Green HR: Der Weg in die grüne Zukunft

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„Kenntnisse im Bereich Nachhaltigkeit sind von Vorteil“ sollte künftig in jeder Stellenanzeige stehen, meint Anne M. Schüller. Wir stehen vor der Herausforderung, die Probleme, die wir unserem Planeten seit Jahren bereiten, zu beseitigen. Einer zukunftsorientierten Green HR kommt dabei eine Schlüsselrolle zu.

Dies ist der erste Beitrag einer dreiteiligen Serie von Anne M. Schüller zum Thema „Green HR“.

Natürlich haben sich viele längst auf den Weg zu nachhaltigeren Wirtschaftsweisen gemacht. Wer sich im Kreis derer befindet, für die Umwelt-, Klima- und Artenschutz einen hohen Stellenwert haben, mag sogar glauben, die Mehrzahl der Unternehmen sei damit schon weit. Doch dem ist nur teilweise so.

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Im Rahmen einer im Jahr 2023 von Haufe durchgeführten Untersuchung wurden Tiefeninterviews mit Geschäftsführern mittelständischer Unternehmen über deren Haltung zum Thema Sustainability gemacht. Dabei hat man vier Typen identifiziert:

  • 15 % Wegbereiter
  • 30 % Routiniers
  • 35 % Einsteiger
  • 20 % Skeptiker

In tradierten Industrien gibt es zudem auch die, die bestehende nicht-nachhaltige Geschäftsmodelle mit aller Macht aufrechterhalten wollen, um mit ihren rückständigen Technologien Profite zu machen, solange es irgendwie geht. Populismus, wirtschaftliche Unsicherheiten und geopolitische Spannungen könnten sogar dazu führen, dass der notwendige ökologische Umbau verlangsamt, gestoppt oder sogar zurückgedreht wird.

Doch die Zeit drängt. Kluger Klimaschutz ist günstiger als kommende Klimaschäden. „Das größte Opfer dieser Tage ist das Dritte“, hat der Soziologe Armin Nassehi kürzlich geschrieben. In einem zunehmend ideologisch geführten, vieles verzögernden öffentlichen Diskurs zum Thema Nachhaltigkeit ist „das Dritte“, sprich der Verlierer, unser Planet. Wenn wir ihn unbewohnbar machen, ist alles andere letztlich egal.

HR gebührt eine Führungsrolle in Sachen „grün“

„HR transformiert sich, um zur treibenden Kraft für Veränderungen in Unternehmen zu werden.“ Dabei nimmt HR auch „eine aktive Rolle bei der Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft ein.“ Das sind Kernergebnisse der HR-Zukunftsstudie des Zukunftsinstituts, an der ich mitgewirkt habe. Dabei geht es um eine aufrichtig gelebte ökologische Ausrichtung, die weggeht von dem, was gesetzlich getan werden muss, hin zu dem, was getan werden kann, um zukunftsfähig zu werden.

Hierfür braucht es zunächst den Grundsatzentscheid, den Umbau als solchen loszutreten. Denn ohne einen ausdrücklich bekundeten Willen, der von der Geschäftsleitungsebene ausgeht und vom gesamten Management mitgetragen werden muss, wird jeglicher Transformationsversuch zum Rohrkrepierer. Zudem haben alle „Oberen“ die Obliegenheit, den Nachhaltigkeitsumbau zu schützen, zu unterstützen und zu begleiten.

„Green HR“ umfasst eine Vielzahl von Themen

Green HR: Der Weg in die grüne Zukunft
Twenty20/@hieuyngo

„Green Hiring“, „Green Training“, „Green Leadership“ und „Green Innovation“ sind Schlüsselthemen im Personalmanagement. Insofern wird HR nicht nur digitaler, sondern auch „grüner“. Folgende Aspekte stehen bei Green HR besonders im Fokus:

  1. Das zunehmende Umweltbewusstsein im Kreis der (jüngeren) Top-Talente und der Wunsch, die Umwelt zu schonen, haben einen zunehmend großen Einfluss auf die Attraktivität eines Unternehmens – und damit auch auf dessen Recruiting-Erfolge.
  2. Der HR-Bereich braucht sowohl ein pro-ökologisches Mindset als auch „grünes“ Knowhow. Zudem braucht es die Machtbefugnisse, für alle Bereiche solche Talente anzuziehen, auszuwählen und zu gewinnen, die umweltfreundliche Werte vertreten.
  3. HR hat nicht nur die Aufgabe, qualifizierte Nachhaltigkeitsmanager von außen zu akquirieren, HR kann auch helfen, alle internen Personen und Ressourcen zu identifizieren, die für strategische und operative Nachhaltigkeit relevant sind.
  4. Phänomene wie „Conscious Quitting“ und „Climate Quitting“ sorgen nicht nur für „Brain Drain“, die Fluktuation von Intelligenz und Verstand, sondern auch dafür, dass die Öffentlichkeit von den Gründen erfährt. Das schädigt die Arbeitgebermarke.
  5. Die Nachhaltigkeitstransformation im Unternehmen erfordert eine umfassende Weiterbildung und kontinuierliche Lernangebote, um die notwendigen ökologischen Kompetenzen in das tagtägliche Denken und Handeln zu integrieren.
  6. Führungskräfte sind Role Models in Sachen Nachhaltigkeit. Gut geschult leben sie unter dem Begriff „Green Leadership“ ökologische Werte selbst und richten die ganze Firma darauf aus. Die Vorbildfunktion der Geschäftsleitung ist dabei ein Muss.
  7. Die Personalentwicklung ist im gesamten Unternehmen von Nachhaltigkeitsthemen durchdrungen. Zudem lassen sich Arbeitsschutz, Gesundheitsmanagement und Mitarbeiterverpflegung sehr gut mit Umwelt- und Klimaschutzthemen verknüpfen.
  8. Damit Unternehmen ihre Mitarbeitenden wieder verstärkt ins Büro holen können, müssen die Arbeitslandschaften attraktiv, gesund und zunehmend „grün“ sein. Dies betrifft sowohl die firmeninterne Infrastruktur als auch das gesellige Miteinander.
  9. Gezielte Corporate-Influencer-Programme können helfen, die Anstrengungen des Unternehmens in Sachen „grün“ glaubhaft und authentisch nach draußen zu tragen. Solche Multiplikatoren bewirken oft mehr, als jede offizielle PR zu leisten vermag.

Wie man für eine Umsetzung sorgt? Nachhaltigkeitsziele lassen sich priorisieren, indem man sie an spezifische Nachhaltigkeits-KPIs koppelt, in jedes Jobprofil und in jede Zielvereinbarung integriert und über Boni in die Vergütung einbaut – vor allem in die der Führungskräfte und des Top-Managements. Denn getan wird, was belohnt wird.

Green HR: Wer Treiber ist, hat selbst eine Vorbildfunktion

Green HR: Der Weg in die grüne Zukunft
Twenty20/@_mikey_a_

Schon allein aus Glaubwürdigkeitsgründen müssen ausnahmslos alle HR-Einzelfunktionen überaus umweltfreundlich agieren und sich gemeinsam zu „Green HR“ weiterentwickeln. Passende Aktivitäten werden am besten aus dem Kreis der Mitarbeitenden heraus initiiert. Dies umfasst besonders die Klassiker wie Pendelwege, Fuhrpark, Dienstreisen, Wasser- und Energieverbrauch, die Nutzung von Materialien und elektronischen Geräten, das Abfallmanagement sowie den CO₂-Fußabdruck.

Idealerweise greift dabei, wie in einem Räderwerk, alles sinnvoll ineinander. Doch auch Einzelmaßnahmen können eine Menge bewirken. Zum Beispiel? Schreiben Sie diesen Satz in jede Stellenanzeige: „Kenntnisse im Bereich Nachhaltigkeit sind von Vorteil.“ Dies signalisiert dem Markt, dass Nachhaltigkeit dem Unternehmen wichtig ist. Zudem zieht es Personen an, die eine Affinität zum Thema haben. Schließlich bekommt man so in jedes Team und in jeden Bereich Talente mit einer nachhaltigen Grundgesinnung.

People & Culture mit Nachhaltigkeit koppeln: passt!

Frau arbeitet am Tablet
Twenty20/@bongkarngraphic

Immer mehr HR-Bereiche transformieren sich zunehmend zu People & Culture (P&C). Die gleichzeitige Hinwendung zum Thema Nachhaltigkeit passt da perfekt. Denn Nachhaltigkeit umfasst nicht nur ökologische, sondern auch soziale Aspekte. So verabschiedet sich People & Culture von der defizitorientierten Haltung, die dem zum ausklingenden Industriezeitalter gehörenden Begriff „Human Resources“ innewohnt.

Die Belegschaft wird nicht länger als „abbaubare“ Ressource gesehen, die man optimieren muss, damit man sie in der Produktion einsetzen kann. Statt der ehemals prozessgebundenen „Abarbeiter“ werden nun mitdenkende Akteure gefördert, die, eingebettet in psychologische Sicherheit, ihre Organisation maßgeblich bereichern – unter anderem auch mit Ideen und Innovationen im Kontext der Nachhaltigkeit.

Das schließt zweifelsohne das Wohlergehen der Menschen in den Lieferketten mit ein. Zudem befasst sich P&C mit den vielfältigen Aspekten der Unternehmenskultur. Dazu gehören auch Ethik und Werte. Insofern sind Greenwashing-Kampagnen, das Erzeugen von Externalitäten sowie arten-, umwelt- und klimaschädigende Aktivitäten zugunsten einer unersättlichen Profitmaximierung inakzeptabel.

Zudem gilt es, sich zu fragen: Wie gehen die Beschäftigten damit um, wenn sie sehen, dass ihr Arbeitgeber dreiste Lügen verbreitet, Menschen in armen Ländern ausbeutet oder sich auf Kosten der Umwelt bereichert? Was macht das mit ihnen, wenn sie gezwungen sind, so etwas zu unterstützen? Was macht das mit ihrer Loyalität? Was macht das mit ihrem Vertrauen? Was macht das mit einer der wertvollsten Ressourcen von Führung – der Glaubwürdigkeit? Und was macht das mit der Unternehmenskultur?


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Anne M. Schüller
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Gabal Verlag 2024, 232 S., 29,90 €
ISBN: 978-3-96739-181-7

 

 

 


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Anne M. Schüller

Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Zu diesen Themen hält sie Impulsvorträge auf Tagungen, Fachkongressen und Online-Events. 2015 wurde sie für ihr Lebenswerk in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen. Beim Business-Netzwerk Linkedin wurde sie Top-Voice 2017 und 2018. Von Xing wurde sie zum Spitzenwriter 2018 und zum Top Mind 2020 gekürt. Ihr Touchpoint Institut bildet zertifizierte Touchpoint Manager und zertifizierte Orbit-Organisationsentwickler aus.

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