrer Profitabilität und gibt Orientierung bei Entscheidungen. Dank höherem Zweck erkennen Mitarbeiter die Wertschöpfungskette der Firmenidee, die am Ende mit Geld bemessen wird. Ein Betrieb bezahlt seine Manager schließlich, damit sie den Unternehmenszweck im Team umsetzen und so den Gewinn erhöhen.
Der Unternehmenszweck besteht aus mehreren Elementen: Vision, Mission, Leitsätze und Positionierung. Die Vision beschreibt einen Idealzustand der Zukunft. Wofür steht das Unternehmen? Welchen Sinn hat es, dort zu arbeiten? All das dient zur Identifikation der Mannschaft. Die Mission richtet sich an die Käufer: Wie soll der Kunde das Unternehmen einordnen? Warum der Marke vertrauen und die Treue halten? Die Leitsätze definieren die Leitplanken für die Umsetzung. Die Positionierung kann sich auf Personen, Produkte oder Unternehmen beziehen. In der Praxis hält die Führungskraft all das immer wieder hoch. Ein stimmiger Unternehmenszweck löst den Kampf zwischen Kapital und Mensch auf.
3. Konsequent delegieren
Zu den indirekten Tools gehört konsequentes Delegieren. Die Kunst besteht darin, Aufgaben so zu übergeben, dass die Qualität der Ergebnisse überzeugt. Delegieren heißt, Menschen bewusst zu fördern, sie zum Mitdenken anzuregen und mit ihrem Einsatz etwas zu erreichen. Das gelingt durch entwickelnde Fragen wie: Welche Optionen gibt es? Was sind die Vor- und Nachteile? Was werden Sie nun tun? Je nach Kontext braucht es manchmal auch klare Ansagen.
Entscheider delegieren alles, bis auf die Jobs, die nur sie selbst tun können – meistens dreht es sich dabei um unbequeme Aufgaben. Gleichzeitig muss der Leader aufpassen, dass er keine Aufträge an überqualifizierte Fachkräfte gibt. Er darf auch nicht zulassen, dass Betroffene weiterdelegieren. Eine Führungskraft fragt sich jeden Tag aufs Neue, welche Arbeiten sie an wen abgeben kann. Anschließend beschreibt sie die Aufgabe in Form von messbaren Ergebnissen, übergibt die nötigen Vollmachten und setzt Kontrolltermine.
4. Ergebnisorientierte Aufgabenbeschreibung (EOA)
Solange Fachkräfte nicht genau wissen, um welche Ergebnisse es geht, tun sie, was sie für richtig halten. Eine wirkungsvolle EOA legt klar fest, was am Ende rauskommen soll. Das fördert ergebnisorientiertes Denken und Handeln. Ein Dokument, dass die Arbeitsbereiche klar umreißt, erleichtert Entscheidungen und unterstützt besonders dann, wenn der Alltag hektisch wird.
Damit Personen sich mit ihrer EOA identifizieren, erarbeiten sie das Dokument gemeinsam mit dem Vorgesetzten. Dazu bedarf es meist mehrerer Durchgänge. Im ersten Schritt geht es um den Verantwortungsbereich. Dann werden die Aufgaben zugeordnet. Schließlich übersetzen sie die Jobs in verbindliche Ergebnissprache. Die EOA sorgt dafür, dass klare Ziele im Kopf entstehen und der Autopilot laufen kann. Gleichzeitig sorgt solch eine Vereinbarung für Transparenz zwischen Chef und Fachkraft. Leader finden zudem leichter die richtigen Kandidaten für die anstehenden Jobs.
5. Positive Kontrolle
Mitarbeiter akzeptieren Kontrollen, wenn sie transparent sind. Versteht ein Kollege den täglichen Call als Ausdruck von Misstrauen, wachsen die Widerstände. Erkennt eine Fachkraft den Report jedoch als Hilfe, um das Ziel besser erreichen zu können, dient der Anruf als wertvoller Wegweiser. Dabei müssen zwei Dinge klar sein: Erstens, wer andere kontrolliert, verfügt über eine gewisse Form von Macht. Diese besondere Verantwortung benutzen Chefs niemals, um andere klein zu machen oder Überlegenheit auszudrücken. Hat jemand in der Vergangenheit negative Erfahrungen mit dem Vier-Augen-Prinzip gemacht, muss die Maßnahme als produktives Hilfsmittel sichtbar werden. Zum Zweiten: Trotz Kennzahlen bleibt Kontrolle nie 100-prozentig objektiv. Alle Fakten werden interpretiert. Profis bringen objektive und subjektive Sichtweisen in Einklang und erklären dem Team genau, wie sie kontrollieren.
Mentale Haltung und Werkzeuge im Zusammenspiel
Indirekte Führungselemente zu verankern, braucht Zeit. Doch die Mühe lohnt sich. Mitarbeiter finden Ruhe im Kopf und Chefs Zeit für andere Aufgaben. Doch auch die besten Werkzeuge bringen nichts, wenn jemand mit der falschen Mentalität an die Sache rangeht. Natürlich müssen die Systeme stimmen. Gleichzeitig produziert nur Herausragendes, wer mit kluger Haltung auf seinen Verantwortungsbereich schaut. In komplexen Zeiten geht es nicht mehr nur darum, Menschen zu führen, sondern darum, deren Bewusstsein zu führen. Dann packen sie die Sache an, setzen voller Energie um und nutzen die Werkzeuge, um überdurchschnittliche Ergebnisse zu liefern.
Das Buch zum Thema
Boris Grundl, Bodo Schäfer
Leading Simple
Führen kann so einfach sein
216 Seiten, 24,90 € (D) | 25,60 € (A)
ISBN 978-3-96739-070-4
15. überarbeitete Neuauflage
GABAL Verlag, Offenbach 2021
Erscheinung: 7. September 2021
Boris Grundl ist der Experte für mentale Transformation. Er hat die Themen Verantwortungsbewusstsein, mentale Haltung und Leadership in der Tiefe erforscht und systematisch erlernbar gemacht. Das Grundl Leadership Institut sorgt dafür, dass Menschen und Organisationen sie umsetzen können. Seit 30 Jahren ist Boris Grundl vom Hals abwärts gelähmt, er startete als Sozialhilfeempfänger. Heute lebt der zweifache Familienvater ein erfülltes, selbstbestimmtes und finanziell freies Leben in Spanien und Deutschland.