Agile Befragungstools (2): Anne M. Schüller erläutert, wie Sie und Ihr Team sich zügig von untauglichen Regeln und Prozessen trennen können. Etwa mittels der Methode „Kill a stupid Rule!“
Wir leben und arbeiten in einer Hochgeschwindigkeitszeit. Niemand weiß, wann und von wem die marktrelevanten Neuerungen kommen, doch wenn, dann kommen sie schnell. Rasche Aktionen sind deshalb unverzichtbar. Gleich drei Methoden bieten sich dazu an: die Sprechblasenmethode, Blitzlichtumfragen und „Kill a stupid Rule“. Dieser Beitrag ist Teil einer Serie von Anne M. Schüller über schnelle, öffnende, agile Befragungstools.
In jedem Unternehmen gibt es zig Dinge, die die Arbeit mühsam machen, von denen der Chef vielfach aber nichts weiß. Die Mitarbeitenden hingegen glauben, er wüsste das, würde jedoch aus welchen Gründen auch immer nichts unternehmen. Oder sie meinen, ihre Führungskraft wollte etwas so und so erledigt haben, obwohl das gar nicht stimmt. Kurz: Man erduldet missliche Umstände nur deshalb, weil niemand sie anspricht.
Vieles wird gar nicht erst hinterfragt und gedankenlos mitgeschleppt. Oft wird nämlich geglaubt, etwas ließe sich nun mal nicht ändern, obwohl auch das kein bisschen stimmt. Unsinnige Entscheidungen werden einfach akzeptiert. Zum Beispiel werden aufwendige Dokumentationen erstellt, die niemand liest. Oder den Mitarbeitenden fehlt einfach der Mut, eigene Vorschläge einzubringen. Mithilfe smarter Methoden lässt sich das ändern.
1. Optimieren mit der Sprechblasenmethode
Wer Verbesserungspotenzial zeitnah einfangen will, kann die Sprechblasenmethode probieren. Sie geht so: Man malt Sprechblasen, die sich gegenüberstehen, eine links und drei rechts. In die linke kommt eine Frage aus der folgenden Liste, die rechten sind leer, damit die Befragten ihre Antworten dort reinschreiben können. Hier einige mögliche Fragen:
- Die Goldstück-Frage: Welches sind die drei umsatzträchtigsten/kostensparendsten Ideen, die Sie für uns hätten?
- Die Sternenstaub-Frage: Welches sind Ihre drei verrücktesten/emotionalsten Ideen, die wir bei unseren Kunden umsetzen könnten?
- Die Trüffelschwein-Frage: Welches sind die drei innovativsten Dinge, die wir schnellstmöglich einführen sollten?
- Die Killer-Frage: Wenn es einen Sensemann gäbe, welches wären die drei Dinge, die er unbedingt dahinraffen müsste?
- Die Ufo-Frage: Wenn Sie ein Außerirdischer wären, welche drei Dinge kämen Ihnen bei uns besonders merkwürdig vor?
- Die Forum-Frage: Wenn wir ein Forum hätten mit dem Namen „Was bei uns total nervt“, welches wären die drei Hauptdiskussionspunkte?
- Die Zauberstab-Frage: Wenn Sie einen Zauberstab hätten, was wären die drei wichtigsten Verhaltensweisen, die Sie sich von Ihrer Führungskraft wünschen?
- Die Kaffeemaschinen-Frage: Wenn unsere Kaffeemaschine sprechen könnte, was würde sie uns zwecks Optimierung unserer Teamkultur vorschlagen?
- Die Gummibaum-Frage: Wenn der Gummibaum im Eingangsbereich reden könnte: Was würde ihm bei unserem Miteinander am meisten missfallen? Und was würde ihm am besten gefallen? (dazu zweimal drei Sprechblasen)?
Diese Methode kann offen oder anonymisiert eingesetzt werden. Dazu befragt man eine größere Anzahl Mitarbeitende einzeln. Oder man wählt den Rahmen eines Gruppenevents, was auch online machbar ist. Am besten nutzt man eine (virtuelle) Pinnwand zu diesem Zweck. Maßnahmenkataloge entstehen so fast wie von selbst. Idealerweise werden passende Verbesserungsvorschläge von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern selbst erarbeitet, um etwaige Defizite schnell und konstruktiv aus der Welt zu schaffen.
Der Ansatz hat etwas Verspieltes und fordert die Kreativität geradezu heraus. Allerdings können Scherzkekse oder gar zu Frustrierte damit auch ihr Unwesen treiben. Neben absoluter Ehrlichkeit muss bei dieser Methode deshalb folgende Regel gelten: Diskretion. Das formulieren Sie so: „Nur für interne Zwecke. Ziel dieser Aktion ist es, dass wir gemeinsam ein Hochleistungsteam werden.“
2. Ineffizienzen abbauen mit “Kill a stupid Rule”
Manche Firmen sind ein bürokratischer Alptraum. Wie unförmiges Gepäck hindert ihr adipöser Administrationsapparat sie daran, den Sprung in die Zukunft zu schaffen. Um also agiler, effizienter und innovativer zu werden, müssen zunächst die internen Altlasten weg. Überflüssige Prozesse müssen eliminiert, komplizierte Prozesse vereinfacht, misslungene Prozesse neu gestaltet werden.
„Kill a stupid rule“ setzt genau an diesem Punkt an. Ursprünglich wurde diese Maßnahme von US-Banker Vernon Hill entwickelt, der damit an seine Mitarbeitenden appellierte, kundenunfreundliche Abläufe aller Art schnellstmöglich aufzuspüren.
Die Methode ist auch für interne Zwecke nützlich, um lähmenden, demotivierenden Ballast zu identifizieren und durch einfachere, zeitgemäßere Vorgehensweisen zu ersetzen. Viele Richtlinien und Verfahren haben in der Vergangenheit ja ganz gut gepasst, doch für die nahende Zukunft taugen sie nicht. Bisweilen gibt es sogar Regeln, die werden noch immer befolgt, obwohl die Person, die sie einst erlassen hat, längst nicht mehr da ist. Erteilen Sie ihren Leuten also eine „Licence to kill“, und zwar so:
„Kill a stupid Rule!“: Von welchen untauglichen Standards, Regeln und Prozessen und von welchem administrativen Unsinn sollten wir uns schnellstmöglich trennen?
Zunächst setzen sich die Anwesenden jeweils zu zweit zusammen und suchen innerhalb von zehn Minuten nach so vielen „stupid rules“ wie nur möglich. Diese schreiben sie auf Haftzettel oder Moderatorenkärtchen und heften sie an eine Pinnwand. Sie werden sich wundern, wie auf einmal die Funken sprühen und was so alles zusammenkommt.
Ist die Sammlung komplett, wird eine Priorisierung vorgenommen. Danach machen sich Dreier-Teams an die Arbeit, „stupid rules“ ganz zu streichen oder durch neue, agilere Vorgehensweisen zu ersetzen, natürlich auch bereichsübergreifend.
Zum Start fängt man dort an, wo sich am schnellsten etwas bewegen lässt. So können sich erste Erfolgserlebnisse via Storytelling verbreiten und andere inspirieren. „Setz es auf die Killer-Liste“ ruft man all denen zu, denen zu einem späteren Zeitpunkt etwas einfällt, was dringend abgeschafft oder grundlegend verändert werden müsste.
3. Mit Blitzlichtumfragen rasch auf den Punkt
Blitzlichtumfragen eignen sich zum Beispiel dann, wenn man Leistungsaspekte gegeneinander testen will. In klassischen Fragebögen sollen diese durch Ankreuzen von Kästchen bewertet und gewichtet werden. Das Problem: So gefragt, finden die Mitarbeitenden oft nahezu alles mehr oder weniger wichtig und gut. Mit falschen Fragen erzeugt man also eine regelrechte Anspruchsinflation. So kommen Unternehmen den scheinbaren Mitarbeiterwünschen dann gar nicht mehr hinterher.
Bei Blitzlichtumfragen stehen stattdessen maximal vier Features auf einer Liste. Dann lässt man die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entscheiden, welches Merkmal ihnen am wichtigsten und welches ihnen am unwichtigsten ist. Das Gewinner-Feature aus Runde eins tritt gegen andere Merkmale in weiteren Runden an. So kommen Sie zu perfekten Leistungsbündeln – aus der Mitarbeiterperspektive betrachtet, und die allein zählt.
Leistungsmerkmal | am wichtigsten | am unwichtigsten |
Merkmal 1 | ||
Merkmal 2 | ||
Merkmal 3 | ||
Merkmal 4 |
Alternativ kann man die Mitarbeitenden je zwei Merkmale gegeneinander abwägen lassen, etwa mit folgender Frage: Was ist Ihnen wichtiger, … oder …? Die Ergebnisse können bei der Priorisierung von Umsetzungsmaßnahmen überaus hilfreich sein.
Das Buch zum Thema, Managementbuch des Jahres
Anne M. Schüller:
Das Touchpoint-Unternehmen
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Gabal Verlag, 368 Seiten
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Auch als Hörbuch erhältlich
Lesen Sie auch die weiteren Beiträge von Anne M. Schüller zur Serie „Agile Mitarbeiterumfragemethoden“:
Mitarbeiterbefragungen nach Schema F? Nein, danke
Wenn die Belegschaft die Gewissensfrage stellt
Die kommenden Beiträge der Serie:
14.02. Agile Mitarbeiterumfragemethoden: punktuelle und serielle Umfragen
28.02. Agile Mitarbeiterumfragemethoden: fokussierende Fragen
Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Zu diesen Themen hält sie Impulsvorträge auf Tagungen, Fachkongressen und Online-Events. 2015 wurde sie für ihr Lebenswerk in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen. Beim Business-Netzwerk Linkedin wurde sie Top-Voice 2017 und 2018. Von Xing wurde sie zum Spitzenwriter 2018 und zum Top Mind 2020 gekürt. Ihr Touchpoint Institut bildet zertifizierte Touchpoint Manager und zertifizierte Orbit-Organisationsentwickler aus.