Der IT-Fachkräftemangel spitzt sich zu. Georg Pepping, Geschäftsführer Personal und Arbeitsdirektor bei T-Systems, gibt Tipps, wie Unternehmen Fachkräfte gewinnen und was heute anders laufen muss.
Mehr als 137.000 unbesetzten Stellen für IT-Fachkräfte – ein trauriger Rekord. Nur noch acht Prozent der Unternehmen empfinden laut der repräsentativen Umfrage in allen Branchen das Angebot der IT-Fachkräfte als ausreichend, im letzten Jahr waren es noch 13 Prozent.
Der demographische Wandel ist eine der treibenden Kräfte hinter dem heutigen Fachkräftemangel. Dazu sinkt das Interesse an einem Informatikstudium in Deutschland laut Bitkom-Studie seit dem zweiten Jahr in Folge. Das hat Konsequenzen: Inzwischen kämpfen Unternehmen nicht mehr nur auf regionaler oder nationaler, sondern auf globaler Ebene um talentierte Absolventinnen und Absolventen.
Das Ringen um Expertinnen und Experten ist in der Branche Alltag – auch für T-Systems. Da sich die Situation weiter verschlechtert, müssen Unternehmen immer kreativere Lösungen finden, um Talente und Expertinnen und Experten an sich zu binden – von New Work über flexible Arbeitsmodelle bis zu motivierenden Zusatzleistungen für alle Beschäftigten.
Auch sogenannte Graduiertenprogramme helfen zunehmend erfolgreich im Kampf gegen den Fachkräftemangel. Damit können junge Menschen mit dem passenden Abschluss innerhalb von wenigen Monaten zu Fachleuten werden. Für welche Unternehmen eignen sich diese Programme? Auf welche Rahmenbedingungen sollten Anbieter achten? Und welche Rolle spielt Haltung (Mindset) oder die Unternehmenskultur?
Graduiertenprogramme als Win-Win-Szenario
Ein Graduiertenprogramm macht aus der Not eine Tugend: Wer passende Fachkräfte nicht finden kann, muss sie eben selbst ausbilden. Denn oftmals müssen sich Unternehmen bei der Besetzung von IT-Stellen entscheiden: Setzen Sie eher auf Berufserfahrung oder reicht ein gerade erworbener Hochschulabschluss?
Als Schnittstelle zwischen Hochschule und Berufseinstieg gibt ein Graduiertenprogramm jungen, motivierten Menschen direkt die nötigen Fertigkeiten an die Hand: Fachliche Trainings vermitteln alle relevanten theoretischen Kenntnisse und Praxiseinsätze mit Coaches in echten Kundenprojekten verhelfen zur sonst nur über längere Zeit erwerbbaren Erfahrung. Nach einer umfangreichen, etwa sechs bis neunmonatigen Vorbereitung wie beim Graduate Program von T-Systems, können Absolventinnen und Absolventen solcher Programme im Unternehmen ohne weitere Einarbeitungszeit loslegen und schnell die Position eines „Young Professionals“ einnehmen. So profitieren sowohl Talente als auch Arbeitgeber vom Programm.
Welche Informationen, welches Wissen aber sollten Unternehmen ihren angehenden Fachkräften in solchen Graduiertenprogrammen vermitteln? Welchen Wissensbedarf haben Unternehmen, und welche Art von Expertise benötigen sie dafür? Diese Fragen müssen Arbeitgeber im Vornhinein klären, um die Lehrgänge möglichst präzise auf die Bedürfnisse des Unternehmens zuzuschneiden. Ziel des Programms ist es, das in der Regel breitgefächerte Wissen von Absolventinnen und -Absolventen anforderungsbezogen zu vertiefen. Deshalb sollten Unternehmen darauf achten, ihren Know-how-Bedarf im Tagesgeschäft regelmäßig mit den Lehrplänen der Graduiertenprogramme abzugleichen.
Partner suchen und die Unternehmenskultur pflegen
Partnerschaften mit passenden und renommierten Universitäten sind einer der Schlüssel zum erfolgreichen Graduiertenprogramm. Die Zusammenarbeit mit Hochschulen garantiert eine pädagogische Programmstruktur und erhöht die Qualität der Inhalte deutlich. So können Unternehmen sicher gehen, dass stets die neuesten wissenschaftlichen Einblicke in die Lehrpläne einfließen und den neuesten Wissensstand vermitteln können. Aber auch Unternehmenspartner sind geeignet, das Programm durch Zertifikate und spezialisierte Kurse zu erweitern.
IT-Fachkräfte: Junge Talente dort erreichen, wo sie sind
Ein erfolgreiches Konzept für ein Graduiertenprogramm beginnt jedoch schon vor der Konzeption der Lehrgänge: Nämlich bei der Gewinnung geeigneter Talente. Um bei potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten zu punkten, müssen Unternehmen Bewerberinnen und Bewerber neben attraktiven Entwicklungsmöglichkeiten auch eine passende Arbeitsumgebung bieten. Die Möglichkeit, regelmäßig im Home-Office zu arbeiten, auf eine gesunde Work-Life-Balance zu achten und neueste Hard- und Software zählen im Kampf um IT-Talente weitestgehend zum Standard.
Genauso wichtig ist es, die Zielgruppe – vor allem die Generation Z – mit den passenden Botschaften auf den richtigen Kanälen anzusprechen. Sichtbare Präsenz auf Social-Media-Plattformen ist für ein Unternehmen also unverzichtbar. Ein persönlicher, lockerer Ton bei der Ansprache erhöht die Chance auf positive und hohe Resonanz. Arbeitgeber, die unter verschiedenen Bewerberinnen und Bewerber wählen können, sollten nicht nur auf Abschlüsse und Hochschulnoten schauen.
Entscheidend ist vor allem auch die intrinsische Motivation und das „Mindset“: Nur wer aus eigenem Antrieb für Technologie und Digitalisierung brennt, wird ein Unternehmen auf Dauer nach vorne bringen. Mit anderen Worten: „Hire for attitude, train for skills“.
Eine Universallösung gegen den Fachkräftemangel gibt es nicht
Graduiertenprogramme setzen an der Nachwuchsgewinnung an und werden allein nicht genügen, die aktuell – wie in der nahen Zukunft – knappe Personalsituation zu verbessern. Die digitale Transformation schreitet in allen Branchen voran und damit auch die Suche nach IT-Fachkräften in allen Branchen. Arbeitgeber müssen also nach zusätzlichen Ansätzen suchen und auch unkonventionelle Wege gehen. Neuen und innovative Ideen sind gefragt, um künftig mehr Menschen für IT-Berufe zu begeistern und auch Quereinsteigerinnen / Quereinsteigern eine Chance zu ermöglichen. So zum Beispiel Coding Akademien, wie die von Xavier Niel ins Leben gerufene „42“, die in Deutschland in Heilbronn, Wolfsburg und Berlin vertreten ist.
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Georg Pepping leitet den Bereich Human Resources und gehört zur Geschäftsführung von T-Systems. Er setzt in seinem Unternehmen ebenfalls auf ein Graduiertenprogramm und innovative Ansätze, um junge Talente zu gewinnen. Der Wirtschaftsjurist arbeitet seit 1997 im Konzern Deutsche Telekom und verantwortete dort unter anderem als Leiter des Competence Centers HRM für Compensation & Benefits in der Telekom Gruppe auch die Sozial-, Tarif- und Mitbestimmungspolitik im Konzern. Seit 2010 ist er bei T-Systems Geschäftsführer Personal und Arbeitsdirektor. Foto: Norbert Ittermann