Wir könnten es so schön haben auf einem gesunden Planeten. Zukunftsweisende, nachhaltige Formen des Wirtschaftens können mehr Menschen ein besseres Leben ermöglichen, als sie es heute haben. Und genau das müsste auch im Interesse des Personalwesens sein. Denn nur, wem es gut geht, der kann auch gute Arbeit leisten. HR und Nachhaltigkeit: Erfahren Sie von Anne M. Schüller, wie HR eine Vorbildfunktion einnehmen kann.
Dies ist der zweite Beitrag eines Zweiteilers von Anne M. Schüller zum Thema „Green HR“. Den ersten Teil finden Sie hier.
Für immer mehr Arbeitgeber ist Nachhaltigkeit nicht länger nur ein lästiges Nebenziel, das womöglich den Profit schmälert. Vielmehr werden überprüfbar nachhaltig und glaubhaft faire Vorgehensweisen zu einem existenziellen Teil des Daseinssinns eines Unternehmens. Gute Gewinne sind dann das Ergebnis. Schlechte Gewinne werden auf Kosten der Umwelt und des Gemeinwohls gemacht. Gute Gewinne entstehen in Einklang mit Mensch und Natur. Je früher wir hier entscheidende Fortschritte machen, desto sozialverträglicher wird das sein.
Bereits jetzt zahlen wir einen hohen Preis für das hartnäckige Zögern der letzten Jahre. Zögern wir weiter, werden die Kosten für den Klimaschutz explodieren, die Einschränkungen werden größer und das Sicherheitsrisiko steigt für uns alle. „Was kostet Klimaschutz?“ ist somit die falsche Frage. Sie muss vielmehr lauten: „Was kostet es uns, wenn wir das Notwendige immer weiter nach hinten schieben?“ Den Unternehmen, die das nicht verstehen, werden bald drei Dinge ausgehen: zunächst die Leistungsträger, dann die Innovationen und schließlich die Kunden.
Dennoch gibt es neben denen, die nach einem Handeln streben, das zugleich ökonomisch, ökologisch und sozial sinnstiftend ist, natürlich auch die, für die ist Nachhaltigkeit mehr Gerede als Plan. Viel wird versprochen, doch wenig passiert. Doppelzüngig wird so getan, als sei man ökologisch geläutert, doch hinter den Kulissen bleibt fast alles beim Alten. Auf die Art wird versucht, Zeit zu gewinnen, um letztlich das Kapital zu schützen, das in deren klimaschädlichen Technologien gebunden ist.
Sustainability: 4 verschiedene Company-Typen
Insgesamt lassen sich mit Blick auf eine nachhaltige Unternehmensführung vier verschiedene Typen identifizieren:
Die Wegbereiter
Dies sind die Vorreiter einer „grünen“ Transformation. Für sie ist Sustainability nicht nur eine Unternehmensphilosophie, sondern vor allem der Schlüssel zur Zukunftssicherung. Nachhaltigkeit wurde schon vor langer Zeit in der strategischen Ausrichtung dieser Unternehmen verankert, und sie wird mit Nachdruck fortentwickelt und optimiert. Oft sind es die Firmeneigner selbst, die diese Richtungsentscheidung getroffen haben.
Die Routiniers
Bei ihnen ist nachhaltiges Denken und Handeln längst zur Unternehmenspraxis geworden. Sie verfügen über einen breiten Erfahrungsschatz in der Einführung „grüner“ Initiativen. In ihren Unternehmen gibt es bereits eine Abteilung oder eine Stabstelle für das Nachhaltigkeitsmanagement. Auslöser der nachhaltigen Ausrichtung waren Stakeholder-Anforderungen, also die von Kunden, Mitarbeitenden, Geschäftspartnern, Kreditgebern und Investoren.
Die Einsteiger
Sie befassen sich erst seit Kurzem mit Sustainability-Themen. Der Druck in den Märkten hat sie dazu angetrieben, sich nachhaltig neu zu erfinden und einen CSR-Bereich (Corporate Social Responsibility) aufzubauen. Denn in vielen Consumer-Märkten (B2C) ist die Erfüllung von ESG-Zielen (Environmental, Social and Corporate Governance) zur Überlebensfrage geworden. Investoren und Banken machen Finanzierungen von nachhaltigem Handeln abhängig. Im B2B-Umfeld bleibt man ohne Nachhaltigkeit bei öffentlichen Ausschreibungen fast immer außen vor. Und die ersten Versicherer versichern Umweltschänder bereits nicht mehr.
Die Nachzügler
Diese agieren in einem Spannungsfeld zwischen externen Notwendigkeiten, Eigeninteressen und inneren Zweifeln. Sie betrachten Nachhaltigkeitsanforderungen als organisatorische wie auch finanzielle Belastung. Die Gründe, sich nachhaltiger auszurichten, haben für diesen Typ immer mit Druck zu tun – wie etwa der Notwendigkeit zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität in umkämpften Arbeitnehmermärkten. Viele von ihnen fangen jetzt erst an, weil die Gesetzgebung es für sie vorschreibt. „Wenn möglich, abwarten“, ist ihr Motto.
Da stellt sich sogleich auch die Frage: Zu welcher Gruppe zählen Sie Ihr Unternehmen? Und zu welcher Gruppe gehören Sie selbst?
Bevor es losgeht: das Ambitionsniveau definieren
Wem es mit einem systematischen Nachhaltigkeitsmanagement ernst ist, sollte zunächst sein Ambitionsniveau klären – beziehungsweise neu justieren. Wollen Sie
- Vorreiter in Ihrer Branche sein, also jemand, der einem sofort in den Sinn kommt, der als Paradebeispiel genannt und in den Medien regelmäßig zitiert wird?
- In puncto Klimaschutz und Nachhaltigkeit dem Mittelfeld angehören, also das tun, was mehr oder weniger alle früher oder später machen?
- Nur die gesetzlichen Mindestauflagen erfüllen, und zwar gezwungenermaßen immer erst dann, wenn die entsprechenden Regularien amtlich werden?
Nachhaltige Unternehmen tragen maßgeblich zur notwendigen Regeneration unseres Planeten sowie zu einer Transformation der Wirtschaftssysteme bei. Und es gibt weitere gute Gründe: Eine ökologisch orientierte Führung steigert die Mitarbeiterzufriedenheit und die Unternehmensleistung zu je 20 und 21 Prozent. Zu diesen Ergebnissen kam eine kürzliche Studie der Zeag GmbH und der Uni St. Gallen. Dabei wurden mehr als 9.000 Mitarbeitende und Führungskräfte aus 73 deutschen Unternehmen befragt.
Vorbild: HR und Nachhaltigkeit
Bevor es darum geht, wie das Bewusstsein und die Handlungskompetenzen aller Beschäftigten in Bezug auf Sustainability erstarken kann, werden zunächst der eigene Arbeitsbereich und die eigenen Vorgehensweisen auf Umwelt- und Klimaschutz ausgerichtet. Denn wer andere zu Nachhaltigkeitsthematiken weiterentwickelt, sollte selbst ein gutes Vorbild sein. Dies umfasst zunächst die Klassiker wie Strom, Licht, Wasser, Klimaanlage, Büromaterial, Mülltrennung, Pendelwege und so fort.
Darüber hinaus geht es um die Ausgestaltung von Schulungsmaßnahmen und Weiterbildungsevents. Wer statt der zahlreichen digitalen Möglichkeiten, soweit diese zum Anlass passen, immer noch die alten, analogen, emissionsstarken Aktivitäten nutzt, verschwendet nicht nur sein Budget, sondern belastet auch sein Klimakonto.
HR und Nachhaltigkeit – bei Weiterbildungsaktivitäten sind vor allem folgende Aspekte von Belang:
- Video-Konferenzen und virtuelle oder hybride Veranstaltungen favorisieren,
- möglichst kurze Wege zu einem zentral gewählten Veranstaltungsort,
- möglichst kurze Aufenthaltsdauer, wenn tatsächlich gereist werden muss,
- umweltfreundliche Verkehrsmittel favorisieren, vor allem das Fliegen vermeiden,
- Fahrgemeinschaften bilden, öffentliche Verkehrsmittel statt Taxis nutzen,
- umweltfreundliches, fair gehandeltes, gesundes Essen von regionalen Anbietern,
- Einwegkunststoffe, Einweggeschirr und unnötige Deko beim Catering vermeiden,
- Großspender für Getränke und Fingerfood, um Einzelverpackungen zu minimieren,
- Buchung nachhaltiger Unterkünfte, zum Beispiel in umweltzertifizierten Hotels,
- auf maximale Energieeffizienz achten, nachhaltige Materialien benutzen,
- so wenig Abfall wie möglich, Abfalltrennung, keine unnützen Giveaways,
- maximal recyceln, zum Beispiel Namensschilder und temporäre Strukturen,
- Informationen, Registrierung und Schulungsunterlagen digital, nicht auf Papier,
- den Teilnehmenden Tipps für eine nachhaltige Anreise und Teilnahme geben.
Weitere Anregungen zur Integration von Nachhaltigkeitsaspekten – insbesondere in Zusammenhang mit größeren Veranstaltungen – finden Sie zum Beispiel hier.
Die einzelnen Aktivitäten werden idealerweise von einem nachhaltigkeitserfahrenen HR-Teammitglied initiiert und begleitet. Auch die umweltaffinen Kollegen anderer Bereiche können wertvollen Input geben. Holen Sie zudem regelmäßig das Feedback der Teilnehmenden aus Workshops, Inhouse-Schulungen sowie externen Aus- und Weiterbildungen ein, um weitere Impulse zu erhalten. Wenn Sie einen Feedback-Bogen verwenden, integrieren Sie unbedingt dementsprechende Fragen.
Das neue Buch der Autorin
Anne M. Schüller
Zukunft meistern
Das Trend- und Toolbook für Übermorgengestalter
Gabal Verlag 2024, 232 S., 29,90 €
ISBN: 978-3-96739-181-7
Lesen Sie auch die weiteren Beiträge von Anne M. Schüller:
- Generalist oder Spezialist: Welchen Typ brauchen wir in den Unternehmen?
- Die Zukunft meistern: „Was geht denn schon mal?“
- Wie HR mit Zukunftsbildern punkten kann
Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Zu diesen Themen hält sie Impulsvorträge auf Tagungen, Fachkongressen und Online-Events. 2015 wurde sie für ihr Lebenswerk in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen. Beim Business-Netzwerk Linkedin wurde sie Top-Voice 2017 und 2018. Von Xing wurde sie zum Spitzenwriter 2018 und zum Top Mind 2020 gekürt. 2024 wurde sie als Unternehmerin der Zukunft ausgezeichnet.