Welchen Herausforderungen sich junge Führungskräfte stellen müssen, verrät Julian Baumann, CMO bei Cobrainer. Wie finden sie einen Führungsstil, der zur individuellen Situation und den eigenen Überzeugungen passt?
Neue Arbeitsweisen brauchen moderne Perspektiven. Trotzdem bleibt die Management-Riege von alteingesessenen Führungspersonen besetzt. Woran liegt das? Es wird Zeit, das Feld für junge Talente zu räumen und ihnen einen Teil der Verantwortung zu übertragen. Julian Baumann, CMO bei Cobrainer, verrät, was es braucht, um sich den Herausforderungen zu stellen, die mit Young Leadership einhergehen – schließlich wachsen Führungskräfte nicht auf Bäumen.
Die jüngeren Generationen an Arbeitnehmern haben heutzutage eine genaue Vorstellung davon, wie ein verantwortungsbewusster Arbeitgeber und ihr berufliches Umfeld auszusehen haben: mehr Selbstbestimmung in Sachen Arbeitszeit und -ort, eine ausgewogene Work-Life-Balance, Mental Health Förderung, proaktive Wertschätzung, eine florierende Feedback-Kultur und flache Hierarchien.
Ehrlichkeit und offene Kommunikation gefragt
Manager sollen sich für die Schwierigkeiten und Meinungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter interessieren und sich für individuelle Lösungen einsetzen. Laut einer Gen-Z-Umfrage wünschen sich die meisten der Befragten vor allem Ehrlichkeit und eine offene Kommunikation von ihren Arbeitgebern – noch vor Gehalt und Weiterbildungsangeboten. Das neue Arbeitsumfeld gründet auf Empathie. Benefits und materielle Motivation sind in diesem Kontext eher zweitrangig.
Außerdem suchen sie einen sinnstiftenden Zweck in ihrer Arbeit, der über das bloße Erreichen von festgelegten Zielen und potenziellen Überstunden hinausgeht. Laut einer Randstad-Umfrage möchten 74 Prozent der befragten Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmer einen Sinn in ihrer Tätigkeit sehen. Entsprechen Unternehmen nicht diesen Vorstellungen, leiden Mitarbeiterzufriedenheit und Arbeitsmoral darunter, hohe Fluktuationsraten sind die Folge. Ein unattraktiver Arbeitsplatz spricht sich zudem schnell herum. Hier spielen Bewertungsportale eine große Rolle. Nicht zu vernachlässigen ist jedoch auch brancheninterner, direkter Austausch unter Kolleginnen und Kollegen – die Generation ist schließlich gut vernetzt.
Junge Führungskräfte an der Tagesordnung
Nicht nur einzelne Teams setzen sich zunehmend aus jüngeren, dynamischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusammen. Die Führungsebene muss einen ähnlichen Kurswechsel erfahren. Die potenziellen Nachwuchs-Leader sind vielversprechend: Sie erkennen, dass ein glaubhafter äußerer Wandel in der Geschäftswelt nur möglich ist, wenn es auf einem nachhaltigen inneren Wandel basiert. Deshalb überrascht es nicht, dass viele von ihnen eine Führungsposition mit Verantwortung anstreben – aus der Randstad-Untersuchung geht hervor, dass beinahe die Hälfte (41 Prozent) der befragten 16- bis 29-jährigen diesen Karriereweg gerne beschreiten würden.
Wie oft haben wir uns schon selbst oder andere sagen hören „Wenn ich einmal Kinder habe, möchte ich nicht so sein wie meine Eltern“? Ähnlich verhält es sich, wenn der Aufstieg in die Management-Ebene gelingt. Die Kombination aus den Wünschen und Erwartungen der jüngeren Generation und ihren gemachten Erfahrungen legt den Grundstein für die Idee, wie eine moderne Führungskraft zu handeln hat. Eigene Erfahrungen bestimmten außerdem, wie sie selbst als Führungskraft ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern begegnen wollen. Trotzdem bleibt der Nachwuchs aus – doch aus welchen Gründen?
Tradition vs. New Work: Ein Kampf der Giganten
Für die Mehrheit der Unternehmen ist die Förderung von Nachwuchs-Leadern eine der Top-Herausforderungen der Zukunft. Das liegt zum einen daran, dass das Konzept einer modernen Führung auf klassische Bilder und Erwartungshaltungen prallt, die sich hierzulande noch hartnäckig halten. Einerseits sind Präsenzpflicht, starre Arbeitszeiten, Feedback-Mangel sowie die ergebnisorientierte Arbeit weiterhin gang und gäbe. Für Flexibilität ist hier nur wenig Spielraum. Diese Arbeitsweisen sind nicht zukunftsbeständig und bergen großes Konfliktpotenzial.
Andererseits besteht zwar der Wunsch, dass sich im Management etwas ändert, jedoch scheuen sich immer noch viele fähige, junge Talente davor, die Chance auf eine Führungsposition zu ergreifen. In ihnen ist die Ansicht verankert, dass sie für eine solche Rolle nicht die vermeintlich notwendigen Erfahrungswerte und -jahre vorweisen können. Außerdem fühlen sich viele von ihnen auf Skill-Ebene nicht ausreichend vorbereitet und dementsprechend der Verantwortung einer Führungsperson nicht gewachsen. Oftmals wissen sie nicht, was von ihnen genau erwartet wird.
Den Nachwuchs proaktiv fördern
Für diese Herausforderungen gibt es keine One-size-fits-all-Lösung – Führungsstil und der Wandel von Kultur und Arbeitsmodellen sind stark abhängig von Branche, Unternehmensgröße, Demografie und Offenheit. Der erste große Schritt besteht darin, dass Unternehmen ihren Nachwuchs proaktiv fördern. Dafür müssen sie die vielversprechendsten Kandidaten erst einmal finden.
Datenbasierte Skill-Plattformen unterstützen diesen Prozess, indem sie bestehende Kompetenzen und deren Verteilung im Unternehmen offenbaren sowie Potenziale und Weiterbildungsbedarfe aufdecken. Zu den wichtigsten Skills, die Unternehmen und junge Führungskräfte auf ihrer Entwicklungsagenda haben sollten, zählen: Entscheidungsfindung, Delegierung von Aufgaben, Motivierung Anderer, Kreativität und das Festigen von Beziehungen.
Es kommt nicht immer auf das Alter an
Daneben sollten sich auch die Talente selbst über ihre Einstellungen und Verhaltensweisen bewusst werden, die ihnen dabei helfen können, einen ausgewogenen Führungsstil zu finden, der zur individuellen Situation und den eigenen Überzeugungen passt. Dazu gehört unter anderem:
Führungskraft mit Persönlichkeit:
Die Führungskraft streckt ihre Fühler in viele Richtungen. Sie ist Ansprechpartner, Mentor sowie richtungsweisende und weisungsbefugte Person zugleich. Vor diesem Hintergrund ist eine menschliche und authentische Kommunikation am zielführendsten. Daher sollte sich die eigene Persönlichkeit glaubwürdig im Führungsstil widerspiegeln. Das schafft Vertrauen und Respekt und beweist Wertschätzung. Bringt man seinen Mitarbeiterinnen / Mitarbeitern zusätzlich Empathie und individuelles Verständnis entgegen, steht einem starken und erfolgreichen Team nichts mehr im Weg – schließlich sind wir alle nur Menschen mit eigenen Emotionen, Eigenheiten und Stärken.
Wissen, was Verantwortung bedeutet:
Zu wissen, welche Dimensionen Verantwortung annehmen kann, ist unabdingbar für jede junge Führungskraft. Dazu gehört es, sich Aufgaben, Problemstellungen und Herausforderungen unterschiedlich zu nähern. Je nach Blickwinkel ist man Puffer, Therapeut, Erzieher und Diktator in einer Person. Man muss fördern, fordern, verwalten und verwerfen. Gleichzeitig müssen Führungskräfte sämtliche Facetten ihres Teams kennen und verstehen. Wirkt sich mein Verhalten auf Team-Dynamiken oder die Arbeitsmoral aus? Beschäftigt meine Team-Mitglieder etwas? Wer die richtige Balance des eigenen Führungsstils findet, Kompetenzen den individuellen Szenarien entsprechend ausspielt und das Team versteht, kann effektive Entscheidungen treffen.
Vielfalt schaffen:
Junge Führungskräfte wissen, dass sie nicht die Antworten auf alles haben. Eine diverse Team-Aufstellung hilft daher, in solchen Situationen die besten Entscheidungen zu treffen. Unterschiedliche Persönlichkeiten und Perspektiven versprechen mehrere differenzierte und innovative Lösungsansätze, mit denen man gegen starre Traditionen vorgehen und Change Management betreiben kann. Dies kann sich wiederum auf die Anforderungen an die Führungskraft auswirken, denen sie ebenso agil begegnen muss.
Fazit
Jüngere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen veralteten, traditionellen Arbeitskonzepten eher kritisch gegenüber und wünschen sich nicht nur betriebliche und kulturelle Veränderungen. Sie erwarten zudem, dass die Führungspersönlichkeiten ihres Unternehmens diese Entwicklungen repräsentieren und sie aktiv vorantreiben.
Junge Leadership-Talente sollten sich daher ihre eigenen Erwartungen und Erfahrungen zunutze machen und sie mit einem empathisch-menschlichen, fördernden Führungskonzept verbinden. Gleichzeitig sollten die eigene Persönlichkeit, ein differenziertes Verantwortungsbewusstsein und Offenheit für diverse Teams Bestandteile eines jeden Führungsstils sein – damit man als moderne Führungskraft nahbar und vertrauensvoll bleibt.
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Als Chief Marketing Officer von Cobrainer vereint Julian Baumann Wissen in den Bereichen Content, Customer und Event Marketing sowie Brand Experience, PR und Social Media. Zuvor arbeitete er sechseinhalb Jahre (2015-2021) bei Celonis, zuletzt als Senior Director Brand Experience. Davor war er für die TU München als Communications Officer tätig. Foto: ©Cobrainer