Die Einführung von ChatGPT durch den Arbeitgeber kann in bestimmten Fällen ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auslösen. Daniel Hammes und Melina Stamm beschreiben die Rechtslage zum Einsatz von ChatGPT in Unternehmen.
In der modernen Unternehmenspraxis finden sich bereits heute vielfältige Anwendungsmöglichkeiten von Systemen der generativen Künstlichen Intelligenz (KI). Insbesondere der Einsatz von Chatbots wie ChatGPT, der autonom Arbeitsprodukte wie Texte generiert und Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmern daher in gewissem Umfang Aufgaben abnehmen kann, wird für Arbeitgeber zukünftig ein immer effizienteres Arbeitsmittel im eigenen Unternehmen sein. Die Anwendung eines solchen Mittels offenbart bereits jetzt, dass sich die Arbeitswelt mit fortschreitender Entwicklung von KI grundlegend verändern wird.
Auseinandersetzung mit arbeitsrechtlichen Fragen erst am Anfang
Die mit der Nutzung von ChatGPT unweigerlich einhergehende Auseinandersetzung mit arbeitsrechtlichen Fragestellungen vermag wohl zum jetzigen Zeitpunkt noch am Anfang zu stehen. Dass arbeitsrechtliche Themen in diesem Bereich jedoch zunehmend an Relevanz gewinnen, zeigt nun erstmals die Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamburg vom 16.01.2024.
Das Medienecho, dass diese Entscheidung verursacht hat, kann den Eindruck erwecken, die Einführung von ChatGPT durch den Arbeitgeber löse kein Mitbestimmungsrecht aus. Das ist jedoch ein Trugschluss. Dass das Hamburger Arbeitsgericht ein Mitbestimmungsrecht verneint hat, ist allein dem Umstand geschuldet, dass es sich bei dem, dem Beschluss zugrunde liegenden Sachverhalt, um eine Sonderkonstellation handelt. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts eignet sich jedoch durchaus dazu, die Grundsätze des betrieblichen Mitbestimmungsrechts des Betriebsrates näher zu beleuchten.
Grundsätze des betrieblichen Mitbestimmungsrechts
Im entschiedenen Fall hat der Arbeitgeber beschlossen, seinen Mitarbeiterinnen / Mitarbeitern die freiwillige Nutzung von ChatGPT oder ähnlichen Systemen über deren Privataccounts innerhalb des Webbrowsers zu erlauben. Hierfür wurde eine firmeninterne Richtlinie zum Umgang mit den Systemen sowie ein Handbuch veröffentlicht, ohne dass dabei der Betriebsrat beteiligt worden war. Der Betriebsrat sah sich in seinen Mitbestimmungsrechten verletzt und klagte per Eilantrag vor dem Arbeitsgericht Hamburg.
Grundsätzlich besteht bei der Einführung und Anwendung sog. „technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen“ ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates. Hierfür müssen Informationen über das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmern seitens des Arbeitgebers auf technische Weise ermittelt und dokumentiert werden, sodass sie für eine gewisse Dauer verfügbar bleiben und herangezogen werden können. Dieser Vorgang muss durch die technische Einrichtung unmittelbar selbst bewirkt werden.
In der dem Gericht vorliegenden Konstellation ist das allerdings nicht der Fall. ChatGPT oder ein ähnliches System wurde nicht auf dem Arbeits-PC selbst installiert, sondern den Beschäftigten wurde lediglich – auf freiwilliger Basis – die Nutzung mittels privater Accounts über den Internetbrowser des Arbeitgebers gestattet. In dieser Konstellation hatte der Arbeitgeber keinerlei Zugriff auf Nutzungsdaten, die beim Einsatz von ChatGPT gespeichert werden. Mangels Zugriff auf diese Nutzungsdaten bestanden auch keinerlei Überwachungsmöglichkeiten durch den Arbeitgeber.
Gerade das Bestehen eines technischen Überwachungsdrucks löst aber das Mitbestimmungsrecht aus. Sinn und Zweck des Mitbestimmungstatbestandes ist es, Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmer vor Beeinträchtigungen ihrer Persönlichkeitsrechte durch den Einsatz von technischen Überwachungseinrichtungen durch den Arbeitgeber zu schützen.
Dementsprechend war es richtig, dass das Arbeitsgericht Hamburg mangels Zugriffsmöglichkeiten auf die Nutzungsdaten, die Überwachungsmöglichkeit, das Vorliegen eines Überwachungsdrucks und damit auch in letzter Konsequenz das Mitbestimmungsrecht verneint hat.
Einsatz von ChatGPT: Wann besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats?
Umgekehrt wird man jedoch davon ausgehen müssen, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei der Einführung und Anwendung von Systemen der Künstlichen Intelligenz dann besteht, wenn der Arbeitgeber selbst Nutzeraccounts für seine Beschäftigten einrichtet oder einen Unternehmensaccount bei einem externen Anbieter kauft und die Nutzung eventuell sogar anordnen möchte.
In diesen Fällen hat der Arbeitgeber Zugriff auf die gespeicherten Nutzungsdaten der einzelnen Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmer oder kann die gespeicherten Daten bei dem externen Drittanbieter erfragen, sodass eine Leistungs- und Verhaltenskontrolle etwa in dem Sinne besteht, welche(r) Arbeitnehmerin / Arbeitnehmer das Programm zu welcher Zeit wie genutzt hat. In dieser Konstellationen entsteht der technische Überwachungsdruck, der den Mitbestimmungstatbestand auslöst.
Ist die Nutzung privater Accounts für dienstliche Aufgaben zulässig?
Auch wenn das Arbeitsgericht Hamburg – zutreffend – festgestellt hat, dass der vom Arbeitgeber geduldete oder sogar ausdrücklich befürwortete Einsatz von ChatGPT über private Accounts der Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmer kein Mitbestimmungsrecht auslöst, ist damit noch nicht die Frage beantwortet, ob die Nutzung von Privataccounts für dienstliche Aufgaben rechtlich überhaupt zulässig ist.
Trotz der Freiwilligkeit, könnte man argumentieren, dass ein unzulässiger Druck auf Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmer ausgeübt wird, ihren eigenen – ggf. noch zu erstellenden Account – für die Arbeit zu nutzen. Das gilt insbesondere, wenn die Nutzung zu einem erheblichen Mehrwert für die Arbeit führt, d.h. wenn diejenigen, die darauf zurückgreifen einen Vorteil gegenüber denjenigen haben, die das Tool nicht nutzen. Unter diesen Voraussetzungen könnte man ggf. auch argumentieren, dass ChatGPT zu einem wesentlichen Arbeitsmittel wird.
Arbeitsmittel hat jedoch grundsätzlich der Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen. Grundsätzlich haben Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmer einen Anspruch auf Bereitstellung essenzieller Arbeitsmittel. Wenn man jedoch mit dieser Argumentation zu dem Ergebnis kommt, dass ChatGPT zulässigerweise nur über dienstliche Accounts genutzt werden kann, dann wird im Ergebnis doch immer der Betriebsrat mitzubestimmen haben, sich Arbeitgeber ChatGPT nutzbar machen möchten.
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Daniel Hammes ist Senior Associate bei FPS in Frankfurt am Main. Er berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen in allen Angelegenheiten des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten zählen die Gestaltung von Anstellungsverträgen, die Verhandlung und Ausarbeitung von Aufhebungs- und Abwicklungsverträgen sowie das Führen von Kündigungsschutzverfahren. Darüber hinaus berät er insbesondere zu den Themenbereichen Arbeitnehmerüberlassung und Statusfeststellungsverfahren sowie zu betriebsverfassungsrechtlichen und mitbestimmungsrelevanten Themen.
Melina Stamm ist Associate bei FPS in Frankfurt am Main. Zu ihren Tätigkeitsschwerpunkten zählen die Gestaltung von Anstellungsverträgen sowie die Prüfung von Kündigungsfällen und Statusfeststellungsverfahren. Zu ihren Themenbereichen zählen zudem mitbestimmungsrelevante Themen im Zusammenhang mit Re- und Umstrukturierungsmaßnahmen, die Gestaltung von Dienstvereinbarungen sowie die Vornahme arbeitsrechtlicher Due-Diligence-Prüfungen im Rahmen von Unternehmenstransaktionen.