Nach erfolgreichem Krisenmanagement kann HR kraftvoll als Leader die digitale Transformation vorantreiben, meint Klaus Peren. Welche Aufgaben stehen an?
„Personal wird zur wichtigsten strategischen Ressource“ wird McKinsey zitiert aus der Zeit vor Corona. Schon damals waren die Herausforderungen für den Personalbereich immens – vom Fachkräftemangel über Diversity bis zur digitalen Transformation. Und jetzt kommt die Corona-Krise noch dazu. Meine Hoffnung ist, dass die Krise auch ihr Gutes hat, und die digitale Transformation der Unternehmen und die Digitalisierung von HR einen Schub bekommen.
Homeoffice als „Leuchtturm“ der Digitalisierung
Die Corona-Krise führt unzweifelhaft zu einem Digitalisierungsschub. In der Öffentlichkeit dominiert der Blick auf das Thema Homeoffice; zum Beispiel hat Siemens für 140.000 Mitarbeiter gerade die Präsenzpflicht abgeschafft. Aber auch Studien – wie die ifo Konjunkturumfrage vom Mai – zeigen, dass gut 50 Prozent der Unternehmen auch nach Corona verstärkt auf Homeoffice setzen. Unternehmen haben durch Corona die Erfahrung gemacht, dass Arbeit im Homeoffice produktiv sein kann, Bürokosten verringert und auch Jobs, die bisher selten im Homeoffice organisiert wurden (zum Beispiel Callcenter Tätigkeiten) für die Arbeit von zu Hause geeignet sind. Auch die Mehrzahl der Mitarbeiter bewertet die Arbeit im Homeoffice überwiegend als positiv und wünscht sich daher mehr Homeoffice in der Zukunft.
Hybride Konzepte mit einem Wechsel von Homeoffice und Arbeit im Büro des Unternehmens sind dabei aus Unternehmenssicht meist deckungsgleich mit den Wünschen der Beschäftigten und daher ein Zukunftstrend für die Arbeit nach Corona. Aber auch für die Arbeit mit Corona erlauben hybride Ansätze hohen Infektionsschutz in den Büros und eine Unterbrechung von Infektionsketten im Homeoffice.
Es braucht kein Recht auf Homeoffice
Neben den Vorreiterunternehmen und Vorreiterbranchen wie Techunternehmen und Banken gibt es aber noch in vielen Unternehmen Vorbehalte und es fehlt noch an der digitalen Infrastruktur. Ich bin sicher, dass bisher zögernde Unternehmen auch auf Homeoffice in der Zukunft setzen werden, da es eine Win-Win-Situation für Unternehmen, Mitarbeiter und Umwelt ist.
Daher braucht es kein Recht auf Homeoffice und es wird ja weiterhin viele Bereiche beziehungsweise Tätigkeiten geben, die nicht für Homeoffice geeignet sind. Und wie will die Politik oder wie sollen Gerichte entscheiden, welche das sind und welche nicht? Wenn die Politik in dem Bereich aktiv werden möchte, bieten sich die Ministerien, die Verwaltungen, Gerichte sowie öffentliche Universitäten und Schulen als Aktionsfeld Homeoffice beziehungsweise Digitalisierung an. Schulen zum Beispiel sollen wieder in den Regelbetrieb ohne Abstandsgebot anstatt endlich für den Schulunterricht die politischen Voraussetzungen für funktionierende hybride Lernkonzepte zu schaffen.
Deutschland liegt bei Digitalisierung zurück
Der Blick auf das Thema Homeoffice verstellt den Blick, dass wir in Deutschland insgesamt bei der Digitalisierung zurück sind und zurückfallen. Digitale Geschäftsmodelle entwickeln sich nur langsam und wenn Sie zum Beispiel performante Videokonferenzsysteme oder Social Collaborationtools nutzen wollen, finden Sie kaum deutsche oder europäische Anbieter. Einer Studie des Internetverbands Bitkom zufolge empfinden 58 Prozent der befragten Vorstände und Geschäftsführer Deutschland als Nachzügler in der Digitalisierung, gut ein Viertel der Unternehmen hat keine Digitalisierungsstrategie. Cisco sieht Deutschland in einer weltweiten Studie Anfang des Jahres beim digitalen Reifegrad nur noch auf Platz 14 und ist von Platz 6 abgerutscht, weil andere Länder deutlich schneller und konsequenter digitalisieren.
Einen sehr guten Job als Krisenmanager gemacht
HR hat in der Corona-Krise Brände gelöscht: Hygienekonzepte erstellt, Arbeit infektionssicher organisiert, Homeoffice oft erstmals eingeführt, Recruiting Prozesse weiter digitalisiert, in den wirtschaftlich betroffenen Branchen und Unternehmen Kurzarbeit eingeführt, die Effizienz der Arbeit verbessert und dabei so weit wie möglich versucht, die Arbeit im Unternehmen zu halten. Besonders innovativ und spannend ist für mich die Personalpartnerschaft zwischen McDonalds und Aldi, mit der sehr kurzfristig und schnell Mitarbeiter von McDonalds bei Aldi unterstützt haben.
Als „Corona-Zwischenzeugnis“ hat für mich HR einen sehr guten Job als Krisenmanager gemacht. Diesen Drive sollten wir nutzen, um Digitalisierung für Unternehmen und Mitarbeiter zum Win-Win-Geschäft zu machen. Denn der aktuelle Fokus auf Homeoffice verdeckt, dass noch viel Arbeit vor HR liegt.
HR ist noch am Anfang der eigenen Transformation
Digitalisierung ist mehr als neue Technik, Vernetzung, Datenmanagement, Robotics und KI. Für mich sind diese Punkte die Basics. Digitale Unternehmen sind dann erfolgreich, wenn daneben noch Führung partizipativer wird, die Veränderungsbereitschaft für neues geweckt und gefördert wird und Offenheit, Kritikfähigkeit und unternehmerisches Denken die Basis für die kontinuierliche Verbesserung und ein ständiges Lernen im Unternehmen sind.
Für HR bedeutet das, dass neben der weiteren Digitalisierung der HR-Prozesse, Entwicklungsthemen in den Fokus rücken: Entwicklung von Organisation, Kultur, Führung und auf der persönlichen Ebene.
Die Themen klingen bekannt, und HR hat eine große Erfahrung in Veränderungs- und Transformationsthemen. Die Veränderungen bei HR sind aber grundsätzlicher Natur:
- So kommt zum Beispiel die Entwicklung von Digital Leadership nicht voran, wenn nicht gleichzeitig das Performance Management reformiert wird und das Unternehmen die Steuerung des Unternehmens neben der traditionellen Logik um die „Steuerung“ über Sinn/Purpose des Wirtschaftens ergänzt
- Change-Management wird nur in Verbindung mit People Analytics reaktionsschnell und nachhaltig
- People Analytics, KI im Recruiting, der Personalentwicklung, der Personalplanung und vielleicht auch Apps in der betrieblichen Verfolgung von Coronafällen setzen neben dem technischen auch hohes mathematisches und statistischem Knowhow voraus, schon in der Auswahl geeigneter Software, Tools, Apps.
- Lebenslanges Lernen und die Entwicklung von digitalen Soft Skills brauchen neben anderen Trainings- und Lernmethoden ein neues Führungsleitbild – zum Beispiel Führungskräfte als Coaches/Trainer
- Neue Organisationskonzepte (auch für HR) sind wichtig, aber ohne eine Führungskultur, die Zusammenarbeit und den Aufbau und die Weiterentwicklung der Vertrauenskultur im Unternehmen in den Fokus nimmt, drohen Reorganisationen ins Leere zu laufen
- Standardmodelle sind immer weniger die Lösung für ein Umfeld, das immer schneller und komplexer wird. Gerade größere Unternehmen werden ambidextre Konzepte umsetzen und mit neuen Ideen experimentieren
Die digitalen Softskills entwickeln
Die Transformation von HR wird nur dann erfolgreich, wenn HR die Entwicklung der eigenen Kompetenzen/Skills vorantreibt. Technik-/IT-Knowhow, Mathematik, Statistik sind die Voraussetzung, dass der digitale Wandel verstanden wird. Wie in anderen Unternehmensbereichen auch muss HR die digitalen Softskills entwickeln. Studien belegen, dass unternehmerisches Denken, Teamfähigkeit, Kundenorientierung, Kommunikation und Veränderungsbereitschaft die erfolgskritischen Faktoren der digitalen Transformation sind.
Da die „alten Themen“ von HR nicht wegfallen, müssen Effizienzpotentiale aus der Digitalisierung in den HR-internen Personalumbau investiert werden. Ob diese Neuausrichtung ohne ein Mehr an Invest in Ressourcen bei HR gelingt, habe ich meine Zweifel; auch ist es zu viel verlangt, wenn HR den erforderlichen Digitalisierungsschub für Deutschland herbeiführen soll. Aber weil HR ein hohes Knowhow in Transformationsthemen hat, kann gerade jetzt der Personalbereich sich neben dem Krisenmanager auch als Transformationsleader beweisen.
Klaus Peren hat nach langer operativer HR-Verantwortung in verschiedenen Management-Funktionen bei der Deutschen Telekom und beim Arbeitgeberdachverband BDA die HR-Strategieberatung 360Compass gegründet. 360Compass begleitet Unternehmen in Transformationsphasen, bei der Weiterentwicklung zentraler Themen wie Performance-Management, Kulturentwicklung und der Verhandlung mit Sozial-/Betriebspartnern.